Die verflixten zwölf Jahre wird der Laden nicht mehr los. Wenn von „Ufa-Filmen“ die Rede ist, versteht darunter jeder die Produktionen aus der NS-Zeit, als der Konzern deutscher Kino-Monopolist und Propagandamaschine des Nazi-Regimes war. Doch im Unterschied zum „Tausendjährigen Reich“ hat die Ufa bereits 100 Jahre durchgehalten: Das nimmt die Deutsche Kinemathek zum Anlass, die verwickelte Firmengeschichte nachzuzeichnen.
Info
Die Ufa –
Geschichte einer Marke
24.11.2017 - 22.04.2018
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer
Straße 2, Berlin
Katalog 29 €
08.06.2018 - 16.09.2018
täglich 9 bis 19 Uhr
in der Versicherungskammer-Kulturstiftung, Kunstfoyer, Maximilianstraße 53, München
Nach „Metropolis“ fast pleite
Sie beherrschte schon Anfang der 1920er Jahre den deutschen Kinomarkt; ihre Studios in Babelsberg und Berlin-Tempelhof zählten zu den größten weltweit. Mit Filmen von Ernst Lubitsch („Anna Boleyn“, 1920), Fritz Lang („Dr. Mabuse“, 1924; „Metropolis“, 1927) und Friedrich Wilhelm Murnau („Faust“, 1926) prägte sie die Stummfilm-Ära. Dennoch war die Ufa 1927 fast pleite, weil Großproduktionen wie „Die Nibelungen“ (1926) und „Metropolis“ ihre Kosten nicht einspielten. Daher kaufte der deutschnationale Medienmogul Alfred Hugenberg den Konzern günstig auf.
Impressionen der Ausstellung
„Davon geht die Welt nicht unter“
Als erster NS-Wirtschaftsminister wandelte er 1933 die Ufa in ein Propaganda-Instrument um. 1937 wurde sie quasi verstaatlicht, fünf Jahre später zur Holding der gesamten deutschen Filmindustrie. Joseph Goebbels ließ ebenso Hetz- und Durchhaltefilme produzieren wie leichte Unterhaltung in schwerer Zeit. Zum erfolgreichsten Kassenschlager der NS-Zeit wurde „Die große Liebe“ (1942); darin sang Zarah Leander die Schlager „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. „Die Feuerzangenbowle“ (1944) machte Heinz Rühmann zum beliebtesten deutschen Schauspieler.
Die Alliierten wollten nach dem Zweiten Weltkrieg die Ufa zerschlagen, doch das zerschlug sich. In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde 1946 die DEFA aufgebaut und zum Kino-Kombinat der DDR. Erst zehn Jahre später reorganisierte sich die westdeutsche Ufa, doch gegen das aufkommende Fernsehen kam sie nicht mehr an: 1961 entstand ihr letzter Kinofilm.
2800 TV-Programmstunden pro Jahr
Drei Jahre später kaufte der Bertelsmann-Konzern die Ufa; seither stellt sie Fernsehfilme her. Ihr einträgliches Geschäft explodierte nach der Einführung des Privatfernsehens 1984. Inzwischen beherrscht die Ufa den deutschen TV-Markt mit jährlich rund 2800 Programmstunden – meist leichter Kost wie Serien und Seifenopern à la „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (ab 1992) oder der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (ab 2002). Bei solchen Quotenknüllern fallen ambitionierte Dokudramen wie „Der Tunnel“ (2001) oder „Rommel“ (2012) in der Jahresbilanz kaum ins Gewicht.
Vom Avantgardekino- zum Fließband-Produzenten: ein deutsches Firmen-Schicksal. Die Ausstellung handelt es recht summarisch ab; in sechs Kapiteln über jeweils zwölf bis 19 Jahre, deren Einteilung die politischen Umbrüche ignoriert. Dabei wirkt die Auswahl der Exponate eher willkürlich: Flachware wie Verleihkataloge, Programmhefte und Plakate dominiert. Ähnlich erratisch erscheint die Zusammenstellung von Filmausschnitten – anstelle von Klassikern viel Zweitrangiges, als färbe die heutige Billigproduktion auf die Vergangenheit ab.
Weder „Triumph des Willens“ noch „Jud Süß“
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Inszeniert – Deutsche Geschichte im Spielfilm" – aufwändiger Historienfilm-Überblick in Bonn + Leipzig
und hier eine Besprechung des Films "Von Caligari zu Hitler – Das deutsche Kino im Zeitalter der Massen" – gelungener Essayfilm über die Stummfilm-Ära der Weimarer Republik von Rüdiger Suchsland
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Traumfabrik – 100 Jahre Film in Babelsberg" im Filmmuseum, Potsdam
und hier eine Kritik der Ausstellung "Friedrich Wilhelm Murnau – Eine Hommage" für den Regisseur von "Nosferatu" (1922) +"Tabu" (1931) im Lenbachhaus, München
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Am Set: Paris - Babelsberg - Hollywood" über Standfotografie seit der Stummfilm-Zeit in der Deutschen Kinemathek, Berlin.
Die Deutsche Kinemathek behilft sich mit dem Hinweis auf die Dauerausstellung im Museum; dort seien weitere Ufa-Exponate zu sehen. Eine seltsame Notlösung, zumal sie bei der zweiten Station in München nicht funktionieren wird. Sehr oberflächlich fällt anschließend die Darstellung der Nachkriegsgeschichte aus. Die DEFA taucht nur als Sprungbrett von DDR-Stars auf, die in die Bundesrepublik übersiedelten und dort ihre Karriere fortsetzten. Für das TV-Universum der heutigen Ufa müssen ein paar Monitore und Merchandising-Produkte ausreichen.
Interaktiv + volumetrisch
Stattdessen stellt eine Etage tiefer das „UFA LAB“ allerlei digitale Experimente vor. Bei einem „interaktiven Krimi“ 2011 sollten ZDF-Zuschauer online den Fall selbst lösen. „360-Grad-Kameras“ bieten Rundum-Bilder etwa von einer Autofahrt. Und in einen „volumetrischen Film“ können die Betrachter mithilfe einer Virtual-Reality-Brille selbst einsteigen und sich im Bildraum frei bewegen. Ob das mehr als Spielereien sind, bleibt abzuwarten.
Dieser Schlussteil wirkt, als sei er von „UFA LAB“ schlüsselfertig geliefert worden. Insgesamt macht die Schau den Eindruck einer wenig inspirierten Pflichtübung. Zwar kann die Deutsche Kinemathek das runde Jubiläum des bedeutendsten deutschen Filmunternehmens nicht ignorieren, aber rote Teppiche will sie dem jetzigen TV-Ramsch-Grossisten auch nicht ausrollen. Wie der Titel besagt: Gezeigt wird die „Geschichte einer Marke“ – und die ist nur ein Handelszeichen.