Alexandra Dean

Geniale Göttin: Die Geschichte von Hedy Lamarr

Hedy Lamarr. Foto: NFP marketing & distribution*
(Kinostart: 16.8.) Hollywood und der ständige Frequenzwechsel: Hedy Lamarr wäre wohl schon vergessen, hätte der Glamourstar nicht in den 1940ern eine bahnbrechende Erfindung gemacht. Unterhaltsames Doku-Porträt, das es mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt.

Hedy Lamarr gehörte zu den attraktivsten Schauspielerinnen des klassischen Hollywood-Studiosystems der 1930er und 40er-Jahre. Viele Leute hielten die 1914 als Tochter jüdischer Eltern in Wien geborene Lamarr sogar für die schönste Frau der Welt – so lautete zumindest der Werbeslogan von MGM. Rund siebenundzwanzig Jahre währte ihre Karriere, allein fast zwanzig Jahre arbeitete sie in der amerikanischen Traumfabrik.

 

Info

 

Geniale Göttin: Die Geschichte von Hedy Lamarr

 

Regie: Alexandra Dean,

86 Min., USA 2017;

mit: Hedy Lamarr, Mel Brooks, Jennifer Hom

 

Website zum Film

 

Zuvor hatte sie unter ihrem richtigen Namen Hedwig Kiesler seit 1930 auch einige Filme in Deutschland und Österreich gedreht. Doch von alledem ist nicht eben viel in Erinnerung geblieben. Allein ihr vermeintlich skandalöser Nacktauftritt als 17-Jährige in Gustav Machatýs Drama „Ekstase“ (1932) wirkt in der Filmgeschichte bis heute nach. Als Lamarr im Jahr 2000 im Alter von 85 Jahren starb, war sie einem breiten Publikum schon lange kein Begriff mehr. Nicht zuletzt, weil Lamarrs Hollywoodkarriere eher unspektakulär verlief.

 

Vulgäre Exotinnen

 

Oft genug traf sie selbst die falsche Rollenwahl, zudem hatte man in Hollywood offenbar auch keine rechte Idee, was man mit der schönen Europäerin wirklich hätte anfangen können. Die Rolle der netten Frau von nebenan hätte vielleicht ihre Nische sein können, doch ihr deutscher Akzent verhinderte, dass man sie als Amerikanerin besetzen konnte. Ihr blieben die mysteriösen Fremden und die schönen Exotinnen. Über ihren missglückten Auftritt als Eingeborene („I am Tondelayo“) in „White Cargo“ (1942) haben sich schon ganze Generationen von Filmliebhabern lustig gemacht. Und als Verführerin in Cecil B. DeMilles abstrusem Bibelschinken „Samson und Delilah“ (1949) wirkte sie lediglich plump und vulgär.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Torpedos gegen die Nazis

 

Nach dem Ende ihrer Karriere machte Lamarr dann fast nur noch negative Schlagzeilen: mit diversen Ehescheidungen, einer Reihe von missglückten Faceliftings, sowie einigen Ladendiebstählen, bei denen sie angeblich erwischt wurde. Dann stand sie für kurze Zeit noch einmal im Mittelpunkt des Interesses. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Florida, wo sie zurückgezogen lebte. Kontakt zur Außenwelt hielt sie in der Regel per Telefon.

 

Und vielleicht wäre Lamarr schon ganz vergessen, hätte sie gegen Ende ihres Lebens nicht noch einmal Aufmerksamkeit auf einem Gebiet bekommen, das man gemeinhin nicht mit Hollywood-Stars in Verbindung bringt: In den 1990er Jahren erhielt sie eine Reihe von Wissenschaftspreisen für ihre Erfindung eines Torpedoleitsystems, das sie gemeinsam mit dem Avantgarde-Komponisten Georges Antheil während des Zweiten Weltkriegs hatte patentieren lassen.

 

Grundlage für heutige Kommunikationstechniken

 

Ziel der Erfindung war es, Torpedos durch Funksignale auf ständig wechselnden Frequenzen zu steuern und dem militärischen Gegner damit die Ortung so schwer wie möglich zu machen. Damals hatte die US-Marine kein Interesse, das System kam nie zum Einsatz. Heute bildet das Prinzip des ständigen Frequenzwechsels die Grundlage für Kommunikationstechniken wie Wi-Fi und Bluetooth. Ob Lamarr selbst wissenschaftliches Interesse und entsprechende Kenntnisse entwickelt hatte oder ob sie in irgendeiner Weise an Pläne ihres ersten Ehemanns, eines Wiener Waffenfabrikanten, gelangt war, ist bis heute umstritten. 

 

All dies kommt natürlich auch in dem Dokumentarfilm „Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr“ zum Tragen, in dem die amerikanische Regisseurin Alexandra Dean Leben und Wirken der Schauspielerin mit exzellentem Fotomaterial, vielen Gesprächspartnern sowie Auszügen aus einem unveröffentlichten Telefoninterview nachzeichnet. Dean präsentiert Lamarr dabei vor allem als emanzipierte Frau, deren Drang nach Freiheit sich in den vielen Brüchen ihrer Lebensgeschichte widerspiegelt. 

 

Kaum überprüfbare Anekdoten

 

Hintergrund

 

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und hier einen Beitrag über den Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ – Biopic über das Physik- Genie Stephen Hawking von James Marsh

 

Doch Hedys Schicksal war es, unverstanden zu bleiben: Alle sahen in ihr immer nur das schöne Gesicht. Das Problem einer Rekonstruktion von Lamarrs Leben besteht allerdings darin, all die Legenden und Anekdoten über den Star, die von PR-Abteilungen, Autobiografie-Ghostwritern und Lamarr selbst in die Welt gesetzt wurden, von überprüfbaren Fakten zu scheiden. Das ist offenkundig schwierig. Auch andere Biografen sind daran schon gescheitert oder haben das Problem zumindest thematisiert. 

 

Selbst auf Lamarrs Kinder Anthony und Deedee Loder ist in dieser Hinsicht kaum Verlass, sie haben über die Jahre immer wieder unterschiedliche Dinge über das Leben mit ihrer Mutter erzählt. Und so ist es zumindest fraglich, ob die Regisseurin bei ihrer Interpretation nicht gelegentlich – bewusst oder unbewusst –  bestimmte Mythen als Wahrheit ausgibt. Ankreiden muss man Dean in jedem Fall, dass sie den Eindruck erweckt, als sei „Ekstase“ ein etwas anrüchiges „dirty picture“ gewesen. 

 

Unverstandenes Dasein

 

Doch genau dies ist das mit starker Natur- und Sexualsymbolik aufgeladene romantische Melodrama, dessen Plot um eine sehr selbstbestimmte Frau man durchaus auch als emanzipatorisch begreifen kann, definitiv nicht. Dass viele Dinge in Lamarrs Leben wohl eher verworren und obskur waren, macht die gradlinig daher kommende Dokumentation angreifbar, den Blick auf das unangepasste und vielleicht wirklich unverstandene Leben eines Hollywood-Stars aber nicht weniger unterhaltsam.