Wie ein Fisch auf dem Trockenen: Mit „Der Fluss war einst ein Mensch“ gelang Regisseur Jan Zabeil 2011 ein kleiner Geniestreich. In seinem Debütfilm ließ er Hauptdarsteller Alexander Fehling orientierungslos im Holzkahn durch das Okavango-Delta im Nordwesten von Botswana treiben. Dafür improvisierten beide drei Monate lang im größten Binnendelta der Erde – ohne Drehbuch, nur mit Kamera- und Tonmann.
Info
Drei Zinnen
Regie: Jan Zabeil,
94 Min., Deutschland/ Italien 2017;
mit: Alexander Fehling, Bérénice Bejo, Arian Montgomery
Patchwork-Familie macht Bergurlaub
Für ihren zweiten gemeinsamen Spielfilm sind Zabeil und Fehling auf vertrauteres terrain zurückgekehrt, geografisch und sozial. In „Drei Zinnen“ macht eine dreiköpfige patchwork-Familie Sommerurlaub in den Dolomiten. Mit Bergtouren und Hüttenabenden möchte die Französin Lea (Bérénice Bejo) erreichen, dass sich ihr achtjähriger Sohn Tristan (Arian Montgomery) ihrem neuen Geliebten Aaron (Alexander Fehling) nah und verbunden fühlt; für ihn hat sie vor zwei Jahren den Briten George verlassen.
Offizieller Filmtrailer
Lumbersexual als Vaterfigur
Die Vaterfigur in spe spielt geschmeidig mit: Fehling gibt Aaron als wortkargen, aber charismatischen lumbersexual, der alles drauf hat, was man für Ferien auf der Alm braucht. Er kann ebenso Holz hacken und die Hütte reparieren wie Harmonium spielen. Er kümmert sich rücksichtsvoll um Tristan, aber drängt sich nicht auf. Um des lieben Kleinen willen räumt Aaron sogar seinen Schlafplatz: ein Traummann für alle Leserinnen des „Nido“-Magazins.
Dennoch will die gemeinschaftsbildende Maßnahme nicht recht klappen. George nervt mit ständigen Telefonanrufen für Tristan. Der Junge fühlt sich zwischen seinem leiblichen Papa und Mamas Neuem hin- und hergerissen. Lea hadert mit ihren widerstreitenden Gefühlen als Mutter und Geliebte; Aaron fühlt sich grundlos zurückgesetzt. All das plätschert so dahin – mal mehr, mal weniger plausibel und ziemlich unaufregend.
Hochgebirge bleibt Staffage
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Fluss war einst ein Mensch" – faszinierendes Psychodrama über eine Odyssee in Afrikas Wildnis mit Alexander Fehling von Jan Zabeil
und hier eine Besprechung des Films "Le Passé – Das Vergangene" – brillant intensives Beziehungs-Drama von Asghar Farhadi mit Bérénice Bejo, in Cannes 2013 als beste Schauspielerin prämiert
und hier einen Bericht über den Film "The Loneliest Planet" – Globetrotter-Drama in der Bergwelt des Kaukasus von Julia Loktev
und hier einen Beitrag über den Film "Höhere Gewalt" – Familien-Drama im alpinen Hochgebirge von Ruben Östlund.
Gut, dass es die Launen des alpinen Klimas gibt; andernfalls verstriche dieser Film so ereignisarm wie ein Pauschalurlaub. Da hilft auch die majestätische Kulisse des Hochgebirges wenig, auf dessen Schauwert Regisseur Zabeil setzt: Es bleibt reine Staffage ohne Bezug zu den Protagonisten – das Trio ist viel zu sehr mit sich beschäftigt. Wobei ausgerechnet der Jüngste die Handlung vorantreiben soll, indem er wechselnde Phasen seines Loyalitätskonflikts zum Ausdruck bringt; damit ist der Achtjährige sichtlich überfordert.
Für die Prenzlberg-peer group
So wirkt „Drei Zinnen“ durchgängig bemüht und überkonstruiert – bis hin zu Einstellungen, die klassische Kunstgeschichts-Motive schwülstig zitieren, von einer „Pietà“ bis zu Michelangelos „Erschaffung Adams“. Als wollten zwei Berliner thirtysomethings in diesen Film alle Neigungen ihrer peer group packen: der Helikopter-Eltern vom Prenzlauer Berg mit ihrer demonstrativen Naturliebe und ihrem Nestbau-Instinkt. Man merkt die Absicht und ist verstimmt; als Einzelkämpfer in exotischen Breiten waren Zabeil und Fehling wesentlich überzeugender.