Eran Riklis

Aus nächster Distanz

Die israelische Mossad-Agentin Naomi (Neta Riskin) soll die libanesische Informantin Mona (Golshifteh Farahani) beschützen. Fotoquelle: NFP marketing & distribution*
(Kinostart: 9.8.) Überkommenes Feindbild: Eine israelische Agentin muss eine libanesische Informantin beschützen und freundet sich mit ihr an. Regisseur Eran Riklis inszeniert einen Film zwischen Kammerspiel und schwer zu durchschauendem Politthriller.

Ohne Zweifel kann man den israelischen Regisseur Eran Riklis einen Humanisten nennen. Mit Filmen wie „Lemon Tree“ (2008) und „Mein Herz tanzt“ (2014) gelang es ihm immer wieder, anhand sehr persönlicher Geschichten das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern anschaulich auf die Leinwand zu bringen. Auch sein neues Werk „Aus nächster Distanz“ arbeitet sich in einer besonderen Mischung aus Politthriller und Kammerspiel am Thema Nahost-Konflikt ab und verlagert dabei den Großteil der Handlung nach Deutschland.

 

Info

 

Aus nächster Distanz

 

Regie: Eran Riklis,

93 Min., Deutschland/ Frankreich/ Israel 2017;

mit: Golshifteh Farahani, Neta Riskin, Yehuda Almagor

 

Website zum Film

 

In einer Hamburger Wohnung treffen die israelische Mossad-Agentin Naomi (Neta Riskin) und die Informantin Mona (Golshifteh Farahani) aufeinander. Die Libanesin aus dem engeren Umkreis eines Hisbollah-Anführers muss sich nach einer Gesichtsoperation in Deutschland unerkannt erholen, Naomi soll sie beschützen. Zwei Wochen müssen die beiden einander fremden Frauen im Versteck miteinander ausharren, bevor Mona mit neuer Identität endgültig untertauchen kann. 

 

Vom Leben gezeichnete Frauen

 

Doch die Wohnung ist nicht so sicher wie anfangs gedacht. Offenbar hat die Hisbollah überall ihre Leute. Für Naomi verwandelt sich der scheinbar einfache Job zusehends in einen nervenaufreibenden Albtraum, in dem die Gegner nicht wirklich greifbar sind. Für die Agentin ist es der erste Auftrag seit zwei Jahren. Bei ihrem letzten Einsatz hatte sie ihren Mann verloren, nach wie vor wirkt sie angeschlagen. Ihr Schützling Mona ist nicht nur von der überstürzten Flucht gezeichnet: Sie wurde von ihrem Geliebten hintergangen, musste den Sohn zurücklassen und hat buchstäblich ihr Gesicht verloren.

Offizieller Filmtrailer


 

Zaghaftes Abtasten

 

So haben beide Frauen mehr gemeinsam als ihnen vielleicht lieb ist: Beim Verarbeiten ihrer Traumata kommen sie sich nach anfänglichen Feindseligkeiten schrittweise näher. Die Abgeschlossenheit der altmodisch eingerichteten Wohnung schafft die dazu nötigen Freiräume. Alte Feindbilder spielen hier keine Rolle mehr. Langsam tasten die Frauen sich aneinander heran, vertrauen einander ihre Ängste und Wünsche an. Sie werden Freundinnen auf  Zeit und lernen, wieder jemandem zu vertrauen.

 

Als Freigeist in einer Männergesellschaft hatte Mona schon früh gelernt, nur auf sich selbst zu bauen. Naomi will nach dem Tod ihres Mannes die Leere in ihrem Leben unbedingt mit einem Kind füllen. Die zwei Wochen werden für beide Frauen nun zu einer Art Therapie mit Koch -und Weinabenden, an denen sie sich wieder frei und „normal“ fühlen können.

 

Im Zweifel: menschlich

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Mein Herz tanzt" - Romeo-und-Julia Drama von Eran Riklis

 

und hier einen Beitrag über den Film “Zaytoun”  – über eine palästinensisch-israelische Freundschaft im Nahost-Konflikt von Eran Riklis

 

und hier eine Besprechung des israelischen Films Die Reise des Personalmanagers - Tragikomödie über Leichen-Überführung von Eran Riklis

 

Doch draußen rangeln die Geheimdienste um Monas Geschick. Dass der Film trotz aller Nähe zu den Hauptfiguren kritische Distanz zum Geschehen wahrt, ist seine Stärke. Die weltpolitische Dimension der Geschichte scheint zwar subtil immer wieder durch, doch „Aus nächster Distanz“ ergreift keine Partei. Die beiden Frauen sind ebenso ambivalent gezeichnet wie die Hisbollah-Anhänger, die keineswegs nur als mordlüsterne Fanatiker erscheinen: Ihre Zweifel machen sie menschlich.

 

 Aufseiten der Geheimdienste hat hingegen keiner der Beteiligten eine weiße Weste. Diese Zweideutigkeit gibt der Film sehr gut wieder, die politischen Bezüge erscheinen allerdings – wie in der Realität – kaum durchschaubar. Nach ruhigem Beginn nimmt der Film im letzten Drittel deutlich an Fahrt auf und entwickelt sich in der Verfolgung all der zuvor angedeuteten Fährten zu einem leicht konfusen Thriller.

 

Trugbild Hoffnung

 

Der Kerngeschichte um die beiden Frauen, die als Kammerspiel gut für sich stehen kann, erweist Riklis damit keinen guten Dienst. Doch die hervorragenden Darstellerinnen lassen dies letztlich vergessen – ihre Figuren bleiben nachhaltig im Gedächtnis. „Aus nächster Distanz“ ist ein Plädoyer für die Verständigung: Am Ende steht die Hoffnung, auch wenn sie vielleicht nur ein Trugbild ist.