Ein gewichtiges Thema, ein Oscar-prämierter Regisseur, mit Helena Bonham Carter und Hilary Swank zwei sehr profilierte Schauspielerinnen: Eigentlich könnte man von dem Gerichts- und Freundschaftsdrama des dänischen Filmemachers Bille August („Das Geisterhaus“, 1993) einen todsicheren Hit erwarten. Dass aus dem Kampf zweier höchst unterschiedlicher Frauen für die Rechte von Psychiatriepatienten trotzdem kein großes Kino wird, liegt vor allem am wenig inspirierten und ausgesprochen vorhersehbaren Drehbuch.
Info
Eleanor & Colette
Regie: Bille August,
115 Min., Belgien/ Deutschland 2017;
mit: Helena Bonham Carter, Hilary Swank, Johan Heldenbergh
Klage gegen Zwangsmedikamentierung
Als ehemalige Krankenschwester ist die Anwältin Colette Hughes (Hilary Swank) leidenschaftlich daran interessiert, mit dem Fall Riese die Lage von rund 150.000 Insassen in US-Psychiatrien zu verbessern. Durch eine Klage mit dem Ziel, Zwangsmedikamentierung verbieten zu lassen, will sie ihnen das Recht auf körperliche Unversehrtheit zurückgeben.
Offizieller Filmtrailer
Recht auf Mitbestimmung
Tatsächlich hat der geschilderte Fall in den USA Rechtsgeschichte geschrieben. Gemeinsam mit Hughes‘ Mentor, dem Verfassungsrechtler Morton Cohen, setzten sich die beiden Frauen gegen eine übermächtig erscheinende Lobby aus Ärzten und Pharmaherstellern durch. 1987 urteilte der Oberste Gerichtshof von Kalifornien, dass auch zwangseingelieferte Patienten über die Anwendung von Antipsychotika informiert werden müssen und ein Recht auf Mitbestimmung haben.
Als die Protagonistinnen das erste Mal aufeinander treffen, baut der Film seinen zweiten Erzählstrang auf: Eine tiefe Freundschaft zwischen Anwältin und Patientin entsteht. Insbesondere die Sprunghaftigkeit der fordernden Eleonor, die Helena Bonham Carter bis zum Äußersten ausreizt, macht es der sehr strukturiert und entschlossenen agierenden Colette schwer, strikt nach Plan vorzugehen. Immer wieder konfrontiert Eleanor sie mit ihrer eigenen uneingestandenen Überheblichkeit und führt sie in vieler Hinsicht an Grenzen.
Starr chronologisches Erzählen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Nachtzug nach Lissabon" – Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers durch den Oscar-Preisträger Bille August
und hier einen Bericht über den Film "Die Überglücklichen" – originelles Porträt einer Frauenfreundschaft in der Psychiatrie von Paolo Virzì
und hier einen Beitrag über den Film „Side Effects“ – spannender Psychiatrie-Thriller mit Jude Law von Steven Soderbergh.
Doch durch die starr chronologische Erzählweise wirkt bald schon jedes neue Detail nur als ein weiterer Schritt auf dem Weg zum absehbaren Ziel. Man wird den Verdacht nicht los, dass jedes Problem nur deshalb auftaucht, um umgehend wieder erledigt zu werden. Als es etwa um das Berufungsverfahren des Falls geht, finden sich zunächst keine Ärzte, die für die Seite der Kläger aussagen wollen. Zwei Telefonate später sind sie dann doch da. Und natürlich wird alles gut.
Verschenkte Talente
Andere interessante Aspekte reißt der Film hingegen nur knapp an. Über Colettes Beziehung zu ihrem ebenfalls sehr engagierten Freund würde man durchaus gern mehr erfahren, wie über das offenbar nicht ganz unkomplizierte Verhältnis zwischen der Anwältin und ihrem Mentor Morton Cohen (Jeffrey Tambor).
So kommt die deutsch-belgische Koproduktion nur selten über das Niveau eines Fernsehfilms hinaus. Dabei verschenkt sie insbesondere die Talente ihrer gut aufgelegten Hauptdarstellerinnen, die einen unkonventionelleren Ansatz verdient gehabt hätten.