Marcel Carné

Drôle de drame – Ein sonderbarer Fall

Archibald Soper, der Bischof von Bedford (Louis Jouvet). Fotoquelle: Filmuseum Düsseldorf
Wenn der Krimi Realität wird: 1937 erzählte der französische Regisseur Marcel Carné von einem Krimiautor, den ein Massenmörder verfolgt. Das Filmmuseum Düsseldorf zeigt die groteske Satire im Stil des Poetischen Realismus am 13. Februar.

London im ausgehenden viktorianischen Zeitalter: Der Botaniker Molyneux (Michel Simon) schreibt unter Pseudonym Kriminalromane, doch sein Doppelleben fliegt auf. Zudem muss er um sein Leben fürchten: Der Massenmörder Kramps ist ihm auf der Spur. Die Polizei und eine gewaltige Menschenmenge machen sich auf, Kramps zu finden, der – seines Zeichens Metzger – aus Liebe zu Tieren tötet.

 

Info

 

Drôle de drame -
Ein sonderbarer Fall

 

Regie: Marcel Carné,

105 Min., Frankreich 1937;

mit: Louis Jouvet, Françoise Rosay, Michel Simon

 

Weitere Informationen

 

Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf

 

„Drôle de drame“ (1937) von Marcel Carné ist eine groteske Kriminalgeschichte mit Anarcho-Touch. Wie bereits in seinem Debütfilm „Jenny“ (1936) arbeitete der Regisseur dabei mit dem Autor Jacques Prévert zusammen. Das Duo gilt als eines der einflussreichsten in der französischen Filmgeschichte. Neben dieser fruchtbaren Kollaboration kam eine illustre Besetzung zusammen, von der diese rasante wie satirische Komödie zehrt. Es war auch Carnés zweite Zusammenarbeit mit dem Theaterschauspieler Jean-Louis Barrault.

 

Zwischen Theater und Film

 

In „Drole de drame“ spielt er den Serienmörder William Kramps, als Baptiste Deburau glänzte er später in Carnés Meisterwerk „Die Kinder des Olymp“ (1945). Sein Schauspielstil lag zwischen Film und Theater. Die Nähe zum Theatralen und zur Poesie sind stilistische Merkmale von Marcel Carné, der – ganz in der Tradition seines Vorbilds Jacques Feyder – drei Dinge in den Vordergrund stellte: die Schauspieler, den Standpunkt der Kamera und die Pläne für die Szenerie.

Ausschnitt aus dem Film


 

Gesellschaftskritik in den 1930er Jahren

 

Der von vielen Wendungen geprägte Film weist eine groteske Clownerie auf, die Tragik, Pessimismus und Kritik an der französischen Gesellschaft Mitte der 1930er Jahre deutlich werden lässt. Mit dem vom Filmkritiker Georges Sadoul geprägten Begriff „Poetischer Realismus“ entstand ein Stil, der von den Erfahrungen der Jahre der Weltwirtschaftskrise in Frankreich gekennzeichnet war.

 

Die Inszenierung und das Herausarbeiten dessen, was Sadoul unter Poetischem Realismus versteht, fiel bei diversen Regisseuren höchst unterschiedlich aus. Inhaltlich ging es stets um den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft in der Alltagswelt.

 

Schüfftans Spiegeltrick-Verfahren

 

Dabei sorgte vor allem der Exilant Eugen Schüfftan für ungewöhnliche Bilder. Der bis heute einflussreichste Kameramann seiner Generation wurde berühmt für das nach ihm benannte Spiegeltrick-Verfahren, in dem zwei Bilder über Spiegel zu einem kombiniert werden und die Größenverhältnisse der Bilder keine Rolle mehr spielen.  

 

Hintergrund

 

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Besonders in Zusammenarbeit mit Marcel Carné in „Drôle de drame“ wie auch „Quais de brumes“ nahm Schüfftan als Trick- und Filmtechniker Einfluss, aber auch durch seinen eigenwilligen Einsatz von Licht und Schatten. Für die theatralen Aspekten des Kinos von Carné fand er neue Bilder: das quasi expressionistische Spiel mit Spiegelungen und Schatten der Figuren, behutsame und pointiert eingesetzte Kameraschwenks, perspektivische Wechsel in den Dialogszenen. 

 

Anfangs ein Flop

 

„Drôle de drame“ wurde in 23 Tagen gedreht und war bei seiner Veröffentlichung ein finanzieller Misserfolg. Erst später kam es bei Wiederaufführungen zur verdienten Anerkennung. Für Carné selbst bedeutete diese Produktion beinahe das Ende seiner Laufbahn als Regisseur.

 

Zur Form der Groteske konnte er sich aus mehreren Gründen nicht mehr durchringen. Einerseits war er selbst davon überzeugt, nie wieder eine vergleichbare Schar grandioser Schauspieler zusammenzubekommen, die dafür nötig gewesen wäre; andererseits glaubte er nicht, dass er noch einmal einen Produzenten von einem solchen Projekt hätte überzeugen können.

 

Ein Gastbeitrag von Thomas Ochs, Filmmuseum Düsseldorf