Roman Polanski

Nach einer wahren Geschichte

Delphine (Emmanuelle Seigner) ist sofort fasziniert von der mysteriösen Elle (Eva Green). Foto: Studiocanal/ Carole Bethuel
(Kinostart: 17.5.) Realität oder Fantasie? In Roman Polanskis Drama vertraut sich eine ausgelaugte Schriftstellerin einer Unbekannten an, die sich in ihr Leben drängt. Doch die Geschichte um verschwimmende Grenzen der Wirklichkeit wirkt blutleer und konstruiert.

Vier Jahre nach dem Theaterkammerspiel „Venus im Pelz“ macht sich Regisseur Roman Polanski erneut daran, die psychologischen Nöte eines Menschen in einer Schaffenskrise auszuloten. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan porträtiert „Nach einer wahren Geschichte“ eine Schriftstellerin mittleren Alters mit Schreibblockade. Doch offenbar war auch der Regisseur beim Dreh nicht ganz auf der Höhe: Sein Film verspricht mehr, als er halten kann, und verheddert sich zusehends in dramaturgischen Sackgassen.

 

Info

 

Nach einer wahren Geschichte

 

Regie: Roman Polanski,

110 Min., Frankreich 2017;

mit: Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez

 

Weitere Informationen

 

Polanskis Hauptfigur Delphine (Emmanuelle Seigner) ist die Bestsellerautorin eines autobiografischen Romans: einer Abrechnung mit ihrer Familiengeschichte. Als sie eines Tages aus einer ermüdenden Signierstunde mit ihren Fans flieht, die sie belagern, begegnet ihr noch am selben Abend die faszinierende Elle (Eva Green). Die scheint sich nicht darum zu kümmern, was andere von ihr denken. Delphine und Elle (für Elisabeth, aber auch das französische Personalpronomen „Sie“) freunden sich an.

 

Ghostwriterin als Vertraute

 

Denn die von einer Schreibblockade geplagte Autorin, deren Leben nach dem Auszug der Kinder eintönig geworden ist, sehnt sich nach Ablenkung. Wie sich bald herausstellt, schreibt auch Elle – bezeichnenderweise ist sie Ghostwriterin. Schnell wird sie zur Vertrauten von Delphine, die in ihr eine verwandte einsame Seele sieht. Schließlich zieht Elle unter einem Vorwand bei ihr ein und übernimmt lästige Aufgaben, bis hin zur täglichen Email-Korrespondenz.

Offizieller Filmtrailer


 

Vielleicht nur eine Wahnvorstellung

 

Darüber hinaus überwacht sie eifersüchtig jeden Schritt von Delphine und wird ihr immer ähnlicher: Einmal vertritt sie die Autorin sogar bei einem Vortrag. Und nach einem Sturz, der Delphine mit einem Gipsbein ans Haus fesselt, wird Elle geradezu unentbehrlich. Selbstlos sind ihre Freundschaftsdienste jedoch nicht. Sie treibt Delphine an, ein ganz anderes Buch zu schreiben, als dieser eigentlich vorschwebt – und liefert dazu mit ihrer Lebensgeschichte, die äußerst romanhaft klingt, auch gleich die Inspiration.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Venus im Pelz" – meisterhafte Verfilmung des Bühnenstücks durch Roman Polanski

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die Wolken von Sils Maria" – vielschichtiges Schauspielerinnen-Drama von Olivier Assayas

 

und hier einen Bericht über den Film "Der Gott des Gemetzels" – dichte Verfilmung des Theaterstücks von Yasmina Reza durch Roman Polanski

 

und hier eine Kritik des Films "Roman Polanski: A Film Memoir" – Doku über die Biographie des polnischen Regisseurs von Laurent Bouzerau.

 

Ein Ausflug der beiden Frauen aufs Land bringt Delphine schließlich in Lebensgefahr. Diese Wendung wirft endgültig die Frage auf: Was ist Wahrheit, was Fiktion, was möglicherweise Wahnvorstellung? Polanski, der das Drehbuch gemeinsam mit Olivier Assayas („Die Wolken von Sils Maria“) schrieb, überlässt die Deutung der Figur Elle dem Zuschauer selbst. Bei dem kommen schon sehr früh Zweifel auf, ob Elle nicht lediglich eine Projektion oder ein imaginiertes Alter Ego der Schriftstellerin ist.

 

Unbefriedigende Auflösung

 

Delphine trägt farblose Pullover, Mützen und Schals; Elle ist immer perfekt angezogen und geschminkt. Elle sagt Delphine frei heraus, was diese sich vielleicht bereits selbst denkt, aber nicht auszusprechen wagt. Elle schürt Delphines Zweifel am neuen Romanstoff und setzt damit eine Lebensenergie frei, die der Schriftstellerin zuvor abhanden gekommen war: Letztlich wirkt sie als ein – wenngleich lebensgefährlicher – Katalysator für einen überfälligen Schaffensprozess.

 

Doch trotz der effektvoll eingesetzten Winkelzüge wirkt der Film konstruiert und blutleer. Das mag auch an der wie sediert agierenden Emmanuelle Seigner liegen, die hier von Eva Green glatt an die Wand gespielt wird. Überdies wird auch die Spannung in „Nach einer wahren Geschichte“ eher behauptet, als dass sie wirklich vorhanden wäre. Eigentlich hält den Zuschauer nur die Neugier bei der Stange, ob sich die Rätsel um Elle am Ende wohl klären werden. Aber selbst diese Auflösung bleibt im Film unbefriedigend: Der Kreis schließt sich, und alles scheint von vorne zu beginnen.