Joshua Z. Weinstein

Menashe

Koppel (Eliezer Niborski), The Ruv (Meyer Schwartz), Eizik (Yoel Weisshaus), Rieven (Ruben Niborski), Menashe (Menashe Lustig). Foto: Yoni Brook. Fotoquelle: mindjazz pictures Filmverleih
(Kinostart: 6.9.) Ein liebenswerter Tollpatsch: Regisseur Joshua Z. Weinstein erzählt die Geschichte eines Witwers, der in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde darum kämpft, seinen Sohn allein aufziehen zu können – authentisch und anrührend.

Eine ganz eigene Welt inmitten einer westlichen Metropole: Das Spielfilmdebüt „Menashe“ des Dokumentarfilmers Joshua Z. Weinstein spielt im Milieu ultraorthodoxer New Yorker Juden im Viertel Borough Park in Brooklyn, der größten chassidischen Gemeinde außerhalb Israels. Erzählt wird die Geschichte des Witwers Menashe (Menashe Lustig), der entgegen der Traditionen seiner abgeschotteten, religiös geprägten Umwelt darum kämpft, seinen zehnjährigen Sohn Rieven (Ruben Niborski) allein erziehen zu können.

 

Info

 

Menashe

 

Regie: Joshua Z. Weinstein,

83 Min., USA 2017;

mit: Menashe Lustig, Ruben Niborski, Yoel Weisshaus

 

Website zum Film

 

Menashe arbeitet als Supermarktangestellter und kommt mit seinem Gehalt kaum über die Runden.  Zudem ist er ein wahrer Schlimasel (Unglücksrabe), der mit kleinen Regelverletzungen – etwa einer etwas eigenen Auslegung der orthodoxen Kleiderordnung – immer wieder aneckt und in der Gemeinde für Aufsehen sorgt. Ein Grund mehr für den Rabbi, zu bestimmen, dass Rieven besser bei der Familie seines Onkels aufgehoben sei – zumindest bis Menashe wieder verheiratet ist. Eine Frau muss das Haus sauber halten und für koscheres Essen sorgen.  

 

Das Leben ist kein Wunschkonzert

 

Ein Heiratsvermittler wird eingeschaltet. Als Menashe dann tatsächlich eine Kandidatin trifft, endet das Treffen, wie es zu erwarten war: Er sagt ihr frei heraus, er sei nicht bereit für eine Neuverheiratung, und außerdem sei sie nicht sein Typ. Sie entgegnet, dass sie ihm die Chance auf ein solides, gottgefälliges Leben biete und er ihr – im übertragenen Sinn – ins Gesicht spucke. Das über allem schwebende Diktum dieser Gemeinschaft formuliert ein ultraorthodoxer Bettler, als Menashe ihm kein Almosen gibt: „Sei nicht unchassidisch!“

Offizieller Filmtrailer


 

Ein herzliches Verhältnis

 

Dass Menashe sich zum Trottel macht und damit auch die Familie blamiert, ist die Hauptsorge seiner Verwandten. Immer wieder wird er herablassend bevormundet, bis er sich schließlich wehrt. Um zu zeigen, was in ihm steckt, will Menashe eine Gedenkveranstaltung für seine verstorbene Frau ausrichten. Selbstverständlich führt dies zu einigen weiteren peinlichen Momenten. Doch im Gegensatz zu seinem Schwager erkennt der Rabbi Menashes Bemühungen an, „ein Mensch zu werden“.

 

So stellt er sogar in Aussicht, dass Rieven – unter bestimmten Umständen – eine Zeit lang doch bei Menashe leben könne. Tatsächlich verbindet Menashe mit seinem Sohn ein herzliches und liebevolles Verhältnis  – trotz einiger Höhen und Tiefen in ihrer Beziehung. Aber mit der Gedenkveranstaltung  gelingt Vater und Sohn ein guter gemeinsamer Tag. Am Abend einigen sie sich darauf, dass die Mama wohl stolz gewesen wäre.

 

Authentisches Experiment

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Get: Der Prozess der Viviane Amsalem" - Scheidungsdrama einer orthodoxen Jüdin von Ronit & Shlomi Elkabetz

 

und hier einen Bericht über den Film “Fill the Void – An ihrer Stelle” – über die Rolle der Frau bei orthodoxen Juden in Israel von Rama Burshtein

 

und hier einen Beitrag über den Film "Life in Stills" - Doku über legendäres Fotografen-Ehepaar in Israel von Tamar Tal

 

Weinstein nimmt die Zuschauer in „Menashe“ mit ins Innere einer Gemeinschaft, zu der Außenstehenden die Türen normalerweise verschlossen bleiben. Seinen Film, an dem er zwei Jahre an Originalschauplätzen mit echten Haredim (Ultraorthodoxen) gedreht hat, sieht er als ein durchaus risikobehaftetes ethnografisches Experiment. Hier geht es um Authentizität: Die Kamera ist immer ganz nah dran an den Details und den Personen. Gesprochen wird ausschließlich Jiddisch.

 

Der immer wieder aufblitzende Humor und die Nachvollziehbarkeit der verschiedenen Charaktere machen den Film sympathisch. Der Kampf des Vaters um seinen Sohn und die Reaktionen des Sohns auf die Stimmungsschwankungen und Ausbrüche des Vaters wirken ehrlich und anrührend. Mit der notwendigen Prise Empathie bekommt die Erzählung eine universelle Note.

 

Ultraorthodoxe Comedy

 

Der Hauptdarsteller Menashe Lustig tritt heute als Stand-Up-Comedian auf. Er ist der erste chassidische Jude, der ein eigenes Video auf YouTube veröffentlicht hat (2006). Der Plot des Films beruht in weiten Teilen auf seiner tatsächlichen Geschichte. Dass der Film für ihn ernste Konsequenzen haben und eine Menge Ärger bedeuten könne, hat Lustig bereits angedeutet. Doch er wollte bei diesem Projekt unbedingt dabei sein. Mit allem, was nun kommen könnte, so sagt er, werde er eben leben müssen.