Margarethe von Trotta

Auf der Suche nach Ingmar Bergman

Ingmar Bergman Jr, Margarethe von Trotta und Daniel Bergman. Foto: © Börres Weiffenbach. Fotoquelle: Weltkino Filmverleih GmbH
(Kinostart: 12.7.) Immer noch ein großer Meister: Margarethe von Trotta widmet dem schwedischen Regisseur Ingmar Bergman aus Anlass seines 100. Geburtstags eine Doku. Eine Würdigung von Künstler zu Künstler – sehr persönlich und auch ein wenig eitel.

Am 14. Juli 2018 hätte Ingmar Bergman seinen 100. Geburtstag gefeiert – ein passender Anlass also für eine neue dokumentarische Würdigung des großen schwedischen Regisseurs. Die kommt in diesem Fall aus überraschender Richtung: Noch nie hatte die deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta in ihrer langen Karriere eine Dokumentation gedreht. „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ entstand nun als Auftragsarbeit, bei der von Trotta zusammen mit ihrem Sohn Felix Moeller und ihrer Schnittmeisterin Bettina Böhler Regie führte.

 

Info

 

Auf der Suche nach Ingmar Bergman

 

Regie: Margarethe von Trotta,

97 Min., Deutschland 2018;

mit: Daniel Bergman, Liv Ullmann, Olivier Assayas

 

Weitere Informationen

 

Von Trottas Bezug zu Ingmar Bergman hat zwei Aspekte: Zum einen ist da die Bewunderung für den Filmemacher, den von Trotta Anfang der 1960er-Jahre entdeckte, als sie gerade nach Paris gezogen war. Bis dahin hatte sich von Trotta nach eigener Aussage kaum für das Kino interessiert, war anderen Künsten zugewandt. Doch nachdem sie „Das siebente Siegel“ gesehen hatte, eines von Bergmans größten Meisterwerken, verschrieb sie sich dem Kino.

 

Schach am Strand

 

Minutiös beschreibt sie zu Beginn ihrer Dokumentation die ersten Szenen von Bergmans Films, in denen der nach Hause kommende Ritter vom Tod überrascht wird. Schach werden die beiden spielen, am von Wellen umtobten Steinstrand: ein Spiel auf Leben und Tod – denn so lange der Ritter nicht verliert, schiebt der Tod sein finsteres Werk noch auf. Auch wenn nicht dort gedreht wurde, führt der karge, wilde Strand doch nahtlos nach Fårö, einer vor Stockholm gelegenen Insel, auf der Bergman oft drehte, später lebte und 2007 verstarb.

Offizieller Filmtrailer


 

Die eigene Kindheit als Thema

 

Hier leben einige seiner zahlreichen Kinder – neun sind es insgesamt, von sechs Frauen – die von Trotta interviewt und zu ihrem nicht immer einfachen Verhältnis zu ihrem berühmten Vater befragt. Er vermisse ihn nie, berichtet da etwa Daniel Bergman, ebenso wenig wie seine ebenfalls schon verstorbene Mutter Käbi Laretei, eine Pianistin. Was so einiges über das Verhältnis von Bergman zu seinen eigenen Kindern erzählt.

 

Vielleicht aber auch einfach über die Zeit, in der Bergman lebte. Eine Zeit, in der Kinder eben einfach da waren, ohne dass viel Aufhebens um sie gemacht wurde. Viel näher als seine Kinder scheint Bergman dann auch seine eigene Kindheit gewesen zu sein, die die Grundlage für zahlreiche autobiographische, oft psychoanalytisch geprägte Filme bildete.

 

Einfluss auf die moderne Filmsprache

 

Gerade die Bedeutung der Psychoanalyse, die insbesondere aus vielen der frühen Filme Bergmans spricht, lassen sie oft ein wenig altmodisch wirken: ganz einer Zeit verhaftet, in der schwermütige, sich selbst und die sie umgebende Welt analysierende Filmfiguren noch weitaus beliebter waren als in der Gegenwart. Was moderne Regisseure dennoch auch heute an Bergman begeistert und welchen Einfluss er auf ihre Filmsprache hatte, erläutern kurz und prägnant Filmemacher wie Olivier Assayas und Mia Hansen-Løve, Stig Björkman und Ruben Östlund.

 

Ausschnitte aus einigen der bekannteren Bergman-Filmen vervollständigen das Bild. Doch von Trotta legt es nicht darauf an, die Karriere Bergmans umfassend darzustellen. Zum Glück – gibt es doch schon genügend Dokumentationen, die sich mit Leben und Werk Bergmans beschäftigen. Leitfaden scheint stattdessen gewesen zu sein, welche ehemaligen Wegbegleiter des Regisseurs sie vor die Kamera bekommen konnte.

 

Unausgewogen persönlich

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Kunstbeitrags "Ingmar Bergman - Von Lüge und Wahrheit" - umfassende Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen, Berlin

 

und hier einen Bericht über das nordische Familien-Drama  "Bessere Zeiten" - von Ex-Bergman-Darstellerin Penilla August

 

und hier einen Beitrag über den Film "Nader und Simin- eine Trennung"  über ein Mittelklasse-Paar in Teheran von Ashgar Farhadi, dem Ingmar Bergman des Iran und Berlinale-Sieger 2011

 

Liv Ullmann etwa, eine von Bergmans Lieblingsschauspielerinnen und eine seiner zahlreichen Lebenspartnerinnen. Aber auch einen ehemaligen Regieassistenten aus dem Münchener Residenztheater, der Bergman assistierte, als dieser wegen Steuerproblemen aus seiner Heimat floh. Dadurch steht diese kurze Münchner Zeit vielleicht etwas unverhältnismäßig im Mittelpunkt. Doch das Unausgewogene macht von Trottas Film auch so persönlich.

 

Was schließlich zum zweiten Bezug zwischen Bergman und von Trotta führt: Als Bergman Mitte der 90er-Jahre nach seinen zehn Lieblingsfilmen gefragt wurde, nannte er neben Großklassikern wie Akira Kurosawas „Rashomon“, Andrei Tarkowskis „Andrej Rubljow“ und Federico Fellinis „La Strada“ auch von Trottas 1981 entstandenen RAF-Film „Die bleierne Zeit“. Als einzigen Film einer Frau und als einzigen einer lebenden Person.

 

Augenblicke der Eitelkeit

 

Verständlicherweise ist von Trotta unübersehbar stolz auf diese Nennung. Aber gerade solche Momente der Eitelkeit, in denen von Trotta mehr über sich verrät, als über Bergman zu erzählen, sorgen dafür, dass aus „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ kein Jubel-Porträt geworden ist. Sondern eine Würdigung von Künstler zu Künstler.