Mia Spengler

Back for Good

Angie (Kim Riedle) in ihrem Element. Foto: © 2018 Falko Lachmund. Fotoquelle: NFP marketing & distribution*
(Kinostart: 31.5.) Statt "Dschungelcamp" zurück in die Provinz: Daheim trifft TV-Sternchen Angie auf eine kontrollwütige Mutter und uncoole Schwester. Ihr fulminantes Kinodebüt verdichtet Regisseurin Mia Spengler zur bittersüßen Ode ans Scheitern und Weitermachen.

Angie (Kim Riedle) hat gerade einen Kokain-Entzug hinter sich gebracht – und möchte jetzt direkt ins TV-„Dschungelcamp“ einziehen. Das hat ihr vormaliger Freund und Manager ihr versprochen. Doch bereits ihre ersten Telefonanrufe machen deutlich: Keiner wartet auf sie. Also bleibt ihr nichts weiter übrig, als auf ein Wunder zu hoffen und sich von ihrer wenig begeisterten Mutter Monika (Juliane Köhler) abholen zu lassen.

 

Info

 

Back for Good

 

Regie: Mia Spengler,

91 Min., Deutschland 2018;

mit: Kim Riedle, Leonie Wesselow, Juliane Köhler

 

Website zum Film

 

Im trostlosen Heimatkaff warten immer noch genau jene Enge und Kleingeistigkeit, der Angie mit ihrer Flucht in den vermeintlichen Glamour einer Reality-TV-Karriere hatte entkommen wollen. Dort wohnt aber auch ihre 14-jährige Schwester Kiki (Leonie Wesselow); sie leidet an Epilepsie und durchlebt deshalb eine doppelt schwierige Pubertät.

 

Ein Helm für alle Fälle

 

Als wäre das Leben mit Pickeln und altersgemäßer Verunsicherung nicht schon Strafe genug, muss Kiki gegen eventuell Epilepsie-bedingte Unfälle auch noch einen lächerlichen Schutzhelm tragen. Der wirkt auf Gleichaltrige genauso uncool wie ihre von Mama bis ins Letzte geregelte Tages- und Freizeitplanung.

Offizieller Filmtrailer


 

Ratgeberin aus dem Reality-TV

 

Selbst Kikis Hoffnung, mit einem eigenen YouTube-Kanal Anschluss an die lässige „Social Media Community“ ihrer Schule zu finden, endet lediglich im Cybermobbing. Da scheint ihre immerhin halbwegs berühmte Schwester aus der großen Welt des Unterschichten-Fernsehens genau die richtige Ratgeberin zu sein. Angie berührt das mehr, als sie zunächst wahrhaben will.

 

Während der rigorosen Mutter Monika langsam die Zügel entgleiten, versucht Angie, das Leben für sich und Kiki bunter zu gestalten. Bald schon droht die gesamte Konstellation gegen die Wand zu fahren – dank einer Reihe von raffinierten Wendungen des Drehbuchs kommt jedoch alles etwas anders als erwartet.

 

Tiefpunkt einer C-Promi-Karriere

 

In ihrem fulminanten Debüt wartet Regisseurin Spengler mit einer rasant inszenierten Tour de Force samt liebevoll gezeichneter Details auf: wenn Angie etwa mit einem Baumarkt-Playback-Sänger nachts im Müllcontainer streitet. Oder auf einer C-Promi-Party ihren absoluten Tiefpunkt erlebt: Anstelle ihre Karriere wiederzubeleben, endet sie nackt und zugedröhnt in der Badewanne – für einen Porno-Dreh.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Axololotl Overkill" – Verfilmung des Skandal-Bestsellers von Helene Hegemann über ihre wohlstandverwahrloste Jugend durch die Autorin selbst 

 

und hier einen Bericht über den Film "Scherbenpark"Prekariats-Girlie-Porträt von Bettina Blümner mit einer wunderbar rotzigen Jasna Fritzi Bauer

 

und hier einen Beitrag über den Film "Als wir träumten" – mitreißendes Drama von Andreas Dresen über eine Leipziger Jugendclique in der Wendezeit nach einem Roman von Clemens Meyer.

 

Das nuancierte Spiel von Kim Riedle trägt dabei den Film: Ihr nimmt man jederzeit ihren Exhibitionismus als notwendiges Mittel zum Erreichen ihrer Träume ab, während sie sekundenschnell glaubhaft von einer Gefühlsnuance zur nächsten umschaltet. Denn trotz aller Exzesse nimmt der Film seine Protagonisten stets ernst und bringt ihnen viel Sympathie entgegen.

 

Facetten der Selbstinszenierung

 

Das gilt auch für Übermutter Monika, die Juliane Köhler facettenreich verkörpert. Ob sie nun versucht, das Familienleben oder eine Squaredance-Gruppe in der Nachbarschaft zu organisieren – immer wieder muss sie erkennen, dass sich die gewünschte Harmonie nicht einfach verordnen lässt.

 

Genau wie Kikis YouTube-Filmchen oder Angies bizarre Fernsehkarriere ist auch Monikas Kontrollwahn vor allem eine Form der Selbstinszenierung, für die sie auf Bestätigung hofft. Doch alle drei Frauen ernten statt Zuneigung und Applaus meist nur Häme und Verachtung. Aber die gemeinsam ertragenen Prügel sorgen für eine Familienbande, die ihnen letztlich hilft, auch schlimmste Krisen zu überstehen.

 

Ode ans Scheitern + Weitermachen

 

In „Back for Good“ prallen Provinzalltag, jugendliche Verunsicherung und adoleszente Ausbruchsfantasien aufeinander – ihr Familiendrama um drei Frauen aus drei Generationen verwandelt Spengler in eine bittersüße Ode an das Scheitern. Aber auch an Solidarität und das Weitermachen nach dem Zusammenbruch.