Marie Bäumer + Charly Hübner

3 Tage in Quiberon

Enge Freunde: Dem Fotografen Robert Lebeck (Charly Hübner) gelingen berührende Aufnahmen von Romy Schneider (Marie Bäumer). Foto: © 2018 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 12.4.) Auszeit am Atlantik: Ein Jahr vor ihrem Tod kurte Romy Schneider in der Bretagne – und gab dem "Stern" ihr letztes großes Interview. Das Porträt der Schauspiel-Ikone von Regisseurin Emily Atef verheddert sich in Personenkult und Palaver.

1981 hält sich Romy Schneider (Marie Bäumer) zur Entwöhnungskur in einem mondänen bretonischen Kurhotel auf. Sie soll vor allem von Alkohol- und Medikamenten-Missbrauch wegkommen. Doch die Schauspielerin hat ihre Schlaftabletten im Gepäck, und Wein ist im Städtchen Quiberon zu haben. Als ihre beste Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) zu einem Besuch eintrifft, findet sie Romy im Tiefschlaf vor. Dabei steht weiterer Besuch an: Ein Journalist und ein Fotograf vom „Stern“-Magazin warten schon in der Lobby. Romy hat ein Interview zugesagt. Hilde ist entsetzt: Es ist doch gerade die Presse, die ihrer prominenten Freundin seelisch so sehr zusetzt.

 

Info

 

3 Tage in Quiberon

 

Regie: Emily Atef;

115 Min., Deutschland 2018;

mit: Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek

 

Website zum Film

 

Tatsächlich war Romy Schneiders Karriere so etwas wie ein bundesdeutsches Trauma. Dass die Schauspielerin sich vom Einfluss ihrer Mutter und dem ungeliebten Image ihrer „Sissi“-Filme freigeschwommen und anspruchsvollere Rollen in Frankreich gefunden hatte, beleidigte die Nation im Herzen. Gnadenlos forschten Magazine wie „Quick“, „Stern“ und „Der Spiegel“ nach schwachen Stellen in Romy Schneiders Privatleben und mussten dafür nie lange suchen. Der Teufelskreis aus Dauerkrisen, Indiskretion, Eifersucht und Eskalation setzt sich auch in Quiberon ungebrochen fort.

 

Die Nerven liegen blank

 

Schon am ersten Abend landet das Quartett in der Kneipe und feiert mit lokalen Romy-Schneider-Fans. Der Wein fließt, der französische Schauspieler Denis Lavant hat einen Gastauftritt, und man erfährt mehr über die Herren vom „Stern“: Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner) kennt und mag die Schneider von früher; Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) gefällt sich als provokantes Arschloch. Das Interview findet in der Katerstimmung des nächsten Tages statt und wird, befeuert von noch mehr im Wein, zur irritierenden Selbstentblößung der Schauspielerin. Ihre Nerven liegen blank, weil sie vergeblich versucht, aus der Ferne mit ihrem 14-jährigen Sohn David zu kommunizieren. Von Erholung am Meer keine Spur.

Offizieller Filmtrailer


 

Keine Kontroverse

 

Nach dem Interview plätschert der Schwarzweiß-Film recht orientierungslos seinem Ende entgegen. Hilde will abreisen, tut es aber nicht. Stattdessen diniert sie gegen ihren erklärten Willen mit Michael Jürgs. Fotograf Lebeck verbringt die Nacht mit seiner alten Bekannten und macht in den Dünen Fotos, die später berühmt werden sollten. Romy Schneider verknackst sich den Fuß. Alle reisen ab, doch wegen des Unfalls wird ein Filmdreh verschoben. So hat Romy noch ein paar Tage Erholung rausgeboxt. Beim Abspann steht die Frage bleischwer im Raum: Was zur Hölle sollte das eben?

 

Die Quellen für dieses unentschlossene Künstlerporträt von Regisseurin Emily Atef sind Lebecks Fotografien und das flankierende Interview mit Jürgs; es aber wurde von Romy Schneider autorisiert. Eine wirkliche Kontroverse findet also nicht statt. Die Figuren im Film verharren in einem Zustand von Übergriffigkeit und Komplizenschaft; sie gehen dem Betrachter schon nach kurzer Zeit auf die Nerven.

 

Alles dreht sich nur um Romy

 

Hintergrund

 

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Marie Bäumer hatte bisher alle Angebote abgelehnt, die ihr so ähnlich sehende Schauspiel-Ikone darzustellen. Nun personifiziert sie eine zutiefst verunsicherte Borderlinerin, die nie genug Aufmerksamkeit bekommen kann – und sich am nächsten Tag beklagt, dass sie nie ihre Ruhe hat. Derweil geht Regisseurin Atef nachträglich dem Romy-Kult voll auf den Leim. In ihrem Film geht es ausschließlich um Romy: Romys Gesundheit, Romys Rollen, Romys schlechte Gewohnheiten, Romys Ex-Männer, Romys Mutter und Romys Sohn.

 

Ihre zu dramaturgischen Zwecken erfundene Freundin Hilde hat keinen eigenen Willen; sie ist allein Romy zu Diensten, aber darin nicht besonders erfolgreich. Die Männer sind noch schlimmer. Lebeck wackelt Schneider in masochistischer Zuneigung hinterher. Sein Lächeln soll Wärme signalisieren, wirkt aber nach einer Weile angestrengt. Von einer Entwicklung des eher sadistischen Jürgs kann gar keine Rede sein; sie darzustellen wurde dem Schauspieler Robert Gwisdek offenbar nicht aufgebürdet.

 

Verheddert im Personenkult

 

„3 Tage in Quiberon“ verheddert sich in Personenkult, hübscher Ausstattung und redundantem Gerede. Vor allem gibt der Film den Zuschauern kaum etwas, für das es sich zu interessieren lohnt. Am Ende bleibt das unbefriedigende Gefühl, dass Lebeck und Jürgs damals mit ihrem „Stern“-Interview samt Fotostrecke schon alles gesagt haben.