Lucrecia Martel

Zama

Don Diego de Zama (Daniel Giménez Cacho) auf Beobachtungsposten. Foto: © ReiCine, Bananeira Filmes. Fotoquelle: Grandfilm GmbH
(Kinostart: 12.7.) Reichtum, Ruhm und der Sinn des Daseins: Ein spanischer Kolonialoffizier wartet in Südamerika vergeblich auf sein Glück. Regisseurin Lucretia Martel inszeniert ein eigenwilliges Historiendrama, das tief in die Kolonialgeschichte blickt.

Irgendwo im südamerikanischen Hinterland während des 18. Jahrhunderts: Bereits viele Jahre dient der Offizier Don Diego de Zama (Daniel Giménez Cacho) dem spanischen König in einem Provinzkaff. Doch was heißt hier „dienen“? Zama vertut seine Zeit mit abstrusen Verwaltungsakten, an die er sich stets sklavisch hält, obwohl sie an diesem Ort keinerlei Sinn ergeben.

 

Info

 

Zama

 

Regie: Lucrecia Martel,

115 Min., Argentinien/ Brasilien 2017;

mit: Daniel Giménez Cacho, Lola Dueñas, Matheus Nachtergaele

 

Weitere Informationen

 

Seine Zeit vergeht ohne erkennbaren Nutzen. Egal, ob er einen Einheimischen foltern lässt, um von ihm angeblich wichtige Informationen zu erhalten, oder ob er einer verarmten weißen Familie „40 zahme Indianer“ verspricht. Den anderen Offiziellen der spanischen Krone geht es ähnlich. Allesamt spielen sie miteinander eine Art absurdes Theater.

 

Höfischer Umgang in den Tropen

 

Mit ihren weißen Perücken, den heruntergekommenen Uniformen und den förmlichen Umgangsformen höfischen Ursprungs sind sie Fremdkörper in der tropischen Umgebung. Der in Lateinamerika geborene Zama schwärmt von der Schönheit des Schnees und der europäischen Kultiviertheit, obwohl er das alles nur vom Hörensagen kennt. Zudem fällt sein begehrlicher Blick immer wieder auf Frauen, seien sie Indianerinnen, Mestizinnen oder Weiße.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Entfremdete Eroberer

 

Regisseurin Lucrecia Martel zeigt die Nachfahren der „Conquistadores“ als Entwurzelte und Gestrandete, die weder mit sich selbst noch mit anderen Menschen etwas anzufangen wissen. Sie verhalten sich, als ob sie mit geschlossenen Augen lebten. Mit ihrer Gier nach Macht, Reichtum und Frauen stürzen sie die Einheimischen und letztlich auch sich selbst ins Verderben.

 

Langeweile, Hitze und ein diffuses Gefühl der Bedrohung prägen das Leben am träge dahinströmenden Fluss. Geschichten von Überfällen und steinernen Kokosnüssen voller Edelsteine machen die Runde. Die unzugängliche Natur drängt sich im Film mit einer permanenten Geräuschkulisse ins Bewusstsein: mit Vogelgezwitscher, dem Zirpen von Zikaden und seltsamen Fauchtönen. Neben den Weißen leben die Indianer auf ihre althergebrachte Weise, sofern man ihnen dies zugesteht.

 

Im Sumpf versunkene Erwartungen

 

Der passive Zama will zurück in die Zivilisation, zu seiner Frau und seinen Kindern, die ohne ihn groß werden. Aber seinem Versetzungswunsch wird einfach nicht stattgegeben. Aus Verzweiflung begibt er sich schließlich mit einem Haufen Hasardeure auf die Jagd nach dem legendären Piraten Vicuña Porto (Matheus Nachtergaele). Doch Zamas Hoffnungen auf Ruhm und Reichtum versinken im Sumpfland. Die flirrende Fiebrigkeit dieser finalen Himmelfahrtsmission erinnert an Werner Herzogs „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972).

 

Lucrecia Martel gehört zu Argentiniens eigenwilligsten Filmemacherinnen. Mit „Zama“ verfilmt sie den gleichnamigen Roman ihres Landsmanns Antonio di Benedetto (1922-1986). Der von der Junta verfolgte Autor stand zeitlebens im Schatten seiner berühmten Kollegen Jorge Luis Borges, Manuel Puig und Julio Cortázar. Es gelingt Martel hervorragend, die assoziative und elliptische Erzählweise des Romans in Filmbilder zu übertragen.

 

Die Katastrophe der Kolonialisierung

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Schamane und die Schlange – Embrace of the Serpent" – brillant vielschichtiges Doppelporträt zweier Amazonas-Forschungspioniere von Ciro Guerra

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Versunkene Stadt Z" - Abenteuer-Epos im Amazonasbecken von James Gray

 

Dazu schafft sie eine traumhafte Atmosphäre, die oft geradezu ins Surreale kippt. Den ausschnitthaften Szenen aus Zamas Existenz wohnt stets etwas Theatralisches inne. Die Kameraarbeit des Portugiesen Rui Poças glänzt mit ausgefeilten Bildkompositionen, die an klassische Gemälde erinnern. Gleichwohl fordert der Film durch seine unkonventionelle Erzählweise Offenheit und Geduld vom Zuschauer.

 

Je tiefer man in die Welt von „Zama“ eintaucht, umso mehr begreift man von der großen Tragödie der Kolonialisierung Lateinamerikas, die sich bis in die Gegenwart auswirkt. Lucrecia Martel erklärt das so: „Die Vergangenheit auf unserem Kontinent ist unklar und verwirrend. Wir haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist, und deshalb denken wir nicht über den Landbesitz nach, den Raub, auf welchem der lateinamerikanische Abgrund gegründet wurde und der unsere eigene Identität umschlingt. Sobald wir beginnen, in unsere Vergangenheit zu schielen, schämen wir uns.“

 

Opfer einer Gewaltspirale

 

Bis heute prägt eine tiefe Zerrissenheit die lateinamerikanischen Gesellschaften, die sich in einer oftmals endlos scheinenden Spirale der Gewalt ausdrückt. Ungleichheit und Rassismus treiben sie an. Dass Zama sein Glück nicht findet, ist daher kein Zufall, sondern eine Konsequenz der Geschichte.