Hong Sangsoo

On the Beach at Night Alone

Young-hee (Kim Min-hee) allein am Strand. Foto: © Grandfilm
(Kinostart: 25.1.) Die Poesie des Vielleicht: Im Drama von Hong Sangsoo driftet eine junge Frau durch die Welt, um über eine Liebesaffäre hinwegzukommen. Doch ob sie wirklich zuende ist, bleibt ungewiss – gelungene Studie über Einsamkeit im Showbusiness.

In den Filmen des koreanischen Regisseurs Hong Sang-soo geht es immer ums Ganze: Wie soll man leben? Wie soll man lieben? Jeder neue Film ist ein weiterer Mosaikstein in einem stets um die gleichen Themen kreisenden Gesamtwerk. Die Protagonisten, die sich diese Fragen stellen, haben oft keine Antwort.

Info

 

On the Beach at Night Alone

 

Regie: Hong Sangsoo,

101 Min., Südkorea 2017;

mit: Kim Min-hee, Seo Younghwa, Jeong Jae-yeong

 

Weitere Informationen

 

Die Männer und Frauen – oft Autoren, Schauspieler oder Regisseure – umkreisen einander und können nicht zusammenfinden. Die Männer sind schwach, bequem und immer etwas selbstmitleidig. Die Frauen, die in Hongs Filmen seit einigen Jahren im Mittelpunkt stehen, würden gern selbstbewusst auftreten und sich auch von anderen in ihrer Selbstbestimmtheit gewürdigt sehen. Doch dafür müssten sie sich für oder gegen etwas entscheiden. Das können sie oft nicht.

 

Poetische Unentschlossenheit

 

„Soll ich?“ ist auch in „On the Beach at Night Alone“ eine der am häufigsten gestellten Fragen: Soll ich hierbleiben? Soll ich nach Korea zurückkehren? Soll ich einen alten Freund anrufen? Soll ich einen Kaffee trinken? Wenn der Regisseur die großen philosophischen Fragen des Lebens auf den banalen Alltag herunterbricht, kommt ein versteckter Humor zum Vorschein, der Zuschauern eher ein verschmitztes Grinsen als ein lautes Lachen abnötigt.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Liebhaber im Sand und running gags 

 

In der Geschichte seines neuesten Werks steckt kein großes Drama, sondern eine Art Komödie mit absurdem Humor. Im ersten Teil des zweigeteilten Films tritt ein mysteriöser stalker auf, der die Hauptfigur irgendwann einfach davon schleppt – ein running gag, der nie erläutert wird.

 

Die junge Schauspielerin Young-hee – gespielt von Kim Min-hee, die bei der Berlinale 2017 einen Silbernen Bären als beste Darstellerin gewann – hat gerade ihre Affäre mit einem älteren, verheirateten Regisseur beendet. Sie sucht Abstand bei einem Aufenthalt in Hamburg, wo sie Würstchen auf einem Wochenmarkt isst und mit einer Freundin durch einen winterlichen Park spaziert. In langen Einstellungen zeigt Hong die beiden auf einer Bank sitzen und Beziehungsprobleme reflektieren. Am Elbstrand zeichnet Young-hee im Licht der Dämmerung das Gesicht ihres Liebhabers in den Sand. Sie vermisst ihn.

 

Doppelbödiger plot

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Taschendiebin - The Handmaiden" - eleganter Erotik-Thriller aus Südkorea mit Kim Minhee von Park Chan-wook

 

und hier einen Bericht über den Film "Guilty of Romance" – brillanter Erotik-Psycho-Thriller aus Japan von Sion Sono

 

und hier einen Beitrag über den Film "Der Seidenfächer" – Drama über zwangsverheiratete Seelen-Schwestern in China von Wayne Wang.

 

In dieser Hinsicht ist alles wie immer in einem Hong-Film, nämlich gänzlich unbestimmt: Denn vielleicht ist die Affäre auch nicht beendet, vielleicht kommt der Mann sie ja doch besuchen. Ein zweiter, längerer Teil des Films spielt in Korea, wo die zurückgekehrte Young-hee in der Hafenstadt Gangneung alte Freunde trifft. Man isst, trinkt und diskutiert, und irgendwann begegnet sie auch wieder dem Regisseur und seiner crew. Vielleicht aber ist das auch nur ein Traum Young-hees, allein am kalten Strand.

 

In Hongs einfachen, aber doppelbödigen Geschichten spielt das sowieso keine Rolle: Traum und Realität sind dasselbe. Sie erzählen von einem Leben voller Optionen, die niemand wahrnimmt, weil es einfach viel zu viele davon gibt. Das Leben verlangt nach Entscheidungen, die in einem Hong-Film niemand trifft. Die Figuren treiben dahin in ihren Tagträumen und Wunschvorstellungen, ratlos und deshalb sehr sympathisch. Dass der Film auch die tatsächliche Affäre des verheirateten Hong mit seiner Hauptdarstellerin Kim Min-hee reflektiert, die in Korea einen milden Skandal auslöste, muss man dabei noch nicht einmal wissen.