Josef Hader

Arthur & Claire

Arthur (Josef Hader) und Claire (Hannah Hoekstra) kiffen in einem Coffee-Shop in Amsterdam. Foto: ©Tivoli Film. Fotoquelle: Universum Film
(Kinostart: 8.3.) Selbstmord wird als Paar erst schön: In Amsterdam treffen sich zwei Lebensmüde und gehen gemeinsam durch ihre letzte Nacht. Die schwarzhumorige Dramödie von Regisseur Miguel Alexandre konzentriert sich auf ein famoses Hauptdarsteller-Duo.

Das nennt man Fortschritt: In „Wilde Maus“ (2017) geriet der dauergrantelnde Publikumsliebling Josef Hader durch Job-Verlust in eine Sinnkrise. In „Arthur & Claire“ ist er über diesen Schicksalsschlag bereits weit hinaus. Aus Angst vor seinem bald bevorstehenden Tod durch Lungenkrebs will Arthur in Amsterdam ärztlich begleitet sterben. Dann trifft er die ebenfalls zum Selbstmord entschlossene Claire (Hannah Hoekstra); daraus entwickelt sich eine melancholisch-schwarzhumorige Komödie.

 

Info

 

Arthur & Claire

 

Regie: Miguel Alexandre,

100 Min., Deutschland 2017;

mit: Josef Hader, Hannah Hoekstra, Rainer Bock

 

Website zum Film

 

Auf der Grundlage des gleichnamigen Theaterstücks von Stefan Vögel haben Hader und Regisseur Miguel Alexandre gemeinsam das Drehbuch verfasst. Ihnen gelingt, dass die Geschichte vom reifen Mann, der sich aus Todesangst einen leichten Abgang wünscht und auf eine junge Frau trifft, die sich vor dem Leben fürchtet, nicht von der Last des Themas erdrückt wird. Vielmehr schlingert Hader wieder einmal unnachahmlich durch skurrile Situationen auf ein allerdings vorhersehbares Ende zu.

 

Abschiedsbrief + Pillen-Cocktail

 

Dabei bietet ihm die 1987 geborene Niederländerin Hannah Hoekstra kongenial Paroli: Sie wirkt an der Rezeption eines bürgerlich gediegenen Hotels eigentlich etwas deplatziert. Doch Claire erkämpft sich lautstark ein Bett für ihre letzte Nacht, obwohl sie keine Kreditkarte besitzt, die eigentlich obligatorisch wäre. Während er in seinem Zimmer anfängt, seinem Sohn, der nicht mehr mit ihm spricht, einen Abschiedsbrief zu schreiben, bereitet sie nebenan ihren finalen Pillen-Cocktail vor.

Offizieller Filmtrailer


 

Holländisch ist wie Halsentzündung

 

Bei laut dröhnender Musik: Das durchkreuzt ihre Pläne und führt zum gegenseitigen Kennenlernen. Der sich gestört fühlende Arthur marschiert in ihr Zimmer, was sie zur Frage veranlasst, ob die Deutschen das „immer noch so machen“. Er antwortet wahrheitsgemäß: „Ich bin Österreicher“ – sie quittiert treffsicher: „Noch schlimmer!“ Nationalitäten und Sprachen spielen fortan eine wichtige Rolle: Arthur findet, Holländisch klinge nach Halsentzündung. Und Amsterdam sei als Sterbeort Zürich entschieden vorzuziehen, weil man in der Schweiz sowieso nicht merke, ob man tot sei.

 

Jedenfalls entdeckt Arthur in Claires Zimmer neben einer überlaufenden Badewanne eine Menge Tabletten und deren Zweck. Der misanthropische Einzelgänger, der sonst nur mit Ironie und Zynismus auf seine Umgebung reagiert, kann plötzlich nicht anders und versucht, die junge Frau zu retten. Kurz darauf findet sie Indizien für seinen medizinisch begleiteten Freitod; das bringt beide auf Augenhöhe und lässt sie zu einer sehr speziellen Schicksalsgemeinschaft werden.

 

Pflanzlicher Tod unter Baumstamm

 

Hintergrund

 

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Das Duo bricht zu einer nächtlichen Tour durch Amsterdam auf, da Claire Ersatz für ihre Tabletten sucht, die in der Toilette gelandet sind. Dabei geraten sie aus dem schicken Stadtzentrum mit seinen Restaurants und Diskotheken allmählich in schmucklose Außenbezirke; zugleich gehen sie den eigenen tieferen Persönlichkeitsschichten mehr und mehr auf den Grund.

 

Anfangs prägen Arthurs besserwisserische Ratschläge die Atmosphäre, etwa: „Wenn dich ein Baum erschlägt, ist es auch rein pflanzlich!“ Doch nach gemeinsamem Marihuana-Konsum im Coffee-Shop entspannt er sich merklich – und beginnt, Claire als Engel zu betrachten, der ihn zum Sterben abholt. So wird für ihn der eigene Tod schließlich zum „Sechser im Lotto“ – was ihn nicht daran hindert, sie bevormunden und retten zu wollen.

 

Achterbahnfahrt der Gefühle

 

Allerdings hat Claire ihre eigenen Gründe, vom Leben genug zu haben. Nachdem sie ihm mehrfach davongelaufen ist, vereint beide gemeinsames Musizieren in einer seltsam verlassenen Bar bei Morgengrauen; kein ganz neuer Einfall. Hoffnung keimt wieder auf, als sie mittags gemeinsam in seinem Zimmer erwachen, doch erweist sich abermals als trügerisch – und erneut steht alles auf dem Spiel.

 

Wie gesagt: Vieles in diesem Film ist vorhersehbar; auch das Ende kommt nicht überraschend. Dennoch wird er durch die schön zugespitzten Dialoge zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle, die mehrmals die Augen feucht werden lässt. Josef Haders melancholisches Grübeln und Hannah Hoekstras skeptische Lebendigkeit tun ein Übriges, damit der Zuschauer am Ball bleibt. Eine ansehnliche Dramödie mit treffsicheren Pointen und leidlich Tiefgang, die sich zurecht auf ihre Hauptdarsteller konzentriert.