Barbara Albert

Licht

Maria Theresia Paradis (Maria Dragus) spielt Klavier, obwohl sie blind ist. © Christian Schulz, NGF-LOOKS. Fotoquelle: Kinofreund
(Kinostart: 1.2.) Sehen und gesehen werden: Barbara Albert erzählt von einer blinden Pianistin, die nach der Behandlung eines umstrittenen Arztes wieder sehen kann, aber ihr Talent verliert – bildgewaltiges Drama um weibliche Emanzipation im 18. Jahrhundert.

Filme mit historischen Frauenfiguren gab es zuletzt häufiger. In Filmen wie „Love and Friendship“ (2016) oder „Florence Foster Jenkins“ (2016) ginge es vor allem um die Selbstbehauptung von Frauen, die besonders in traditionell patriarchalischen Verhältnissen schwierig war. Auch der Film „Licht“ der Regisseurin Barbara Albert, der auf Alissa Walsers Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ basiert, macht diesen Prozess nachfühlbar: Die Hauptfigur Maria Teresia Paradis (Resi) ist im 18. Jahrhundert gleich mit zwei Makeln geschlagen. 

 

Info

 

Licht

 

Regie: Barbara Albert,

97 Min., Österreich/ Deutschland 2017;

mit: Maria Dragus, Devid Striesow, Lukas Miko

 

Website zum Film

 

1777: Resi ist achtzehn Jahre alt, blind und eine virtuose Pianistin. Ihre Eltern führen sie als Wunderkind in der besseren Gesellschaft und bei Hofe vor. Sie gilt als Kuriosum, wird begafft und beklatscht wie ein tanzendes Äffchen. Sie weiß, dass sie nur wegen ihrer Blindheit von dieser Gesellschaft akzeptiert wird – und wegen der Gnadenpension der Kaiserin.  

Sie kann wieder sehen

 

Die Blindheit ist dennoch ein Makel, weshalb ihre Eltern sie zu jedem Quacksalber schicken, der verspricht, sie zu „heilen“, also sehend und präsentabel zu machen. Letzte Hoffnung ist eine neue Behandlungsmethode eines gewissen Franz Anton Mesmer (Devid Striesow), in dessen Sanatorium sie einzieht. Der macht nichts Außergewöhnliches, sondern lässt das Mädchen, das sonst immer nur getriezt wird, sprechen. Er hört ihr zu und Resi beginnt schon bald, Umrisse wahrzunehmen. Sie gewinnt einen Teil ihrer Sehkraft zurück.

Offizieller Filmtrailer


 

Verlust des Talents

 

„Wer nicht sehen kann, wird auch nicht gesehen. Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gehört“, sagt Resi an einer Stelle des Films. So wie sie die Umwelt neu erlebt, wird auch sie selbstbewusster. Umso mehr irritiert, dass sie mit der Sehkraft ihr Talent am Klavier einbüßt. Denn mit der Kontrolle über ihren „sicheren Hafen“, die Musik, verliert sie auch ihre bisherige Welt.

 

Sie muss wie ein kleines Kind Farben, Formen und Distanzen lernen und wird nach den ersten Erfolgen von Doktor Mesmer herumgezeigt. Er möchte endlich Anerkennung bei der Akademie. Erneut wird Resi benutzt und zum Vergnügen begafft, kann sich nun aber wehren. Neben der historisch verbürgten Geschichte, erzählt die Regisseurin Barbara Albert vom Machtgefüge als Wechselspiel zwischen denen, die gesehen werden und denen, die gaffen.

 

Panoptische Bilder

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Sommer der Gaukler" - Historien-Komödie zu Mozarts Zeiten von Marcus H. Rosenmüller

 

und hier einen Bericht über den Film  Die geliebten Schwestern - bestechendes Biopic über Schillers Dreiecksbeziehung von Dominik Graf

 

und hier einen Beitrag über den Film "Madame Bovary" - Verfilmung der Flaubert-Romans durch Sophie Barthes.

 

Dafür findet die österreichische Regisseurin gut durchdachte Bilder, etwa das panoptikumartige Oben und Unten im Haus des Doktors. Die Kamera bleibt dabei stets auf Distanz. Während Ausgrenzung, das Streben nach Höherem und die Angst vor Verlust von Privilegien zeitlose Phänomene sind, sorgen die Kostüme, Dialoge und Verhaltensweisen der Figuren für das passende Zeitkolorit.  

 

Resi, hervorragend gespielt von Maria Dragus, ist dabei Wanderer zwischen den Welten und ein lebendiger Beweis, dass die Dinge nicht gottgegeben fortbestehen müssen. Sie freundet sich mit ihrer Zofe Agnes (Maresi Riegner) an, wird aber auch von Hofdamen besucht. Sie ist zwar nicht „von Stand“, hat aber außergewöhnliche Fähigkeiten und Talent – also das, was Frauen im 18. Jahrhundert, die eher lieblich und puppenhaft sein sollen, oft nicht zugestanden wird.

 

Späte Würdigung

 

Inwiefern Resis (vorübergehende) Heilung physisch oder eher psychologisch bedingt ist, lässt der Film offen. Die echte Maria Teresia Paradis erblindete später wieder, fing an zu komponieren und gründete eine Musikschule für Sehbehinderte. Schön, dass sie nun von diesem wunderbaren Film gewürdigt wird.