Chris Hemsworth

Bad Times at the El Royale

Billy Lee (Chris Hemsworth). Foto: © 2018 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 11.10.) Erpressung, Mord, Entführung: In einem heruntergekommenen Hotel lassen verschiedene Gauner die Gewalt eskalieren. Kurioser Mix aus Kammerspiel und Mystery-Krimi, dem es nie gelingt, den Zuschauer für seine Figuren zu interessieren.

Das Hotel El Royale am Lake Tahoe, genau an der Grenze von Nevada und Kalifornien, hat zweifellos schon bessere Zeiten gesehen, als dort irgendwann in den 1960er Jahren Pater Daniel Flynn (Jeff Bridges) und die Sängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo) einchecken wollen. In der Hotellobby wartet auch bereits der Staubsaugervertreter Laramie Seymour Sullivan (Jon Hamm) auf ein Zimmer – nur von Personal ist weit und breit nichts zu sehen.

 

Info

 

Bad Times at the El Royale

 

Regie: Drew Goddard,

140 Min., USA 2018;

mit: Chris Hemsworth, Dakota Johnson, Jeff Bridges

 

Website zum Film

 

Kaum, dass die drei Fremden schließlich den einzig verbliebenen Angestellten, einen nervösen jungen Burschen namens Miles (Lewis Pullman), aufgetan haben, trifft auch noch die wortkarge Ruth Summerspring (Cailee Spaeny) ein, die sich im Hotelregister mit einem herzhaften „Fuck You“ einträgt. So viele Gäste auf einmal hat das Hotel schon lange nicht mehr gesehen!

 

Abhör-Wanzen im Telefon

 

Schnell macht der Film deutlich, dass hier kaum jemand das ist, was er oder sie vorgibt zu sein. Mit Sullivan, dem vermeintlichen Staubsaugervertreter, begibt man sich auf eine Tour hinter die Kulissen des Hotels: In seinem Zimmer hat Sullivan bereits diverse Abhör-Wanzen gefunden, nun entdeckt er auch noch einen geheimen Gang, der es ermöglicht, jeweils durch einen Spiegel hindurch in die Zimmer zu sehen und zu filmen. Offenbar betreibt hier jemand Erpressung in großem Stil – und Sullivan ist ein Undercover-Polizist, der in diesem Fall ermittelt.

Offizieller Filmtrailer


 

Ein wilder Mix

 

Sein Blick durch die Spiegelscheiben enthüllt auch die momentanen Beschäftigungen der übrigen Gäste: Der vermeintliche Pater reißt gerade den Dielenfußboden seines Zimmers heraus, unter dem – man hat es bereits in einem Prolog gesehen – jemand vor zehn Jahren etwas versteckt hat. Darlene Sweet, deren Figur deutlich an die 60er-Jahre-Hit-Sängerin Darlene Love angelehnt ist, übt mithilfe eines Metronoms Songs ein. Und Miss Summerspring scheint eine Geisel genommen zu haben, denn in ihrem Raum befindet sich eine weitere junge Frau (Dakota Johnson) – gefesselt und geknebelt.

 

Als Sullivan entgegen der Anweisungen seiner Vorgesetzten in Sachen Geiselnahme einschreitet, brechen für die Handvoll Protagonisten jene schlechte Zeiten an, die der Filmtitel prognostiziert. Doch auch als Zuschauer hat man nicht allzu viel Freude an dieser einigermaßen undefinierbaren Mischung aus Kammerspiel, Mystery-Kriminalfilm und Psychodrama mit plakativen Gewaltausbrüchen.

 

Dem Guru verfallen

 

Denn der größte Fehler von Regisseur Drew Goddard („The Cabin in the Woods“) liegt darin, sich auf sich selbst als Drehbuchautor zu verlassen: Bei einem sehr überschaubaren Personal von nur sieben Charakteren (plus einer Handvoll Statisten) und einer Spieldauer von fast zweieinhalb Stunden gelingt es ihm nicht, auch nur eine einzige interessante Figur auf die Leinwand zu bringen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ocean’s 8" - Remake der Gaunerkomödien-Reihe mit Starbesetzung von Gary Ross

 

und hier einen Bericht über den Film "Molly`s Game - Alles auf eine Karte" - komplexer Thriller im Glücksspiel-Milieu von Aaron Sorkin

 

Manche der Protagonisten, wie Polizist Sullivan oder Miss Summerspring, werden so gut wie gar nicht charakterisiert – sie fallen den nun anhebenden Gewalttätigkeiten sowieso als Erste zum Opfer. Andere, wie die Geisel, die sich als Schwester von Miss Summerspring entpuppt, und der irgendwann auftauchende psychopathische Guru (Chris Hemsworth), dem sie verfallen ist, bekommen zwar kurze Rückblenden spendiert, die ihr Verhalten ansatzweise motivieren sollen – jedoch ohne allzu viel Erfolg.

 

Das postmoderne Tarantino-Syndrom

 

„Bad Times at the El Royale“ leidet stark unter dem Tarantino-Syndrom: Wahllos werden Genres durcheinander geworfen, Filmzitate und popkulturelle Referenzen eingestreut, schließlich ein Schwall wohlfeiler Gewalt darüber gegossen sowie jene postmoderne Ironie, die dem Publikum stets sagt, dass es all dies doch bitte nicht so ernst nehmen soll. Das Ergebnis ist ein Film, bei dem sich der Regisseur unentwegt selbstverliebt auf die Schulter klopft: Schaut her, wie stilvoll mein Film aussieht, wie clever er doch konstruiert ist und welch überraschende Plotwendungen ich gefunden habe.

 

Vergessen hat Goddard dabei, dass sich gutes erzählendes Kino meist durch interessante Geschichten und sorgfältig charakterisierte Figuren auszeichnet: jenen menschlichen Faktor, der es dem Publikum ermöglicht, Motivationen zu verstehen, Handlungen nachzuvollziehen und sich womöglich mit den Protagonisten zu identifizieren. In „Bad Times at the El Royale“ ist dies nicht möglich, eine leblos kalkulierte Konstruktion macht den Film langweilig und unerheblich.