Berlin + Hamburg + Mannheim

Margiana – Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan

Figurine eines Raubvogels aus Gonur Depe, Ende 3. – Mitte 2. Jtd. v. Chr., Fayence, Gold, Gips (modern), Staatliches Museum Turkmenistans; © Herlinde Koelbl. Fotoquelle: SMB
Feine Keramik und filigraner Schmuck: Eine Ausstellung im Neuen Museum präsentiert eindrucksvolle Ausgrabungsstücke einer 4000 Jahre alten, mysteriösen Hochkultur aus Mittelasien. Ergänzende aktuelle Fotos wirken bisweilen etwas folkloristisch.

Eine 4000 Jahre alte, unbekannte Kultur und aktuelle Aufnahmen der renommierten Fotografin Herlinde Koelbl: Diese ungewöhnliche Kombination verspricht eine Ausstellung im Berliner Neuen Museum, die anschließend nach Hamburg und Mannheim wandert. Funktioniert das Doppelpack aus Gegenwartsfotografie und Archäologie? Alle Leihgaben stammen aus den bedeutendsten Museen in Turkmenistan: Die Schau kann nicht mit spektakulären Großfunden prunken, bestückt ihre Vitrinen aber mit feinster Keramik, Steinfigürchen und filigranem Schmuck.

 

Info

 

Margiana - Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan

 

25.04.2018 - 07.10.2018

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

donnerstags bis 20 Uhr

im Neuen Museum, Bodestraße, Berlin

 

Katalog 39,95 €

 

Weitere Informationen

 

02.11.2018 - 17.02.2019

im Archäologischen Museum, Hamburg

 

Weitere Informationen


10.03.2019 - 16.06.2019

in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim

 

Weitere Informationen

 

Über die Gesellschaftsordnung und Götterwelt dieses mysteriösen Königreichs weiß man jedoch wenig. Wo liegt das Land „Margiana“, von dem hier die Rede ist? Von Deutschland aus rund 5000 Kilometer östlich und dann leicht gen Süden. Hier befindet sich eine dürre Wüstensteppe; ohne die wenigen Flüsse, die sich hier seit Urzeiten schlängeln, wäre es für Menschen unbewohnbar. Seit 1991 ist die ehemalige Sowjetrepublik Turkmenistan unabhängig; ein so verschlossener wie autoritär regierter Staat. Hier liegen bemerkenswerte archäologische Stätten, die teilweise zum UNESCO-Welterbe zählen.

 

Hochentwickelte Wüstenkultur

 

Seit der sowjetische Archäologe Viktor Sarianidi 1972 in der Wüste Karakum die Spuren einer verblüffend hochentwickelten Kultur freilegte, dauern die Forschungen an. „Gonur Depe“, Grauer Hügel, nennen die Wissenschaftler das Areal lapidar. Einst war es eine beeindruckende Stadt mit rechtwinkligem Palastareal und imponierendem Mauerring. Ein kluges Tonröhrensystem lenkte das Wasser des Flusses Murgab in die Stadt.

 

Wie es hier heute aussieht, dokumentierte die 78jährige Fotografin Herlinde Koelbl auf einer zweiwöchigen Fotoexpedition. Frühmorgens um fünf Uhr beim ersten Sonnenstrahl stellte sie ihre Kamera auf, um das Gewirr der Ruinen im Streiflicht plastisch herauszuarbeiten. Wie erstarrte Wellen staffeln sich die freigelegten, von der Witterung abgeschliffenen Lehmziegelmauern im bronzezeitlichen Stadtzentrum.

Impressionen der Ausstellung


 

Folkloristische Foto-Exkurse

 

Auch das heutige Turkmenistan zeigt Herlinde Koelbl in einer farbenfrohen Fotostrecke im Vorraum der Ausstellung. Da wechseln Aufnahmen der grell ausgeleuchteten Hauptstadt Asghabad mit ihren Hochhäusern im Sowjet–Zuckerbäckerstil mit Porträts von bärtigen Greisen und archaischen Hirtenszenen. Auch eine traditionelle Hochzeit in farbenprächtiger Tracht lichtete die Fotografin ab. Zum Verständnis der bronzezeitlichen Funde verhelfen solche folkloristischen Fotoexkurse allerdings wenig.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Iran: Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste" über die Vorläufer des ersten persischen Großreichs in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhara" über antike graeco-indische Mischkulturen in Zentral-Asien im Museum DKM, Duisburg

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Roads of Arabia" mit archäologischen Schätzen aus Saudi-Arabien im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" über die Restaurierung 3000 Jahre alter Monumente aus Syrien im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier einen Artikel über die Ausstellung "Königsstadt Naga" - Relikte der antiken ägyptisch-schwarzafrikanischen Mischkultur des Reiches von Meroë im heutigen Sudan im Volksbank-Kunstforum, Berlin.

 

Dahinter sind Spitzenstücke aus der Welt Margianas zu sehen: purer Luxus für Würdenträger und Führungseliten einer Gesellschaft, deren Umrisse unscharf bleiben. Dass sie ihre Waren auf Kamelen transportierten, lassen zierliche Tierdarstellungen vermuten. Die Handelsrouten reichten, wie Funde belegen, bis in die Indus-Region im heutigen Pakistan. Aus Usbekistan kam Zinn, aus dem heutigen Afghanistan Lapislazuli für wunderschöne Halsketten. Winzig klein sind viele der 230 ausgestellten Funde. Koelbls Aufnahmen zoomen sie im Großformat nah heran, was den Blick für Details schärft.

 

Figuren für unbekannte Rituale

 

Nur wenige Zentimeter groß haben zwei Ringer ihre Körper ineinander verschlungen. Hieratisch und starr frontal reckt sich dagegen eine ganze Gruppe stilisierter Idole: formvollendet und ausdrucksstark wie von Max Ernst. Zwei niedliche Brüste oder ein Paar kugelige Hoden weisen den ansonsten identischen Figürchen Geschlechtlichkeit zu. Ihre Gesichter sind eckig, die Arme zu Dreiecken stilisiert. Manche besitzen Flügel, andere einen herzförmigen Rumpf. Für welche Rituale man sie nutzte, wissen die Forscher nicht zu sagen.

 

Bei den mächtigen Vorratskrügen und schlanken Schalen, die formvollendet von der Töpferscheibe kamen, ist offensichtlich, welcher Funktion sie dienten. Mit winzigen Siegeltempeln aus Metall markierte man vielleicht Warenballen oder verschlossene Truhen. Pfirsichfarbenen Kalkstein verarbeiteten Handwerker so meisterhaft, dass die Gefäßwand eines Doppelbechers fast durchscheinend wirkt. Mosaikarbeiten, einzigartig für Turkmenistan, schmückten die Grabkammern der Könige. Eine Schrift ist nicht überliefert.

 

Viele offene Fragen

 

Wie in Ägypten sind es vor allem Funde aus Gräbern, die über die damaligen Bewohner Auskunft geben. Allein das Hauptgräberfeld der Stadt zählt mehr als 2.800 Gräber aus dem späten 3. Jahrtausend v. Chr., der Blütezeit der Metropole. Der Rundgang durch Margiana endet, bevor die Objektauswahl ermüdet. Viele Fragen bleiben offen bei diesen eindrucksvollen Zeugnissen einer Zivilisation aus der fernen Vergangenheit Mittelasiens.