Lars Eidinger und Tobias Moretti

Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Macheath (Tobias Moretti) mit seiner zukünftigen Frau Polly Peachum (Hannah Herzsprung). Foto: © Wild Bunch Germany
(Kinostart: 13.9.) Kino und Kapitalismus: Regisseur Joachim A. Lang inszeniert ein ambitioniertes Projekt rund um Bertolt Brecht, die „Dreigroschenoper“ und den Gerichtsprozess gegen eine Filmproduktion – am Ende will der Film deutlich zu viel.

Im Jahr 1928 feierte „Die Dreigroschenoper“ im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin Premiere: Das Bühnenstück von Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann mit der Musik von Kurt Weill schlug ein wie eine Bombe. Zunächst  wurde es zum Renner der Saison, dann zum weltweiten Sensationserfolg. Schon kurze Zeit später waren die Lieder der „Oper“ Gassenhauer, und noch heute kennt jedermann die Moritat von Mackie Messer: „Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht, doch Macheath, der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht…“

 

Info

 

Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm

 

Regie: Joachim A. Lang,

130 Min., Deutschland 2017;

mit: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król

 

Weitere Informationen

 

Auf der Welle des großen Erfolges sollte 1930 aus dem Theaterstück auch ein Film werden. Doch schnell kam es zu Differenzen zwischen der Produktionsfirma Nero-Film und dem Autor. Die Filmfirma entzog Brecht den Auftrag und begann ohne ihn mit einer Verfilmung. Daraufhin verklagte Bertolt Brecht die Nero-Film. Unter großer medialen Aufmerksamkeit wurde ein erbitterter Prozess geführt, den Brecht verlor. Der Film, den der Dramatiker hätte drehen wollen, kam nie zustande. Die politische Lage in Deutschland machte sowieso alle Pläne zunichte: 1933 ging Brecht, von den Nationalsozialisten vertrieben, mit seiner Familie ins Exil.

 

Produktiver Brecht

 

Bis heute zählt „Die Dreigroschenoper“ zu den erfolgreichsten deutschen Bühnenwerken überhaupt. Doch die letzte deutschsprachige Verfilmung des Werkes liegt gut 50 Jahre zurück. Man darf annehmen, dass erst der Tod der Brecht-Tochter und -Erbin Barbara Brecht-Schall im Jahr 2015 den Weg für dieses Filmprojekt frei machte. Eine Idee von Regisseur Joachim A. Lang war zweifellos, endlich jenen Film zu realisieren, den sich Brecht vorgestellt haben könnte. Angesichts vieler authentischer Manuskripte, darunter Brechts damaliges Film-Exposé und der im Exil entstandene „Dreigroschenroman“, gab es genügend Ausgangsmaterial.

Offizieller Filmtrailer


 

Streit zwischen Künstlern und Filmproduktion

 

Herausgekommen ist ein wildes Experiment: Eine Starbesetzung spielt sich in üppiger Ausstattung durch ein intellektuelles Drehbuch, das ein Bühnenstück in eine Art „Making of“ des nie gedrehten Films verwandelt. Eigentlich kann man „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ nur loben: Hier wurde akkurat recherchiert, und Regisseur Lang kennt sich mit Brecht und seinem Werk hervorragend aus. Fast alle Schauspieler sind großartig besetzt und spielen nach allen Regeln ihrer Kunst auf: Tobias Moretti als Macheath, Joachim Król und Claudia Michelsen als Herr und Frau Peachum und Meike Droste als Helene Weigel sind herausragend. Es macht einfach Spaß, ihnen zu zusehen.

 

Berlin 1930: Bertolt Brecht (Lars Eidinger) und Kurt Weill (Robert Stadlober) sind auf dem Höhepunkt ihres Erfolges und Ruhms. Der Filmproduzent Seymour Nebenzahl (Godehard Giese) will ihr Bühnenstück „Die Dreigroschenoper“ verfilmen lassen. Brechts Mitstreiter und Vertraute sind aus dem Häuschen. Sängerin Lotte Lenya (stark und souverän: Britta Hammelstein) und Schauspielerin Carola Neher (blass und gesanglich katastrophal überfordert: Hannah Herzsprung) wittern ihre große Chance.  Doch schnell offenbaren sich gravierende Differenzen zwischen der Filmfirma und den Künstlern.

 

Vermischung verschiedener Ebenen

 

Brecht versucht seine Vision anschaulich zu beschreiben. Plötzlich vermischen sich die innerfilmische Gegenwartsebene und der gedachte „Dreigroschen“-Film: Nebenzahl und Brecht laufen nun durch ein düsteres London, in dem Gangsterboss Macheath (Tobis Moretti) das Sagen hat. Dieser verliebt sich in Polly, die Tochter des Bettlerkönigs Peachum (Joachim Król). Von nun an springt der Film zwischen diesen zwei Ebenen hin und her. Ganz im Sinne des Brecht’schen Theaters werden dabei Tafeln mit Kapitelnamen hochgehalten, und es öffnet sich die vierte Wand der Bühne. Die Schauspieler sprechen ihre Texte direkt in die Kamera, Fiktion und Realität vermischen sich.

 

Während der Rechtsstreit zwischen der Nero-Film und Brecht weiter eskaliert, entfaltet sich auch die „Dreigroschen“-Geschichte in London: Macheath heiratet seine Polly, und bald kommt es zum Kampf zwischen den beiden Königen der Unterwelt, Peachum und Mackie Messer. Armut, Korruption, Machtmissbrauch und Klassenunterschiede kommen zur Sprache: Die „Dreigroschenoper“ spart nicht an Gesellschaftskritik. Das ist auch den langsam immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, sie beginnen die Theateraufführungen am Schiffbauerdamm zu stören.

 

Ein Verlierer gewinnt

 

Brecht verliert seinen Prozess und gewinnt doch: Nach seiner Logik hat er damit bewiesen, wie verlogen die Filmbranche und die Gesellschaft sind. Er will sich der Unterhaltungsbranche nicht unterwerfen, will weiter politisieren und aufrütteln. Denn: „Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, wie wir durchsetzen.“ In der „Dreigroschenoper“ kauft Macheath eine Bank und wird ihr neuer Direktor. Aus dem Gangster wird ein Geschäftsmann. „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ 

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Baal" - frei nach dem Drama von Bertolt Brecht von Volker Schlöndorff

 

und hier einen Bericht über den Film “Les Miserables”opulente Musical-Verfilmung von Tom Hooper nach dem Roman von Victor Hugo

 

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Allein der enorme Sachverstand des Regisseurs Joachim A. Lang und seine mutige Ambition machen „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ sicher sehenswert. Allerdings gerät der Film über weite Teile doch auch recht hölzern: Alle Sätze, die Brecht hier spricht, sind belegte Zitate des berühmten Autors. Und weil er immer etwas tiefgreifend Profundes sagen muss, wirkt der Dramatiker auf Dauer sehr unnahbar und leblos. Da kann auch der wunderbare Lars Eidinger nicht viel ausrichten.

 

Zeitlose Moritate

 

Vor allem aber will der Film am Ende doch zu viel. Allein die Geschichte von Brecht und seinen Mitstreitern und Mitstreiterinnen wäre schon spannend genug gewesen – man vergesse an dieser Stelle nicht, welche Rolle beispielsweise Elisabeth Hauptmann als Übersetzerin der „Beggar’s Opera“ und Ko-Autorin der „Dreigroschenoper“, und auch Brechts Ehefrau Helene Weigel in seinem Kollektiv gespielt haben.

 

Und auch „Die Dreigroschenoper“ selbst schreit eigentlich nach einer eigenen Verfilmung: ein tolles Stück, immer noch aktuell, frech, aufregend und zeitlos. Ganz zu schweigen von der genialen Musik Kurt Weills: Die Songs und Moritate sind nach fast 100 Jahren immer noch ein Ohrenschmaus – sofern man nicht gerade Hannah Herzsprung singen lässt.