Sie berichte schon so lange aus Afghanistan, sagt die französische Regisseurin Sonia Kronlund, die vor allem mit Radioreportagen bekannt wurde: Immer gehe es nur um Schreckliches. Daher wolle sie in ihrem Dokumentarfilm „Meister der Träume“ auch einmal etwas Positives zeigen. Die gute Nachricht heißt Salim Shaheen: Der stämmige Mann in den Fünfzigern ist ein optimistischer Gute-Laune-Bär ohnegleichen – und der produktivste Filmemacher seines Landes.
Info
Meister der Träume - Nothingwood
Regie: Sonia Kronlund,
85 Min., Frankreich/ Deutschland 2017;
mit: Qurban Ali, Salim Shaheen
Der Chef ist fast Analphabet
Denn meist ist Shaheen auch der Star seiner Filme. Ob als Superheld, Kriegskommandant oder im Bollywood-Stil singender und tanzender Liebhaber – er verwirklicht konsequent seine Träume. Den Wunsch, Regisseur zu werden, hatte Shaheen schon als Kind, als er sich immer wieder ins Kino schlich, um indische Filme zu sehen, die er so liebte. Schließlich setzte er seine Berufswahl gegen den Widerstand seiner Familie durch. Lesen und Schreiben könne der Chef allerdings nur ein bisschen, gibt Shaheens Assistent zu verstehen.
Offizieller Filmtrailer
MGs von Wachleuten als Requisiten
Über sein Heimatland sagt Shaheen: „Hier gibt es nichts. Kein Geld, kein Equipment – hier ist Nothingwood.“ So ist auch Kronlunds reportageartiger Dokumentarfilm im Original betitelt. Doch Shaheen weiß sich zu helfen. Einmal lässt er einen Wasserfall filmen: „Den kann ich in all meinen Filmen gebrauchen.“ Oder er bittet Kronlunds Kameramann Alexander Nanau, der die bessere Ausrüstung besitzt, eine Einstellung zu drehen und sie ihm später zu überlassen. Den allgegenwärtigen Sicherheitsleuten, die Shaheen und Kronlund bei ihren Dreharbeiten begleiten, schwatzt er die Kalaschnikows ab, um sie als Requisiten zu verwenden.
Für Kronlund ist dieser No-Budget-Regisseur ein quicklebendiges Beispiel für den Widerstand gegen die reaktionär-religiösen Kräfte in seinem Heimatland. Die Französin begleitet Shaheen und sein Team bei Dreharbeiten, lässt sich aus ihrem Leben erzählen und vermittelt auf diese Weise einiges über die afghanische Gesellschaft.
Taliban-Mann ist Shaheens Fan
Hintergrund
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In Afghanistan ist Salim Shaheen ein Held; die Leute lieben seine Filme. Kronlund gelingt es sogar, ein Taliban-Mitglied vor die Kamera zu bekommen, der sich als Shaheens Fan outet und davon berichtet, dass es einen florierenden Schwarzmarkt für seine Filme gibt. Doch mit den Taliban hat der Regisseur nichts am Hut: „Diese Leute sind gegen alles“, bemerkt er, während er vor den Überresten der berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan steht, die im Jahr 2001 von Islamisten gesprengt wurden.
Frauen dürfen nicht vor die Kamera
Doch Shaheen ist auch von der Gesellschaft geprägt, in der er aufgewachsen ist: Er hat zwei Frauen, acht Söhne und sechs Töchter, und die weiblichen Mitglieder seiner Familie möchte er in Kronlunds Film nicht vorzeigen. Die Regisseurin faszinieren solche Widersprüche. Das zeigt sich noch deutlicher beim Schauspieler Qurban Ali, der regelmäßig in Shaheens Filmen mitwirkt.
Qurban Ali ist ebenso verheiratet und hat Kinder, doch er ist ganz offensichtlich auch homosexuell. In einem Land, in dem es für Frauen noch immer anrüchig ist, in Kinofilmen mitzuwirken, lebt er seine feminine Seite vor aller Augen offen aus, indem er in Shaheens Filmen stets die Frauenrollen übernimmt. Vielleicht ist das nur ein weiterer ungelöster Widerspruch in einer Gesellschaft, die nicht weiß wohin – doch subversiv ist es eindeutig auch.