Joaquin Phoenix + Rooney Mara

Maria Magdalena

Jesus (Joaquin Phoenix) tauft Maria Magdalena (Rooney Mara). Foto: Universal Pictures International Germany
(Kinostart: 15.3.) Predigen zu bereits Bekehrten: Mit seinem Biopic über die Gefährtin Jesu will Regisseur Garth Davis eine wichtige Gestalt der Heilsgeschichte rehabilitieren − doch historisch präzise Ausstattung und antiquierte Figurenzeichnung widersprechen sich.

Am 3. Juni 2016 erhob Papst Franziskus den traditionellen Gedenktag für Maria Magdalena, den 22. Juli, in den Rang eines Festes im liturgischen Kalender der katholischen Kirche. Das war eine beachtliche theologische Aufwertung der Gefährtin Jesu; sie hatte schon im 3. Jahrhundert vom Gegenpapst Hippolyt von Rom die Ehrenbezeichnung „Apostelin der Apostel“ erhalten.

 

Info

 

Maria Magdalena

 

Regie: Garth Davis,

120 Min., Großbritannien/ Australien 2018;

mit: Rooney Mara, Joaquin Phoenix, Tahar Rahim, Chiwetel Ejiofor

 

Website zum Film

 

Und zugleich eine Rehabilitation für jahrhundertelange Herabwürdigung: Papst Gregor der Große hatte sie 591 mit der anonymen Sünderin gleichgesetzt, die Jesus die Füße wusch. Diese Figur wurde später als Prostituierte gedeutet: Maria Magdalena als gefallenes Mädchen, das vom Erlöser aus Schmach und Schande errettet wird. Wie so oft drifteten Volksglaube und biblische Überlieferung weit auseinander.

 

Erste Zeugin der Auferstehung

 

In den Evangelien taucht Maria Magdalena an wenigen, aber wichtigen Stellen auf: Jesus treibt ihr Dämonen aus, daraufhin schließt sie sich seinem Gefolge an und zieht mit ihm nach Jerusalem. Bei der Kreuzigung und Grablegung ist sie anwesend. Am Ostermorgen entdeckt Maria das leere Grab und berichtet den Jüngern davon; dann begegnet sie als erste Person dem Auferstandenen. Einige apokryphe − nicht als kanonisch anerkannte − Schriften wiesen ihr eine noch prominentere Rolle zu, bis hin zur Partnerin Jesu; in der christlichen Kunst hatte sie die seit jeher.

Offizieller Filmtrailer


 

Opfer von Petrus‘ Rufmord?

 

Es ist also nicht unbedingt nur ein Zugeständnis an den feministischen Zeitgeist, wenn die Kurie den Rang von Maria Magdalena in der Heilsgeschichte erhöht. Plausibler erscheint die Annahme, damit den Rufmord ihrer Mitstreiter wieder gut zu machen: Manche Kirchenhistoriker argumentieren, unter den Aposteln hätten Machos wie Petrus die Stellung von Maria Magdalena absichtlich heruntergespielt und geleugnet − ein schwaches Weib durfte keine große Bedeutung haben. Obwohl das universelle Erlösungsversprechen des Christentums schon in der Antike für unterdrückte Frauen besonders attraktiv war.

 

Alles gute Gründe, um ihre Vita zeitgemäß zu verfilmen; das letzte ihr gewidmete Biopic war ein italienisches B-Movie aus dem Jahr 2000. In viel beachteten Großproduktionen wie „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) von Martin Scorsese und „Die Passion Christi“ (2004) von Mel Gibson stand Maria Magdalena eher am Rande. Nun rückt sie der australische Regisseur Garth Davis konsequent ins Zentrum des Geschehens − und macht daraus recht wenig.

 

Verbindungsfrau Jesu zu Frauen

 

Mit seinem Spielfilmdebüt „Lion – Der lange Weg nach Hause“ gelang Davis 2016 ein Überraschungs-Hit: Die originell sentimentale Geschichte eines in Australien aufgewachsenen Adoptivkindes, das mittels Google Earth sein indisches Heimatdorf ausfindig macht, wurde ein Kassenschlager und für sechs Oscars nominiert. Diesen Erfolg wird Davis mit „Maria Magdalena“ kaum wiederholen können: Seiner Bibel-Version mangelt es nicht an Gefühl, aber an Originalität.

 

Die junge Maria (Rooney Mara) lebt im Fischerdorf Magdala am See Genezareth und leidet unter patriarchaler Haustyrannei: Da sie den für sie ausgewählten Mann nicht heiraten will, wird sie brutalem Exorzismus unterworfen. Als sie den Wanderprediger Jesus von Nazareth (Joaquin Phoenix) hört, ist sie von ihm gebannt. Sie verlässt ihr Heim und folgt ihm fortan mit Hingabe − obwohl sie allerlei Nickeligkeiten seiner männlichen Jünger ertragen muss. Doch Jesus schätzt sie sehr, weil er mit ihr Gehör und Gemüter von Frauen erreicht.

 

Bitterarme Religions-Hysteriker

 

Der Weg bis zum Einzug nach Jerusalem gerät reichlich lang. Dort geht dann alles ziemlich rasch: Nur die Vertreibung der Händler aus dem Tempel inszeniert Regisseur Davis als Massenszene; dagegen Kreuzweg, Hinrichtung und Auferstehung Jesu fast als Kammerspiel. Das lässt ihm Zeit und Raum, das Wort Gottes in epischer Breite darzustellen − und diese Passagen fallen sehr ambivalent aus.

 

Einerseits hat wohl noch kein Bibelfilm die Lebensumstände im heiligen Land vor 2000 Jahren so naturalistisch auf die Leinwand gebracht. Die Juden sind bitterarme Leute, die in grobes Leinen gehüllt in leeren Lehmhütten hausen. Ihr tristes, monotones Dasein wird durch religiöse Hysterie bestimmt: Bei jeder Meinungsverschiedenheit berufen sich alle lauthals auf „Gottes Willen“ − weil es keine andere Ordnungsinstanz gibt. Außer den Römern als rücksichtslosen Kolonialherren.

 

Joaquin Phoenix als perfekter Jesus

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ben Hur" - gelungenes Remake des Historienfilm-Klassikers von Timur Bekmambetov

 

und hier eine Besprechung des Films "Exodus – Götter und Könige (3D)" – Bibel-Epos über Moses von Ridley Scott

 

und hier einen Bericht über den Film "Noah – Das Ende ist erst der Anfang"Bibel-Epos über die Sintflut von Darren Aronofsky

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Master" – ambivalentes Psychodrama über die Scientology-Sekte von Paul Thomas Anderson mit Joaquin Phoenix.

 

Dass die empfindsame Maria vor solchen Verhältnissen in die Wander-Kommune eines Charismatikers flieht, versteht man sofort. Zumal Joaquin Phoenix − anders als die rehäugige Rooney Mara − seine Rolle als Christus perfekt ausfüllt: Sein Blick ist durchdringend und zugleich verhangen, als spähe er stets ins Himmelreich. Seine Rede klingt so gefasst wie gebieterisch; er bewegt sich gemessen und zugleich unbeirrbar. Keine Frage: Dieser begnadete Menschenfischer musste absolut ergebene Anhänger gewinnen.

 

Doch er war nicht der Einzige. Im Nahen Osten traten seinerzeit viele selbst ernannte Messiase auf, die sich als Vollstrecker eines Heilsplans ausgaben. Das deutet Regisseur Davis nur in der Figur von Judas (Tahar Rahim) an, der die Errichtung des Königreichs Gottes kaum abwarten kann − weswegen er Jesus verrät. Ansonsten bleibt der antike Denkhorizont ausgespart.

 

Romantisch verklärtes Christus-Bild

 

Stattdessen verkündet der Erlöser seine frohe Botschaft wortreich in gestanzten Sentenzen, die wohl nach Bibelzitaten klingen sollen − und seine Jünger huldigen ihm unentwegt: Ihre Dauer-Ergriffenheit ermüdet sehr. Dass sie damals noch keine angebeteten Apostel waren, sondern Menschen mit durchaus weltlichen Regungen, kommt kaum vor − was den Film völlig ahistorisch werden lässt. Sein Christus-Bild ist das romantisch verklärte des 19. Jahrhunderts: Seelengröße und Selbstaufopferung über alles.

 

Damit wird „Maria Magdalena“ zum widersprüchlichen Hybrid: mit seiner weiblichen Hauptfigur und dem detailgetreu rekonstruierten setting ganz gegenwärtig, mit seiner Nächstenliebe-Nabelschau im weihevollen Bittgebete-Tonfall seltsam antiquiert. Regisseur Garth Davis will eine Heiligenlegende radikal modernisieren − doch ihm gelingt nur eine Predigt für bereits Bekehrte.