Dresden

Veronese: Der Cuccina-Zyklus – Das restaurierte Meisterwerk

Paolo Veronese: Die Madonna der Familie Cuccina (Detail), um 1571, Öl auf Leinwand, 167 x 416 cm, Gemäldegalerie Alte Meister. © SKD, Foto: Herbert Boswank. Fotoquelle: Gemäldegalerie, Dresden
Als Neureiche sich noch mit Alten Meistern schmückten: Eine Kaufleute-Familie in Venedig bestellte 1571 bei Veronese vier prächtige Riesenbilder. Nach ihrer Restaurierung zeigt sie die Gemäldegalerie in neuem Glanz: Selten sah Parvenü-Prunksucht so herrlich aus.

Wie drückten Emporkömmlinge in einer Zeit, als es noch keine Luxuslimousinen und Privatjachten gab, ihren Reichtum und ihren Wunsch nach gesellschaftlicher Beachtung aus? Sie beauftragten renommierte Künstler, Meisterwerke zu ihrer Verherrlichung zu schaffen. So hielten es auch die Cuccina; diese Kaufmannsfamilie stammte aus Bergamo bei Mailand.

 

Info

 

Veronese: Der Cuccina-Zyklus – Das restaurierte Meisterwerk

 

09.03.2018 - 03.06.2018

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

in der Gemäldegalerie, Theaterplatz 1, Dresden

 

Katalog 24 €

 

Weitere Informationen

 

Um 1510/5 ließen sich die Brüder Girolamo und Zuanne Cuccina in Venedig nieder; dort stiegen sie in den florierenden Handel mit Wolltuche ein, der sie rasch reich machte. 1530 hatten sie bereits den Status von cittadini de intus et extra erreicht; sie besaßen alle Rechte reicher Bürger und durften weltweit unter venezianischer Flagge als Kaufleute agieren. Die Regierung der Adelsrepublik war jedoch den adligen nobili vorbehalten, die nur vier Prozent der Einwohner ausmachten; solche Nobilitierung wurde das Fernziel der Cuccina.

 

Palast-Bau + Kapellen-Kauf

 

1545/7 kauften die Brüder ein repräsentatives Grundstück direkt am Canal Grande, unweit der Rialto-Brücke; allerdings begannen sie mit dem Bau ihres dreistöckigen Palastes erst zwölf Jahre später. Im selben Jahr 1559 erwarben sie auch für viel Geld eine Familienkapelle in der Klosterkirche San Francesco della Vigna. Mit dem Altarbild beauftragten sie Paolo Caliari (1528-1588), genannt Veronese – er war 1555 aus Verona nach Venedig übergesiedelt.

Feature über die Ausstellung; © SKD


 

Monopol auf Schildläuse-Farbstoff

 

Zuvor hatten die Cuccina-Brüder seinen Konkurrenten Jacopo Tintoretto (1518-1594) bei Ausstattungs-Projekten protegiert. Doch Veronese brachte mehr Prestige mit: Zu seinen Kunden zählten Hochadlige, wichtige religiöse Orden und die Adelsrepublik selbst. So war er auch erste Wahl, als es um die kostspieligste Kunst-Anschaffung ging, die sich die Cuccina je geleistet haben.

 

Als der Familienpalast am Canal 1566 bezogen werden konnte, waren Zuanne und Girolamo bereits verstorben. Doch dessen Sohn Alvise hatte 1560 Zuanna di Mutti geheiratet, die ebenfalls aus einer begüterten Händlerfamilie kam: Sie besaß ein Monopol auf den Import von Cochenille. Dieser leuchtend rote Farbstoff wurde aus mexikanischen Schildläusen gewonnen und war in ganz Europa begehrt; er machte die Mutti schwerreich.

 

Vier Heilsgeschichte-Szenen für Festsaal

 

So konnten Alvise und die am Familienunternehmen beteiligte Zuanna es sich erlauben, bei Veronese 1571 einen vierteiligen Gemälde-Zyklus zu bestellen. Er sollte ihren portego schmücken, den weiträumigen Festsaal im ersten Stock eines venezianischen Palazzo; es war der aufwändigste Auftrag von Privatpersonen in der Stadt, der aus dieser Epoche bekannt ist.

 

Veronese schuf vier vielfigurige Szenen aus der Heilsgeschichte; je zwei schmückten eine portego-Längswand. Eintretende Besucher sahen zunächst „Die Anbetung der Könige“ des neugeborenen Christuskinds, dann „Die Hochzeit zu Kana“, bei der Jesus auf wundersame Weise Wasser in Wein verwandelte. Gegenüber hing eine „Kreuztragung“, woran „Die Madonna der Familie Cuccina“ anschloss – als Höhe- und Endpunkt des Bilderzyklus‘.

 

Vierjährige Restaurierung

 

Alle Leinwände sind jeweils mehr als vier Meter lang und bis zu zwei Meter hoch; dadurch wirken die fast lebensgroßen Figuren äußerst realistisch. Seit 1746 befindet sich der Zyklus in Dresden; er wurde stets gezeigt und gerühmt, worunter er im Lauf der Zeit sichtbar gelitten hat. Bei der Teilschließung der Gemäldegalerie 2013 zur Renovierung bot sich an, die Werke gründlich zu restaurieren. Das dauerte vier Jahre – der Abschluss liefert den Anlass für diese Sonderausstellung.

 

Sie ist geschickt in drei Teile gegliedert. Der Vorraum mit historischen Plänen und Dokumenten stimmt auf den Kontext von Venedig im 16. Jahrhundert ein. Eine Multimedia-Station führt vor, welchen bedeutenden Rang die Cuccina im sozialen Gefüge der Stadt einnahmen: Ihr Familienpalast ist auf einer Vedute von Canaletto aus dem Bestand der Gemäldegalerie klar zu erkennen.

 

Blau wurde braun oder schwarz

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Tintoretto - A star was born" - eindrucksvolle Gedenkschau zum 500. Geburtstag in Köln + Paris

 

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und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Das Jahrhundert Vasaris" - schöne Kabinett-Schau über "Florentiner Zeichner des Cinquecento" in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Drunter und Drüber – Altdorfer, Cranach und Dürer auf der Spur" über Altmeister-Untersuchungen mit Infrarot-Reflektographie in der Alten Pinakothek, München.

 

Andere Texte und Monitore erläutern, was alles bei der Restaurierung zutage trat. So konnte Veronese bei Gewändern seiner Figuren geradezu verschwenderisch das teure Cochenille-Rot einsetzen, weil seine Auftraggeber es recycelten: Es wurde aus Fasern ausgewaschen, die beim Färben von Stoffen übrig blieben, und dann vom Maler wieder verwendet. Andere teure Pigmente waren weniger licht- und alterungsbeständig: So dunkelte etwa blauer Himmel ins Bräunliche nach. Einst blauweiß gestreifte Kinder-Kleidung erscheint nun schwarzweiß.

 

Der zweite Raum ist dem früheren portego nachempfunden – man kommt ganz nah an die Leinwände heran, um Details zu betrachten. Seit jeher beeindruckt die zentrale Gestalt auf „Hochzeit zu Kana“: Ein Mundschenk im grell orangefarbenen Überwurf begutachtet ein Weinglas, das er mit ausgestrecktem Arm vor sich hält. Direkt daneben wirkt das Antlitz des Erlösers so erwartungsvoll gespannt, als fürchte er, es werde die Prüfung nicht bestehen.

 

Adelstitel kostet Kunstschatz

 

Ohnehin sind vielschichtige Blickbeziehungen der Akteure untereinander Veroneses Spezialität: Damit verbindet er komplexe Konstellationen und verleiht ihnen Geschlossenheit. Zugleich schmeichelt er seinen Abnehmern, indem er ihre Physiognomien in die Figurengruppen einbaut: Wer mag, kann aufspüren, wie häufig die – natürlich idealisierten – Züge von Alvise und Zuanna in den biblischen Szenen auftauchen. Der letzte Raum versammelt Studienblätter von Veronese und Grafiken anderer Künstler, die ihn inspirierten.

 

So gelingt dieser kleinen, feinen Kabinettschau, ein Prunkstück der Dresdener Sammlungen ins Rampenlicht zu rücken, bevor es sich wieder in der Fülle dortiger Meisterwerke behaupten muss: Man sieht am besten, worauf man sich konzentriert. Die Cuccinas konnten sich daran nur zwei Generationen lang erfreuen: 1645 musste der verschuldete Nachfahre Antonio Maria den Veronese-Bilderzyklus an den Herzog von Modena veräußern. Dafür bekam er Ländereien und den Titel eines Conte: Sein Kunstschatz war der Preis für den ersehnten Aufstieg in den Adel.