Fernando Pérez

Letzte Tage in Havanna

Miguel (Patricio Wood) träumt davon in die USA auszuwandern. Foto: © Kairos Film
(Kinostart: 25.1.) Der eine will weg, der andere muss sterben: Regisseur Fernando Pérez erzählt von zwei Freunden, die in der verfallenden Hauptstadt Kubas vor sich hinleben – tragikomisches Kammerspiel über eine Gesellschaft, die genug hat vom Regime.

Havanna war einst eine architektonische Perle der Karibik. Doch seit Jahrzehnten siecht sie vor sich hin. Die habaneros, die Bewohner der Hauptstadt, nutzen inzwischen zwar smartphones, doch ihre Häuser sind heruntergekommen. Diesem Verfall ist in „Letzte Tage in Havanna“ des Regisseurs Fernando Pérez jegliche Romantik abhandengekommen. In den solares, den Bauten aus der Kolonialzeit, leben die Menschen auf engstem Raum. Der Putz bröckelt, die Einrichtung ist spartanisch, es gibt kein fließendes Wasser und kaum Privatsphäre.  

 

Info

 

Letzte Tage in Havanna

 

Regie: Fernando Pérez,

93 Min., Kuba 2016;

mit: Jorge Martínez, Patricio Wood, Gabriela Ramos

 

Weitere Informationen

 

In einem solchen Gebäude leben die gegensätzlichen Freunde Diego (Jorge Martínez) und Miguel (Patricio Wood). Sie teilen sich Diegos Wohnung, die aus einer Küche mit Duschnische, einem einzigen Zimmer und Dachterrasse besteht. Von dort ist die Kuppel des Kapitols von Havanna zu sehen, das dem  Schwestergebäude in Washington D.C. nachempfunden wurde.

 

Verwandte als Aasgeier 

 

Die USA sind das Sehnsuchtsziel von Miguel. Der verschlossene und wortkarge Mittvierziger verbringt sein Leben im Wartestand. Schon sehr lange hofft er auf eine legale Ausreise und verdingt sich als Tellerwäscher, während er mühsam Englisch lernt. Hauptsächlich aber pflegt er Diego, den Aids im Endstadium ans Bett fesselt. Dessen Verwandte kreisen bereits wie Aasgeier um ihn, verspricht sein baldiger Tod doch begehrten Wohnraum. Ihre größte Befürchtung ist, dass Miguel allein die Zimmer okkupieren könnte.

Offizieller Filmtrailer OmU


Galgenhumor statt Pathos

 

Trotz seiner Krankheit wirkt Diego bei weitem lebendiger als sein stoischer Kumpel, dem er vorwirft, das Leben zu verpassen. Seine traurige Lage überspielt der schlagfertige Mann mit Galgenhumor und schaut unbeirrt Pornos. Zum Geburtstag wünscht sich Diego, dass Miguel ihm einen Stricher besorgt, schließlich möchte er noch mal „Genitalien in 3-D“ sehen.

 

Dem Homosexuellen, der von Jorge Martínez äußerst facettenreich gespielt wird, fehlen zwar nicht die vermeintlichen „schwulen“ Manierismen, doch hinter all den scharfzüngigen Worten wird ein sensibler Mensch sichtbar, der in seinem Leben viel Ablehnung erfahren hat. Diegos und Miguels bedingungslose Freundschaft hilft beiden, ihre Außenseiterposition in der kubanischen Gesellschaft zu ertragen.

Alle kämpfen ums Überleben

 

Regisseur Fernando Pérez zeichnet sie als zerrissene Gemeinschaft, in der jeder mühsam ums Überleben kämpft. Zwar gibt es noch die vielbeschworene kubanische Solidarität – die Bewohner des Hauses halten zusammen und helfen einander – doch sie ist vor allem aus der Not geboren.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Una Noche - Eine Nacht in Havanna" - authentisches Jugend-Drama aus Kuba von Lucy Mulloy

 

und hier einen Bericht über den Film "Hasta La Vista, Sister"  - kubanische Komödie über Sozialismus-Nostalgie von John Roberts

 

und hier einen Bericht über den Film "7 Tage in Havanna"  - abwechslungsreicher Episodenfilm von 7 Regisseuren.

 

Die stickige Wohnung und die Bildebene symbolisieren diese gesellschaftliche Enge sehr passend: Totalen kommen kaum vor, selbst das Meer wird nur in engen Ausschnitten erfasst. Wird eine Straße gefilmt, stehen die geradezu zärtlich wirkenden Nahaufnahmen der vielfältigen Inselbewohner im Fokus. „Letzte Tage in Havanna“ ist damit auch eine bitter-süße Liebeserklärung an Kuba, das einer ungewissen Zukunft entgegensieht.

 

Harsche Kritik am Regime

 

„Kuba hat viel zu lange gewartet damit, Dinge zu ändern, die unbedingt und schon lange hätten geändert werden müssen. Hätten wir dies getan, wären wir nun nicht an diesem Tiefpunkt“, sagt der Kubaner Pérez im Interview mit dem Trigon-Magazin. Dabei ist der 73-jährige Regisseur, der mit „Das Leben ein Pfeifen“ (1998) bekannt wurde, des Dissendententums unverdächtig und erklärter Anhänger der Revolution. Doch selbst für ihn scheinen die Zustände mittlerweile kaum noch auszuhalten zu sein. 

 

Zum Schluss lässt er Yusi (Gabriela Ramos) – eine junge Verwandte Diegos, die gegen Ende des Films die Männer-WG mit ihrer Unbekümmertheit aufmischt – einen traurig-sentimentalen Schlussmonolog aufsagen: Sie fürchte nicht den Weltuntergang, sondern, dass die Welt so bleibt, wie sie ist. Dass eine derart deutliche Kritik am Regime der alten Männer mittlerweile möglich ist, lässt sich getrost als Hoffnungsschimmer deuten.