„Filme für Bücherfreunde“ bilden innerhalb der Gattung Literaturverfilmung eine eigene Unterart. Man denke nur an Jean-Jacques Annauds Klassiker „Der Name der Rose“ (1986) nach Umberto Eco, oder an Bille Augusts Version von Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“ (2013). Das mutet seltsam an, weil der Akt des Lesens für ein Medium bewegter Bilder an sich wenig visuelle Reize bietet. „Der Buchladen der Florence Green“ nach einem Roman der hierzulande kaum bekannten britischen Schriftstellerin Penelope Fitzgerald (1916−2000) fügt dem Subgenre nun eine weitere Facette hinzu.
Info
Der Buchladen der Florence Green
Regie: Isabel Coixet,
110 Min., Großbritannien/ Spanien 2017;
mit: Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson
Anfängliche Skepsis im Dorf
Frohen Mutes bezieht die literaturbegeisterte Witwe das pittoreske „Old House“, und bald schon liegen die ersten liebevoll arrangierten Bücher im Schaufenster. Nach anfänglicher Skepsis nimmt die Dorfbevölkerung den Laden gut an. Sind hier doch sogar Vladimir Nabokovs „Lolita“ und Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ im Angebot – damals Skandal-Werke, die großes Aufsehen erregten. Dass der zurückgezogen lebende Literaturkenner Edmund Brundish (Bill Nighy) die Buchhändlerin alsbald zum Tee auf sein Anwesen bittet, sorgt ebenfalls für viel Gesprächsstoff im Ort.
Offizieller Filmtrailer
Selbst Bosheiten klingen kultiviert
Lady Garmat hingegen ist diese Unruhe ein Dorn im Auge. Sie hat eigene Pläne für das „Old House“ und ist es nicht gewohnt, dass sich jemand ihrem Willen widersetzt. Also setzt sie den schleimigen Möchtegern-Literaten Milo North (James Lance) auf den Buchladen an, um dessen Erfolg geschickt zu sabotieren.
Aufgrund der geschliffenen Ausdrucksweise der Protagonisten lohnt es sich, den Film im Original anzusehen: Da klingen selbst die Bosheiten von Lady Garmat und Milo North noch kultiviert und distinguiert. Gleichzeitig schafft die förmliche Sprache zwischen den Menschen stets eine gewisse Distanz, selbst wenn sie sich bis auf eine Handbreit nahe kommen – was ohnehin selten der Fall ist. Diese Distanz zwischen den Figuren überträgt sich jedoch in gewisser Weise auch auf das Publikum.
Die Qualität einer nostalgischen Welt
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Learning to Drive – Fahrstunden fürs Leben" – Multikulti-Sittenkomödie von Isabel Coixet mit Patricia Clarkson
und hier eine Besprechung des Films "Words & Pictures – In der Liebe und in der Kunst ist alles erlaubt" – Literatur-Screwball-Komödie von Fred Schepisi mit Juliette Binoche + Clive Owen
und hier einen Bericht über den Film "Der Dieb der Worte" – Hochstapler-Thriller im Literaturbetrieb von Brian Klugman + Lee Sternthal
und hier einen Beitrag über den Film "Nachtzug nach Lissabon" über eine Autorensuche-Irrfahrt von Bille August mit Jeremy Irons nach dem Bestseller von Pascal Mercier.
Beständig rauschen die Bäume an Englands wilder Küste romantisch im Wind. Das Tempo ist gemächlich, und die Leute haben offenbar viel Zeit, um in Ruhe dicke Bücher zu lesen. Dazu passt eine altmodische Erzählerstimme genauso gut wie der melancholische Sonntagnachmittags-Jazz, der die Hochglanzbilder untermalt.
Sehnsucht nach Entschleunigung
Damit bedient der Film eine tiefe Sehnsucht bei zeitgenössischen Großstädtern, die es nach Ursprünglichkeit und Entschleunigung verlangt. Coixet, die 2003 mit dem Drama „Mein Leben ohne mich“ international bekannt wurde, beherrscht die Klaviatur des Arthouse-Kinos perfekt, ohne dabei in Wohlfühlkitsch abzugleiten.
Hat man sich eben noch gemütlich in der Geschichte eingerichtet und meint zu wissen, wie es weitergeht, schlägt die Erzählung plötzlich für den Zuschauer unerwartete Haken. Man versinkt in „Der Buchladen der Florence Green“ wie in einem guten Schmöker – und taucht nach knapp zwei Stunden gepflegt unterhalten wieder auf.