Saoirse Ronan

Am Strand

Frühlingsgefühle im Park: Florence (Saoirse Ronan) und Edward (Billy Howle) sind frisch verliebt. Foto: © 2017 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 21.6.) Desaster einer Hochzeitsnacht: Ein junges Ehepaar weiß im England der 60er-Jahre nicht, wie es mit seinen Erwartungen umgehen soll. Regisseur Dominic Cooke inszeniert die Verfilmung eines Romans von Ian McEwan allerdings ein wenig zu brav.

Das Schlimmste am Heiraten ist die Hochzeitsnacht… Heute mag dieser Spruch keine Gültigkeit mehr haben, doch 1962 im prüden England lastet die bevorstehende Nacht mit ihren Verpflichtungen schwer auf den frisch vermählten Eheleuten Florence (Saoirse Ronan) und Edward Mayhew (Billy Howle). Völlig deplatziert wirken die beiden jungen Leute in all dem Plüsch einer altmodischen Hochzeitssuite in einem Hotel am Chesil Beach, direkt am Ärmelkanal.

 

Info

 

Am Strand

 

Regie: Dominic Cooke,

110 Min. Großbritannien 2017;

mit: Saoirse Ronan, Billy Howle, Emily Watson

 

Website zum Film

 

Ian McEwans Roman „Am Strand“ hat der vom Theater kommende Regisseur Dominic Cooke als ein intimes und stringentes Kammerspiel in Szene gesetzt, welches das Lebensgefühl einer ganzen Generation widerspiegelt: von Menschen, die im Sinn der 1950er Jahre zu Anstand und Gehorsam erzogen wurden und nur ganz langsam lernten, sich von althergebrachten Traditionen zu emanzipieren.

 

Eine delikate Beziehung

 

Weil McEwan das Drehbuch zu „Am Strand“ selbst geschrieben und sich dabei nur wenig von seinem Roman gelöst hat, bildet die gefürchtete Hochzeitsnacht den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. In Rückblenden wird das Leben von Florence und Edward erzählt: ihre unterschiedliche Herkunft und Kindheit, das Kennenlernen sowie ihre zarte Beziehung bis zu jener schicksalhaften Nacht am Strand.

Offizieller Filmtrailer


 

Angsteinflößendes Himmelbett

 

Florence, die aus einem reichen und elitären Elternhaus stammt und Geige studiert, würde sich nie ihren Eltern widersetzen. Edward, der aus bescheidenen Verhältnissen kommt und Geschichte studiert, ist ein Träumer, der seine kranke Mutter versorgt und von der Welt noch nicht viel gesehen hat. Über Gefühle spricht man in beiden Elternhäusern nicht. Kein Wunder, dass die beiden heillos überfordert sind, als sie sich als Mann und Frau plötzlich über ihre Sehnsüchte, Wünsche und Ängste austauschen sollen.

 

Die Gespräche in der Hochzeitssuite werden immer stiller und beklommener, und die Anspannung lässt sich schier mit den Händen greifen. Da hilft es auch nicht sonderlich, dass sich die beiden Kellner, die den beiden Verliebten das Essen auf dem Zimmer servieren, zweideutige Blicke zuwerfen und die Braut unverhohlen neugierig betrachten. Hinter dem Esstisch steht, äußerst aufdringlich und furchteinflößend, ein rot bezogenes Himmelbett, in dem in wenigen Stunden die Ehe der beiden vollzogen werden soll. Florence vergeht fast vor Scham und Angst, weiß sie doch nicht, wie sie „diese Sache“ überstehen soll.

 

Im Tal der Ahnungslosen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films  "Carol" - ergreifendes Liebes-Melodram im New York der 1950er Jahre mit Cate Blanchett von Todd Haynes

 

und hier eine Besprechung des Films "Suburbicon" - Demontage der US-Vorstadtidylle in den 1950er Jahren mit Matt Damon von George Clooney

 

und hier einen Beitrag über den Film "Loving" – subtiles Dokudrama über ein Ehepaar in der Rassendiskriminierung der 1950/60er Jahre von Jeff Nichols

 

und hier einen Bericht über den Film "The Deep Blue Sea"- Melodram um ein Dreiecksverhältnis im Großbritannien der Nachkriegszeit von Terence Davies mit Rachel Weisz.

 

Denn Florence und Edward sind nicht nur unschuldig und unerfahren, sie haben auch absolut keine Ahnung, was sie erwartet oder was von ihnen erwartet wird. Die sexuelle Revolution der späten 1960er Jahre ist für die beiden noch in weiter Ferne. Als Edward schließlich mutig zur Tat schreiten will, eskaliert die Situation. Florence läuft hinaus zum Chesil Beach. In dieser Nacht treffen die beiden eine Entscheidung, die sie ihr ganzes Leben verfolgen wird.

 

„Am Strand“ ist eine kleine und doch intensive Geschichte, die aber als Film nicht mit der emotionalen Dichte des Romans mithalten kann. Zumal, wenn der Regisseur keine deutliche Bildsprache für das Unausgesprochene findet. Wie man einen McEwan-Roman meisterhaft in einen Film umsetzt, hat der Regisseur Joe Wright 2007 mit „Abbitte“ gezeigt  – übrigens spielte die damals gerade 13-jährige Saoirse Ronan darin eine ihrer ersten Hauptrollen, für die sie sogar eine Oscar-Nominierung erhielt.

 

Viel zu unbeschwert

 

Wright schuf seinerzeit einen dichten und emotionalen Film, der mit Überhöhungen statt mit naturalistischer Wiedergabe arbeitet, und den beschriebenen Erinnerungen sehr viel Raum gibt. Dagegen sind die braven, sehr theatralen Szenen des Films von Dominic Cooke zwar liebevoll und perfekt ausgestattet, doch sie spiegeln das Innenleben der Protagonisten nicht wider.

 

Zu heiter und unbeschwert wirken Florence und Edward, deren Nöte dem Zuschauer hinter der perfekten Fassade verborgen bleiben. So kann man den plötzlichen Bruch in ihrer Beziehung nicht ganz nachvollziehen. Als Milieustudie einer uns heute fremd erscheinenden Generation ist „Am Strand“ ordentlich und gewissenhaft gearbeitet, doch am Ende bleibt man leicht ratlos und ohne nachhaltigen Eindruck zurück.