Hugh Jackman

Greatest Showman

P.T. Barnum (Hugh Jackman, mi.) und seine Greatest Show. Foto: © 2017 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 4.1.) Wie das moderne Schaugeschäft erfunden wurde: Mit seinem kuriosen Wanderzirkus verzückte P.T. Barnum ab 1850 das US-Publikum. Ihn verkörpert Hugh Jackman brillant im furiosen Musical von Regisseur Michael Gracey – ein herrliches Spektakel.

Das Filmmusical ist schon lange tot – oder jedenfalls beinahe. Der Zusammenbruch des klassischen Hollywood-Studiosystems Ende der 1950er-Jahre machte ihm praktisch den Garaus. Als die Traumfabrik das Produkt Genre-Kino nicht mehr serienmäßig herstellte, gingen all jene Spezialisten in den Ruhestand, die das Musical noch wenige Jahre zuvor zur künstlerischen Blüte geführt hatten. Nachwuchs gab es keinen mehr mangels Bedarf.

 

Info

 

Greatest Showman
(The Greatest Showman on Earth)

 

Regie: Michael Gracey,

105 Min., USA 2017;

mit: Hugh Jackman, Michelle Williams, Zac Efron

 

Website zum Film

 

Das Musical überdauerte nur in Nischen: in einigen wenigen Großfilmen der 1960er Jahre, den Disney-Animationsfilmen, ein paar teenie-Musikfilmen. Bei jedem Versuch, das Genre in größerem Stile wiederzubeleben, standen Regisseure und Choreografen vor einem kaum lösbaren Problem: Es gab keine zugkräftigen Filmstars mehr, die singen und tanzen konnten.

 

Stimme von „Les Misérables“

 

Bis jetzt: Hugh Jackman beherrscht all das; er hat professionelles Tanzen als Kind und Jugendlicher gelernt. Dass der australische Star gut bei Stimme ist, weiß man spätestens seit „Les Misérables“ (2012), Tom Hoopers Verfilmung der Musical-Version des Romanklassikers von Victor Hugo. In diesem Film stand er allerdings meist wie angewurzelt in pompösen computergenerierten Kulissen herum.

Offizieller Filmtrailer


 

Geschöntes Zirkuspionier-Leben

 

Doch in „Greatest Showman“ tanzt er mit Frack und Zylinder derart ansprechend, dass es keines Corps de ballet bedarf, das die Räume eng macht, um einen auf der Stelle tretenden Star zu kaschieren. Was ähnlich auch auf seinen Ko-Star Zac Efron zutrifft; er bringt entsprechende Erfahrung aus den erfolgreichen TV-Filmen der „High School Musical“-Serie mit.

 

Der australische Regisseur Michael Gracey kommt aus der Werbe- und video clip-Branche; sein Spielfilm-Debüt war rund sieben Jahre in Vorbereitung. Es erzählt frei – und ziemlich geschönt – die Biographie des amerikanischen Zirkuspioniers Phineas Taylor (P.T.) Barnum, gespielt von Jackman. Er sorgt Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Show menschlicher Kuriositäten für Aufsehen.

 

Stets laut auf Werbe-Pauke hauen

 

Dabei nimmt der Film gegenüber den Kleinwüchsigen, den Siamesischen Zwillingen und der bärtigen Dame die politisch korrekte Haltung von Tod Brownings klassischem Zirkus-Film „Freaks“ (1932) ein: Jedes Individuum ist ein Star für sich. Die Monstren sind die anderen – jene, die Menschen mit physischem handicap als abstoßend erachten.

 

Um Werbung für seine Show zu machen, scheut Barnum vor keinem vollmundigen Reklame-slogan zurück. Dafür wird er von den snobs der damaligen Oberschicht verachtet; das setzt den dramatischen Konflikt in Gang. Der Impresario aus armen Verhältnissen sehnt sich nach der Anerkennung der feinen Gesellschaft. Als er mit der berühmten schwedischen Sängerin Jenny Lind (Rebecca Ferguson) auf US-tournee geht, um sich als seriöser promoter zu etablieren, entfremdet ihn das von seinen Zirkusfreunden und seiner Frau Charity (Michelle Williams).

 

Operndiva singt wie Adele

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Les Misérables" - überwältigend opulente Verfilmung des Musicals nach dem Roman von Victor Hugo von Tom Hooper mit Hugh Jackman

 

und hier eine Besprechung des Films "La La Land" - vielfach Oscar-prämiertes Neo-Musical von Damien Chazelle mit Emma Stone + Ryan Gosling 

 

und hier einen Bericht über den Film "Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the candelabra)" - Biopic über den brillanten US-Entertainer von Steven Soderbergh mit Michael Douglas.

 

„Greatest Showman“ beruht auf einem Originalstoff mit eigens dafür komponierten songs; damit steht der Film mehrfach in der klassischen Musical-Tradition. Barnums Biographie bietet Anlass für spektakuläre Shownummern, während die Liedtexte als so genanntes integrated musical die Dialoge weiterführen.

 

Sie geben über Gefühle, Ambitionen und Träume der Protagonisten Auskunft. Obwohl die Handlung um 1850 spielt, klingt die Musik durchweg modern: Selbst Rebecca Ferguson als Opernsängerin intoniert keine Arien, sondern reüssiert mit einem Song, den in ähnlicher Weise auch Adele vortragen könnte.

 

Halbes Leben in drei Minuten

 

Mit kitschigen Bühnenfassungen haben gute Filmmusical nichts zu tun. Sie sind eine völlig eigenständige Kunstform, die im besten Fall leistet, was Kino eigentlich ausmacht: maximale Stilisierung und maximale Verdichtung. In „Greatest Showman“ wird in den drei bis vier Minuten eines Songs ein halbes Leben erzählt.

 

Natürlich kommt erst einmal alles so schlimm wie nur möglich; dann wird am Ende alles gut. Der Kreis schließt sich: Die Musiknummer vom Anfang wird noch einmal aufgegriffen, und Barnum gibt seinen Show-Zylinder an seinen jüngeren Geschäftspartner Phillip Carlyle (Zac Efron) weiter. Für Liebhaber des Genres bleibt allerdings zu hoffen, dass Jackman sich diesen Hut künftig öfter wieder aufsetzen wird: Dieser Film ist das beste Kino-Musical seit Jahrzehnten.