Eine 4000 Jahre alte, unbekannte Kultur und aktuelle Aufnahmen der renommierten Fotografin Herlinde Koelbl: Diese ungewöhnliche Kombination verspricht eine Ausstellung im Berliner Neuen Museum, die anschließend nach Hamburg und Mannheim wandert. Funktioniert das Doppelpack aus Gegenwartsfotografie und Archäologie? Alle Leihgaben stammen aus den bedeutendsten Museen in Turkmenistan: Die Schau kann nicht mit spektakulären Großfunden prunken, bestückt ihre Vitrinen aber mit feinster Keramik, Steinfigürchen und filigranem Schmuck.
Info
Margiana - Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan
25.04.2018 - 07.10.2018
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
im Neuen Museum, Bodestraße, Berlin
Katalog 39,95 €
02.11.2018 - 17.02.2019
im Archäologischen Museum, Hamburg
10.03.2019 - 16.06.2019
in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim
Hochentwickelte Wüstenkultur
Seit der sowjetische Archäologe Viktor Sarianidi 1972 in der Wüste Karakum die Spuren einer verblüffend hochentwickelten Kultur freilegte, dauern die Forschungen an. „Gonur Depe“, Grauer Hügel, nennen die Wissenschaftler das Areal lapidar. Einst war es eine beeindruckende Stadt mit rechtwinkligem Palastareal und imponierendem Mauerring. Ein kluges Tonröhrensystem lenkte das Wasser des Flusses Murgab in die Stadt.
Wie es hier heute aussieht, dokumentierte die 78jährige Fotografin Herlinde Koelbl auf einer zweiwöchigen Fotoexpedition. Frühmorgens um fünf Uhr beim ersten Sonnenstrahl stellte sie ihre Kamera auf, um das Gewirr der Ruinen im Streiflicht plastisch herauszuarbeiten. Wie erstarrte Wellen staffeln sich die freigelegten, von der Witterung abgeschliffenen Lehmziegelmauern im bronzezeitlichen Stadtzentrum.
Impressionen der Ausstellung
Folkloristische Foto-Exkurse
Auch das heutige Turkmenistan zeigt Herlinde Koelbl in einer farbenfrohen Fotostrecke im Vorraum der Ausstellung. Da wechseln Aufnahmen der grell ausgeleuchteten Hauptstadt Asghabad mit ihren Hochhäusern im Sowjet–Zuckerbäckerstil mit Porträts von bärtigen Greisen und archaischen Hirtenszenen. Auch eine traditionelle Hochzeit in farbenprächtiger Tracht lichtete die Fotografin ab. Zum Verständnis der bronzezeitlichen Funde verhelfen solche folkloristischen Fotoexkurse allerdings wenig.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Iran: Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste" über die Vorläufer des ersten persischen Großreichs in der Bundeskunsthalle, Bonn
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhara" über antike graeco-indische Mischkulturen in Zentral-Asien im Museum DKM, Duisburg
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Roads of Arabia" mit archäologischen Schätzen aus Saudi-Arabien im Pergamonmuseum, Berlin
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" über die Restaurierung 3000 Jahre alter Monumente aus Syrien im Pergamonmuseum, Berlin
und hier einen Artikel über die Ausstellung "Königsstadt Naga" - Relikte der antiken ägyptisch-schwarzafrikanischen Mischkultur des Reiches von Meroë im heutigen Sudan im Volksbank-Kunstforum, Berlin.
Figuren für unbekannte Rituale
Nur wenige Zentimeter groß haben zwei Ringer ihre Körper ineinander verschlungen. Hieratisch und starr frontal reckt sich dagegen eine ganze Gruppe stilisierter Idole: formvollendet und ausdrucksstark wie von Max Ernst. Zwei niedliche Brüste oder ein Paar kugelige Hoden weisen den ansonsten identischen Figürchen Geschlechtlichkeit zu. Ihre Gesichter sind eckig, die Arme zu Dreiecken stilisiert. Manche besitzen Flügel, andere einen herzförmigen Rumpf. Für welche Rituale man sie nutzte, wissen die Forscher nicht zu sagen.
Bei den mächtigen Vorratskrügen und schlanken Schalen, die formvollendet von der Töpferscheibe kamen, ist offensichtlich, welcher Funktion sie dienten. Mit winzigen Siegeltempeln aus Metall markierte man vielleicht Warenballen oder verschlossene Truhen. Pfirsichfarbenen Kalkstein verarbeiteten Handwerker so meisterhaft, dass die Gefäßwand eines Doppelbechers fast durchscheinend wirkt. Mosaikarbeiten, einzigartig für Turkmenistan, schmückten die Grabkammern der Könige. Eine Schrift ist nicht überliefert.
Viele offene Fragen
Wie in Ägypten sind es vor allem Funde aus Gräbern, die über die damaligen Bewohner Auskunft geben. Allein das Hauptgräberfeld der Stadt zählt mehr als 2.800 Gräber aus dem späten 3. Jahrtausend v. Chr., der Blütezeit der Metropole. Der Rundgang durch Margiana endet, bevor die Objektauswahl ermüdet. Viele Fragen bleiben offen bei diesen eindrucksvollen Zeugnissen einer Zivilisation aus der fernen Vergangenheit Mittelasiens.