Berlin + München

Die Ufa – Geschichte einer Marke

Anja Kruse als Wilhelmine Enke in der Ufa-Produktion "Die schöne Wilhelmine", ZDF 1984, Regie: Rolf von Sydow. Fotoquelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv
Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder: Die Ufa war Kino-Traumfabrik der Weimarer Republik und Nazi-Propagandaschmiede – heute produziert sie TV-Massenware. Ihre wechselvolle 100-jährige Geschichte beleuchtet eine Ausstellung recht summarisch.

Die verflixten zwölf Jahre wird der Laden nicht mehr los. Wenn von „Ufa-Filmen“ die Rede ist, versteht darunter jeder die Produktionen aus der NS-Zeit, als der Konzern deutscher Kino-Monopolist und Propagandamaschine des Nazi-Regimes war. Doch im Unterschied zum „Tausendjährigen Reich“ hat die Ufa bereits 100 Jahre durchgehalten: Das nimmt die Deutsche Kinemathek zum Anlass, die verwickelte Firmengeschichte nachzuzeichnen.

 

Info

 

Die Ufa –
Geschichte einer Marke

 

24.11.2017 - 22.04.2018

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

donnerstags bis 20 Uhr

in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer
Straße 2, Berlin

 

Katalog 29 €

 

Weitere Informationen

 

08.06.2018 - 16.09.2018

täglich 9 bis 19 Uhr

in der Versicherungskammer-Kulturstiftung, Kunstfoyer, Maximilianstraße 53, München

 

Weitere Informationen

 

Staatsnähe wurde der „Universum-Film Aktiengesellschaft“ (Ufa) schon in die Wiege gelegt: An ihrer Gründung im Dezember 1917 beteiligten sich neben Privatunternehmen auch die Reichsregierung und das Kriegsministerium. General Erich Ludendorff, damals fast ein Militärdiktator, schwebte ein vom Staat gesteuerter Kinokonzern vor. Dagegen setzte die Deutsche Bank als Anteilseigner eine kommerzielle Ausrichtung der Ufa durch.

 

Nach „Metropolis“ fast pleite

 

Sie beherrschte schon Anfang der 1920er Jahre den deutschen Kinomarkt; ihre Studios in Babelsberg und Berlin-Tempelhof zählten zu den größten weltweit. Mit Filmen von Ernst Lubitsch („Anna Boleyn“, 1920), Fritz Lang („Dr. Mabuse“, 1924; „Metropolis“, 1927) und Friedrich Wilhelm Murnau („Faust“, 1926) prägte sie die Stummfilm-Ära. Dennoch war die Ufa 1927 fast pleite, weil Großproduktionen wie „Die Nibelungen“ (1926) und „Metropolis“ ihre Kosten nicht einspielten. Daher kaufte der deutschnationale Medienmogul Alfred Hugenberg den Konzern günstig auf.


Impressionen der Ausstellung


 

„Davon geht die Welt nicht unter“

 

Als erster NS-Wirtschaftsminister wandelte er 1933 die Ufa in ein Propaganda-Instrument um. 1937 wurde sie quasi verstaatlicht, fünf Jahre später zur Holding der gesamten deutschen Filmindustrie. Joseph Goebbels ließ ebenso Hetz- und Durchhaltefilme produzieren wie leichte Unterhaltung in schwerer Zeit. Zum erfolgreichsten Kassenschlager der NS-Zeit wurde „Die große Liebe“ (1942); darin sang Zarah Leander die Schlager „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. „Die Feuerzangenbowle“ (1944) machte Heinz Rühmann zum beliebtesten deutschen Schauspieler.

 

Die Alliierten wollten nach dem Zweiten Weltkrieg die Ufa zerschlagen, doch das zerschlug sich. In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde 1946 die DEFA aufgebaut und zum Kino-Kombinat der DDR. Erst zehn Jahre später reorganisierte sich die westdeutsche Ufa, doch gegen das aufkommende Fernsehen kam sie nicht mehr an: 1961 entstand ihr letzter Kinofilm.

 

2800 TV-Programmstunden pro Jahr

 

Drei Jahre später kaufte der Bertelsmann-Konzern die Ufa; seither stellt sie Fernsehfilme her. Ihr einträgliches Geschäft explodierte nach der Einführung des Privatfernsehens 1984. Inzwischen beherrscht die Ufa den deutschen TV-Markt mit jährlich rund 2800 Programmstunden – meist leichter Kost wie Serien und Seifenopern à la „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (ab 1992) oder der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (ab 2002). Bei solchen Quotenknüllern fallen ambitionierte Dokudramen wie „Der Tunnel“ (2001) oder „Rommel“ (2012) in der Jahresbilanz kaum ins Gewicht.

 

Vom Avantgardekino- zum Fließband-Produzenten: ein deutsches Firmen-Schicksal. Die Ausstellung handelt es recht summarisch ab; in sechs Kapiteln über jeweils zwölf bis 19 Jahre, deren Einteilung die politischen Umbrüche ignoriert. Dabei wirkt die Auswahl der Exponate eher willkürlich: Flachware wie Verleihkataloge, Programmhefte und Plakate dominiert. Ähnlich erratisch erscheint die Zusammenstellung von Filmausschnitten – anstelle von Klassikern viel Zweitrangiges, als färbe die heutige Billigproduktion auf die Vergangenheit ab.

 

Weder „Triumph des Willens“ noch „Jud Süß“

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Inszeniert – Deutsche Geschichte im Spielfilm" – aufwändiger Historienfilm-Überblick in Bonn + Leipzig

 

und hier eine Besprechung des Films "Von Caligari zu Hitler – Das deutsche Kino im Zeitalter der Massen" – gelungener Essayfilm über die Stummfilm-Ära der Weimarer Republik von Rüdiger Suchsland

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Traumfabrik – 100 Jahre Film in Babelsberg" im Filmmuseum, Potsdam

 

und hier eine Kritik der Ausstellung "Friedrich Wilhelm Murnau – Eine Hommage" für den Regisseur von "Nosferatu" (1922) +"Tabu" (1931) im Lenbachhaus, München

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Am Set: Paris - Babelsberg - Hollywood" über Standfotografie seit der Stummfilm-Zeit in der Deutschen Kinemathek, Berlin.

 

An die Blütezeit in der Weimarer Republik erinnern nur „Metropolis“ und „Der blaue Engel“ (1930) mit Marlene Dietrich; andere Werke von Fritz Lang, Lubitsch oder Murnau fehlen. Noch dürftiger wird das Dritte Reich dokumentiert; halbwegs bekannt sind nur „Hitlerjunge Quex“ (1933) und „Kolberg“ (1945). Dagegen fehlen alle Filme, die positiv oder negativ Kinogeschichte schrieben – vom formal revolutionären „Triumph des Willens“ (1935) von Leni Riefenstahl bis zum antisemitischen Machwerk „Jud Süß“ (1940).

 

Die Deutsche Kinemathek behilft sich mit dem Hinweis auf die Dauerausstellung im Museum; dort seien weitere Ufa-Exponate zu sehen. Eine seltsame Notlösung, zumal sie bei der zweiten Station in München nicht funktionieren wird. Sehr oberflächlich fällt anschließend die Darstellung der Nachkriegsgeschichte aus. Die DEFA taucht nur als Sprungbrett von DDR-Stars auf, die in die Bundesrepublik übersiedelten und dort ihre Karriere fortsetzten. Für das TV-Universum der heutigen Ufa müssen ein paar Monitore und Merchandising-Produkte ausreichen.

 

Interaktiv + volumetrisch

 

Stattdessen stellt eine Etage tiefer das „UFA LAB“ allerlei digitale Experimente vor. Bei einem „interaktiven Krimi“ 2011 sollten ZDF-Zuschauer online den Fall selbst lösen. „360-Grad-Kameras“ bieten Rundum-Bilder etwa von einer Autofahrt. Und in einen „volumetrischen Film“ können die Betrachter mithilfe einer Virtual-Reality-Brille selbst einsteigen und sich im Bildraum frei bewegen. Ob das mehr als Spielereien sind, bleibt abzuwarten.

 

Dieser Schlussteil wirkt, als sei er von „UFA LAB“ schlüsselfertig geliefert worden. Insgesamt macht die Schau den Eindruck einer wenig inspirierten Pflichtübung. Zwar kann die Deutsche Kinemathek das runde Jubiläum des bedeutendsten deutschen Filmunternehmens nicht ignorieren, aber rote Teppiche will sie dem jetzigen TV-Ramsch-Grossisten auch nicht ausrollen. Wie der Titel besagt: Gezeigt wird die „Geschichte einer Marke“ – und die ist nur ein Handelszeichen.