Jim Jarmusch

Mystery Train

Der Portier des Arcade Hotel in Memphis, Tennessee (Screamin' Jay Hawkins, re.) mit einem Kollegen beim Dienst. Foto: Filmmuseum Düsseldorf
Endstation Memphis: An Elvis' letztem Wohnort lässt Regisseur Jim Jarmusch in drei Eintags-Episoden sein skurriles Personal in einem Billig-Hotel stranden. Diese so vergnügliche wie komplexe Tragikomödie zeigt das Filmmuseum Düsseldorf am 30. Januar.

Aus drei mach eins: Mit gleichzeitig ablaufenden Handlungssträngen formt Regisseur Jim Jarmusch eine dreiteilige Geschichte, deren Episoden ihren Schnittpunkt in einem Pistolenschuss haben. Die Faszination verschiedener Personen an einem Ort, die nicht miteinander in Kontakt treten, erzeugt einen tragikomischen Kinogenuss mit skurrilem Blick auf Amerika: in einem absolut stimmigen und kurzweiligen Episodenfilm, der Jarmusch-typisch Reminiszenzen in der Film-, Literatur- und Musikgeschichte bietet.

 

Info

 

Mystery Train

 

Regie: Jim Jarmusch,

113 Min., USA/ Japan 1989

mit: Masatoshi Nagase, Youki Kudoh, Nicoletta Braschi, Screamin' Jay Hawkins

 

Weitere Informationen

 

Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf

 

Ein Zug kommt an in Memphis, Tennessee.  Der Mississippi ist nicht weit, Elvis‘ „Graceland“-Anwesen nur einen Katzensprung entfernt. 24 Stunden an diesem Ort werden mit drei Geschichten erzählt, die einerseits unabhängig voneinander funktionieren und doch an feinen Fäden miteinander verbunden sind. Im „Arcade Hotel“ verbringen die japanischen Touristen Jun und Mitzuko aus Yokohama eine Nacht; sie streiten, lieben sich und diskutieren über ihren Trip.

 

Italo-Witwe will Leiche überführen

 

Dann ist da die italienische Witwe Luise, die die Leiche ihres Mannes nach Italien überführen möchte. Sie teilt sich ein Zimmer mit Dee Dee, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hat. Alle werden durch einen Schuss aufgeschreckt, den ihr Ex-Freund Johnny abfeuert; er will sich im „Arcade Hotel“ nach durchzechter Nacht erschießen.

Offizieller Filmtrailer


 

„Master of Light“ an der Kamera

 

In diesen drei Episoden ist der Film viel kleinteiliger angelegt, als im ersten Moment sichtbar wird. Jim Jarmusch legt eine Art Puzzle aus: So entwickelt sich etwa eine Person, die in der ersten Episode nur beiläufig eingeführt wird, später zu einer Hauptfigur. Dadurch war enorme Präzision beim Dreh und der Montage der einzelnen Szenen notwendig, um letztlich einen spielerischen Eindruck für eine komplexe Struktur zu gewährleisten.

 

Neben der eigenwilligen Konstruktion der Handlung besticht der Film auch durch seine Kameraführung. Wie auch schon bei „Down by Law“ (1986) und später bei „Dead Man“ (1995) hat Jarmusch in „Mystery Train“ mit Kameramann Robert „Robby“ Müller zusammengearbeitet. Er machte sich vor allem mit seiner Arbeit für die Regisseure Wim Wenders und Lars von Trier einen Namen; damit etablierte er sich als einer der wichtigsten und international einflussreichsten Kameraleute aus Deutschland. Das Berliner „Museum für Film und Fernsehen“ widmete ihm jüngst die Retrospektive „Master of Light“.

 

Stark durch Hopper-Gemälde beeinflusst

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Gimme Danger" - Dokumentation über Iggy Pop + The Stooges von Jim Jarmusch

 

und hier eine Besprechung des Films "Paterson" – poetisch-intensives Porträt eines Busfahrer-Dichters von Jim Jarmusch

 

und hier einen Beitrag über die Doku  "Blank City"  über die No-Wave-Szene im New York um 1980 von Céline Danhier mit Jim Jarmusch

 

und hier einen Bericht über den Film "Shirley - Visionen der Realität: Der Maler Edward Hopper in 13 Bildern" – Verfilmung von Hopper-Gemälden durch Gustav Deutsch.

 

Durch seine virtuose Verwendung  von Licht und Lichtgebung war Robby Müller als Kameramann prädestiniert für die kargen und atmosphärischen Filme von Jarmusch: Beide hatten ähnliche Vorstellungen von einem sehr stimmungsgeprägten Kino, das stark durch Gemälde von Edward Hopper beeinflusst ist. Häufig ist der Film von starren Einstellungen geprägt, die in der Szenerie verweilen.

 

Da spielt sich eine Bewegung nur im Hintergrund ab. Oder Personen laufen durch das Kamerabild, das sich kurz an ihnen orientiert, um sie schließlich wieder aus dem Bild zu entlassen – was typisch für die starren Kameraeinstellungen des frühen Kinos ist. Aber ikonisch für das Kino von Jim Jarmusch sind die Kameraschwenks und -fahrten geworden, die Charaktere beim Flanieren durch Straßen und Landschaften begleiten; zumeist parallel an den Häuserwänden entlang und sehr oft ziellos umherirrend.

 

Bizarres Waggon-Mosaik

 

Aus einem vielschichtigen Geflecht aus Gleisen und Schienen hat Jarmusch also einen „Mystery Train“ geschaffen, der als „Zug des Geheimnisses“ eine normale Eisenbahnfahrt in eine philosophierende Zeitmaschine verwandelt, die in ihrem Kern einen bestimmten Moment aus verschiedenen Perspektiven erfahrbar macht. In einem Labyrinth von Weichen kreuzen sich drei Geschichten; sie symbolisieren einzelne Waggons des Zuges, deren Fahrt zu einem bizarren Mosaik verwoben ist.

 

Ein Gastbeitrag von Thomas Ochs, Filmmuseum Düsseldorf