Frankfurt am Main

Kubricks 2001 – 50 Jahre „A Space Odyssey“

Oktogonaler Korridor: Szenenbild aus "2001: A SPACE ODYSSEY"; © Warner Bros. Entertainment Inc.. Fotoquelle: Filmmuseum Frankfurt
Der ultimative Trip: Regisseur Stanley Kubrick revolutionierte 1968 den Science-Fiction-Film. Wie visionär sein Meisterwerk ein halbes Jahrhundert später im Sprachassistenten-Zeitalter noch wirkt, führt das Deutsche Filmmuseum in einer Jubiläumsschau glänzend vor.

Früher war mehr Zukunft: Als „2001: Odyssee im Weltraum“ 1968 ins Kino kam, näherte sich das Interesse der Menschheit am All seinem Zenith; den erreichte es im Juli 1969 mit der ersten Mondlandung. In Ost und West war Technik-Begeisterung ähnlich stark verbreitet und literarische Science-Fiction ein sehr populäres Genre. Seriöse Wissenschaftler spekulierten ebenso über die mögliche Auswanderung ins Weltall wie der LSD-Prophet Timothy Leary.

 

Info

 

Kubricks 2001 - 50 Jahre "A Space Odyssey"

 

21.03.2018 - 23.09.2018

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

mittwochs bis 20 Uhr

im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt am Main

 

Website zur Ausstellung

 

Ein halbes Jahrhundert später sieht das anders aus: Die Utopie ist, wie bei 50-Jährigen üblich, ziemlich ergraut. Anstelle unendlicher Weiten voller verheißungsvoller Chancen sehen die Leute, sobald sie zu den Sternen aufblicken, eher kosmische Einsamkeit: Ihre kleine, blaue Murmel rast durch eine eiskalte, unwirtliche Leere. Urknall- und String-Theorien oder gar die Suche nach außerirdischem Leben beschäftigen allenfalls Spezialisten; auch UFOs werden kaum noch gesichtet. Die Menschheit ist mit selbst verschuldeten Krisen auf ihrem Heimatplaneten total ausgelastet.

 

„Bester Science-Fiction aller Zeiten“

 

Da lohnt ein Blick zurück: auf denjenigen Film, der ihr ambivalentes Verhältnis zum Weltraum in zeitlos überwältigende Bilder gefasst hat. Zugleich verwob „2001“ die ersten und letzten Fragen des Homo Sapiens ans Universum zu einer Fabel, die so geradlinig abläuft und dabei vieldeutig schillert wie alle großen Menschheits-Epen – etwa Homers Odyssee. Deshalb kürte das „American Film Institute“ 2008 das Meisterwerk von Stanley Kubrick (1928-1999) zum „besten Science-Fiction-Film aller Zeiten“.

Impressionen der Ausstellung


 

Rundgang nicht ganz von dieser Welt

 

Wie berechtigt diese Auszeichnung ist, führt das Deutsche Filmmuseum in seiner Jubiläums-Schau eindrucksvoll vor. Ausstellungen über Filme sind schwierig, fast unmöglich: Starre Exponate und Vitrinen voller Flachware können kaum die synästhetische Faszination des Kinos vermitteln. Doch dieser Würdigung gelingt es, mit einer ausgetüftelten Inszenierung annähernd die einzigartige Atmosphäre von „2001“ heraufzubeschwören. Indem der Saal in zwei halbrunde Zonen unterteilt wird: in den „Inner Space“, der in Rot und Weiß gehalten ist, und den nachtblauen „Outer Space“ – für einen Rundgang nicht ganz von dieser Welt.

 

Kubricks konzipierte seine Weltraum-Oper als Panoptikum der Gegensätze: Urzeit-Affen, die Knochen als Waffe benutzen lernen, gegen Reisen ins All um die Jahrtausendwende. Erratisch makellose Monolithen als Indizien höherer Intelligenz gegen irdische Technik mit Fehlern und Schwächen. Unterkühlt perfekte Aufnahmen von Raketen und Planeten gegen Pathos und Schmelz der Melodien von Richard und Johann Strauss. Und das Duell zwischen Astronaut Dave Bowman und dem Supercomputer HAL 9000: Es ist vor allem dieser Kampf Mensch gegen Maschine, der „2001“ so visionär macht – längst hat er auf die Wirklichkeit übergegriffen.

 

Raumschiff-Zentrifuge als Hamsterrad

 

Wobei in der kollektiven Erinnerung eher der unnachahmliche Look des Films haften blieb: ausgefeiltes Design, elegante Kostüme und bis dato nie gesehene Effekte. Sie werden in der Schau anschaulich erklärt. Als kreisrundes Raumschiff „Discovery“ ließ Kubrick ein zwölf Meter hohes Riesenrad bauen; in dem 30 Tonnen schweren Koloss waren überall Kameras angebracht. Durch langsame Rotation dieser „Zentrifuge“ entstand Schwerkraft – wenn Astronaut Frank Poole darin joggte, lief er auf der Stelle wie in einem Hamsterrad.

 

Für die Gestaltung der Weltall-Ansichten und anderen fünf Raumtransporter beschäftigte der Regisseur Experten, die zuvor für die NASA gearbeitet hatten. Die Elektronik stammte von IBM und Honeywell; die Insassen fotografierten mit Nikon-Kameras, kommunizierten mit Bell-Bildtelefonen, lasen die „New York Times“ als E-Paper und schrieben mit Parker-Stiften. Solche Utensilien wurden von namhaften Herstellern entwickelt; durch ihr product placement wirkte die Ausstattung unheimlich vertraut und gleichzeitig zukunftsweisend.

 

Irrwitzig psychedelischer Farbenrausch

 

Wie revolutionär das war, wird im Vergleich deutlich: Zuvor sahen die meisten SciFi-Filme wie Guckkasten-Theater mit Märchen-Kulissen aus. Mehr als die Hälfte des für damalige Verhältnisse horrenden Budgets von über zehn Millionen US-Dollar gab Kubrick für Spezial- und Trickeffekte aus, die rund 200 Einstellungen und damit den halben Film prägen – eine völlige Neuheit.

 

Hintergrund

 

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Die wohl spektakulärste Szene war der „Star Gate“-Flug von Astronaut Bowman: Bunte Schlieren rasen beidseitig am Betrachter vorbei. Sie wurde im so genannten Slitscan-Verfahren aufgenommen: Die Kamera fuhr langsam auf einen Schlitz zu, hinter dem sich farbige Streifen bewegen. Gegen diesen irrwitzig psychedelischen Farbenrausch schien Bowmans Quasi-Wiedergeburt als „Sternenkind“ geradezu beruhigend konventionell. Wovon man sich in der Ausstellung überzeugen kann: Dort schwebt die echte Kinder-Puppe.

 

Subjektive Intensiv-Erfahrung wie Musik

 

Als eines von nicht übermäßig vielen Original-Requisiten: Die meisten ließ der control freak Kubrick nach den Dreharbeiten zerstören, um unautorisierte Fortsetzungs-Filme zu verhindern. Doch das tut der Schau eher gut. Anstelle einer Memorabilia-Materialschlacht konzentriert sie sich auf den „2001“-Ideenkosmos – und zeigt dafür auch, was nicht im Film verwendet wurde. Etwa Skizzen von Außerirdischen „in einer Form, die an nichts erinnert; in einer Farbe, die nicht existiert“ – das wünschte sich Kubrick, bis er von seinem unmöglichen Ansinnen abließ.

 

Gerade dieser Verzicht machte seinen Film formvollendet: Im Kontrast zwischen einem bis zum Äußersten vorangetriebenen Naturalismus der Darstellung und einem nebulösen Erkenntnissuche-Plot, die der Regisseur und sein Drehbuch-Koautor Arthur C. Clarke als vage Allegorie auflösten.

 

„Ich wollte mit dem Film eine intensiv subjektive Erfahrung schaffen, die den Zuschauer auf einer inneren Bewusstseinsebene erreicht, genauso wie Musik; eine Symphonie von Beethoven zu ‚erklären‘, würde sie entzaubern“, sagte Kubrick im Interview. Dazu kreierte er visuelle Sphären-Musik – als „ultimativen Trip“ bewarb der Verleih MGM seinen Kassenschlager. Wie bewusstseinserweiternd er immer noch wirkt, führt das Filmmuseum glänzend vor.