Wes Anderson

Isle of Dogs – Ataris Reise

Atari (Koyu Rankin) sucht auf Trash Island seinen eigenen Hund. Foto: © 2018 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 10.5.) Auf den Hund gekommen: Wes Anderson, der fantasievollste Experimental- und Animationsfilmer der Gegenwart, schickt einen Jungen auf eine japanische Insel voller Vierbeiner. Eine hochklassige Stopptrick-Bastelarbeit mit humaner Botschaft.

„Ich weiß, wie es sich anfühlt, anders zu sein. Wir alle sind anders. Und darin liegt doch etwas Fantastisches, nicht wahr?“ Diese Worte, die Mrs. Fox in Wes Andersons Animationsfilm „Der fantastische Mr. Fox“ (2009) an ihren Sohn richtet, könnte man als Motto über jeden Film des US-Regisseurs schreiben. All seine Geschichten erzählen von Leuten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dazu zu gehören. Doch müssen sie zunächst damit ins Reine kommen, dass sie immer leicht neben der Spur liegen.

 

Info

 

Isle of Dogs - Ataris Reise

 

Regie: Wes Anderson,

101 Min., USA  2018;

mit Stimmen von: Bill Murray, Tilda Swinton, Scarlett Johansson u.v.m.

 

Website zum Film

 

Das Anderssein zieht sich in Andersons Filmen durch alle inszenatorischen Ebenen. Seine liebevoll ausgetüftelten Kulissen wirken wie größenwahnsinnige Laubsägearbeiten; die Dialoge sind betont künstlich. Und die erzählten Geschichten folgen häufig nicht einem gradlinigen Plot mit erkennbarem Spannungsbogen. Stattdessen erscheinen Andersons Filme wie ein Puzzle aus amüsanten, aber nicht unbedingt zusammenhängenden Einzelteilen.

 

Melancholie, Exzentrik + Humor

 

Das Ergebnis hat immer etwas von Bastelarbeit auf hohem Niveau, was nicht jedem gefällt. Doch viele, die einen Zugang zu Andersons Filmen mit ihrer sehr speziellen Mischung aus Melancholie, Exzentrik und trockenem Humor gefunden haben, lieben sie heiß und innig.

Offizieller Filmtrailer


 

Katzenliebhaber wollen Hunde ausrotten

 

Auch „Isle of Dogs“ ist eine Bastelarbeit par excellence: ein aufwändiger Stop-Motion-Animationsfilm mit Puppen, die für jede Aufnahme nur millimeterweise bewegt werden. Dadurch können sich die Dreharbeiten über Jahre hinziehen. Diese Art von Trickfilm betont den kunsthandwerklichen Aspekt; der Illusionscharakter wird eher zur Nebensache.

 

Die Handlung von „Isle of Dogs“ passt in einen Satz; Anderson selbst fasst sie in einem kleinen Prolog zusammen. Angelehnt an japanische Rollbilder erzählt er, wie in Japans ferner Vergangenheit ein Katzen liebender Kobayashi-Clan versuchte, alle Hunde auszurotten. Ihren mörderischen Plänen stellte sich ein Samurai-Knabe entgegen.

 

Quasi-KZ auf Mülldeponie-Insel

 

Die Fortsetzung dieser Geschichte verlegt der Regisseur sodann in eine nahe Zukunft: Ein Kobayashi regiert als Bürgermeister die Stadt Megasaki. Die dortigen Hunde leiden an Hundegrippe und Schnauzenfieber; deshalb werden sie als vermeintliche Bedrohung allesamt auf eine künstliche Insel aus Müll deportiert, die der Küste vorgelagert ist.

 

Später wird sich das als Verschwörung eines Verbrecherkartells erweisen; es will die Hunde umbringen und sie als Haustiere bei den Menschen durch Roboter-Kampfhunde ersetzen. Das tierische Quasi-KZ auf der Insel und die geplante Massenvernichtung lassen deutliche Parallelen zu faschistischer Ideologie erkennen.

 

Hundemarken definieren Gruppen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Grand Budapest Hotel" – überdrehte Komödie im Fantasie-Osteuropa mit großem Staraufgebot von Wes Anderson

 

und hier einen Bericht über den Film "Moonrise Kingdom" – zauberhaft skurriles Märchen über die erste Liebe von Wes Anderson

 

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Dagegen wehrt sich vor allem Atari, ein entfernter Neffe des Bürgermeisters. Er landet mit einem Kleinflugzeug auf der Mülldeponie-Insel. Dort beginnt er gemeinsam mit einer Gruppe von Hunden, seinen eigenen Vierbeiner Spots zu suchen. Nun entfaltet Anderson all jene Motive, die man aus seinen anderen Filmen kennt: etwa eine langwierige, von vielerlei Plänen und Karten begleitete Reise, die auf Umwegen zum Ziel führt. Oder die Wahlverwandtschaft von Individuen mit ähnlichen Interessen – das wird viel wichtiger als reale Blutsverwandtschaft.

 

Obwohl sie von Neurotikern und Egomanen bevölkert werden, feiern Andersons Filme letztlich die Gemeinschaft. Doch für seine Figuren ist Annäherung stets ein schmerzhafter Prozess: voller Konkurrenz, Eifersucht und der Erkenntnis, dass man nicht allein auf der Welt ist. Maßgeblich ist deshalb immer die Frage, wer zu einer Gruppe dazugehört und wer nicht. In „Isle of Dogs“ wird die Gruppe durch Hundemarken mit den Namen der jeweiligen Vierbeiner definiert: Ihre Träger gehören zu einem „Herrchen“ oder einer Familie.

 

Von Verweigerung zu Annäherung

 

Außerdem erzählt der Film noch eine zweite Geschichte: die der Domestizierung des Hundes Chief. Er ist der einzige Streuner der zusammengewürfelten kleinen Truppe und besitzt keine Marke. Doch auch er ist hin- und hergerissen zwischen Verweigerung und Annäherung an die Menschen. Damit drückt er den wichtigsten Aspekt des Films aus: Ein besseres Leben wird möglich, wenn man zu seinen Gefühle steht. Das bleibt Wes Andersons ewiger Wunschtraum.