Ohne Zweifel kann man den israelischen Regisseur Eran Riklis einen Humanisten nennen. Mit Filmen wie „Lemon Tree“ (2008) und „Mein Herz tanzt“ (2014) gelang es ihm immer wieder, anhand sehr persönlicher Geschichten das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern anschaulich auf die Leinwand zu bringen. Auch sein neues Werk „Aus nächster Distanz“ arbeitet sich in einer besonderen Mischung aus Politthriller und Kammerspiel am Thema Nahost-Konflikt ab und verlagert dabei den Großteil der Handlung nach Deutschland.
Info
Aus nächster Distanz
Regie: Eran Riklis,
93 Min., Deutschland/ Frankreich/ Israel 2017;
mit: Golshifteh Farahani, Neta Riskin, Yehuda Almagor
Vom Leben gezeichnete Frauen
Doch die Wohnung ist nicht so sicher wie anfangs gedacht. Offenbar hat die Hisbollah überall ihre Leute. Für Naomi verwandelt sich der scheinbar einfache Job zusehends in einen nervenaufreibenden Albtraum, in dem die Gegner nicht wirklich greifbar sind. Für die Agentin ist es der erste Auftrag seit zwei Jahren. Bei ihrem letzten Einsatz hatte sie ihren Mann verloren, nach wie vor wirkt sie angeschlagen. Ihr Schützling Mona ist nicht nur von der überstürzten Flucht gezeichnet: Sie wurde von ihrem Geliebten hintergangen, musste den Sohn zurücklassen und hat buchstäblich ihr Gesicht verloren.
Offizieller Filmtrailer
Zaghaftes Abtasten
So haben beide Frauen mehr gemeinsam als ihnen vielleicht lieb ist: Beim Verarbeiten ihrer Traumata kommen sie sich nach anfänglichen Feindseligkeiten schrittweise näher. Die Abgeschlossenheit der altmodisch eingerichteten Wohnung schafft die dazu nötigen Freiräume. Alte Feindbilder spielen hier keine Rolle mehr. Langsam tasten die Frauen sich aneinander heran, vertrauen einander ihre Ängste und Wünsche an. Sie werden Freundinnen auf Zeit und lernen, wieder jemandem zu vertrauen.
Als Freigeist in einer Männergesellschaft hatte Mona schon früh gelernt, nur auf sich selbst zu bauen. Naomi will nach dem Tod ihres Mannes die Leere in ihrem Leben unbedingt mit einem Kind füllen. Die zwei Wochen werden für beide Frauen nun zu einer Art Therapie mit Koch -und Weinabenden, an denen sie sich wieder frei und „normal“ fühlen können.
Im Zweifel: menschlich
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Mein Herz tanzt" - Romeo-und-Julia Drama von Eran Riklis
und hier einen Beitrag über den Film “Zaytoun” – über eine palästinensisch-israelische Freundschaft im Nahost-Konflikt von Eran Riklis
und hier eine Besprechung des israelischen Films “Die Reise des Personalmanagers” - Tragikomödie über Leichen-Überführung von Eran Riklis
Aufseiten der Geheimdienste hat hingegen keiner der Beteiligten eine weiße Weste. Diese Zweideutigkeit gibt der Film sehr gut wieder, die politischen Bezüge erscheinen allerdings – wie in der Realität – kaum durchschaubar. Nach ruhigem Beginn nimmt der Film im letzten Drittel deutlich an Fahrt auf und entwickelt sich in der Verfolgung all der zuvor angedeuteten Fährten zu einem leicht konfusen Thriller.
Trugbild Hoffnung
Der Kerngeschichte um die beiden Frauen, die als Kammerspiel gut für sich stehen kann, erweist Riklis damit keinen guten Dienst. Doch die hervorragenden Darstellerinnen lassen dies letztlich vergessen – ihre Figuren bleiben nachhaltig im Gedächtnis. „Aus nächster Distanz“ ist ein Plädoyer für die Verständigung: Am Ende steht die Hoffnung, auch wenn sie vielleicht nur ein Trugbild ist.