Pegah Ferydoni

Die defekte Katze

Kian (Hadi Khanjanpour) und Mina (Pegah Ferydoni) unter Wasser. Foto: © Alpenrepublik Filmverleih
(Kinostart 4.10.) Lieber knallige oder gedeckte Farben? Nicht nur an der Auswahl des Sofas macht sich in Susan Gordanshekans Drama um eine arrangierte Ehe die Fremdheit der Partner fest. Ein nuancierter Blick auf das Ringen um eine Beziehung.

Der Mittdreißiger Kian (Hadi Khanjanpour) arbeitet als Arzt in Hamburg. Eigentlich ist der nette, zurückhaltende Typ zufrieden mit seinem Leben. Nur in romantischer Hinsicht will es bei ihm einfach nicht klappen. Nach etlichen Blind Dates, die an der Unverbindlichkeit der Partnerinnen scheitern, lässt er sich auf den Rat seiner iranischen Mutter ein, den er zunächst ausgeschlagen hatte: auf „traditionellem“ Weg nach einer Frau zu suchen.

 

Info

 

Die defekte Katze

 

Regie: Susan Gordanshekan,

99 Min., Deutschland 2018;

mit: Pegah Ferydoni, Hadi Khanjanpour, Henrike v. Kuick

 

Website zum Film

 

In seinem Fall wird die Ehe jedoch nicht von der Familie, sondern von einer professionellen Vermittlerin arrangiert. Die im Iran lebenden Mina (Pegah Ferydoni, bekannt aus „Türkisch für Anfänger“) entscheidet sich für ihn. Auch sie hat sich mit Anbahnung von Beziehungen bisher eher schwer getan, nun steigt der familiäre Druck. Mit 31 Jahren gilt sie in ihrer Heimat nämlich fast schon als zu alt zum Heiraten.

 

Videogucken in der Hochzeitsnacht

 

Und so sitzen die beiden plötzlich zusammen in ihrer neubezogenen Wohnung in Hamburg und sind einander ganz schön fremd. Schließlich kennen Kian und Mina einander kaum. In der ersten Nacht, die sie dort verbringen, gucken sie auf dem Bett sitzend auf dem Laptop ihr Hochzeitsvideo. Mehr verbindet die beiden ja nicht miteinander.

Offizieller Filmtrailer


 

Sanfte Emanzipation

 

Das weitere Kennenlernen gestaltet sich dann auch komplizierter als erwartet. Beide haben eigentlich beste Absichten, schließlich haben sie sich freiwillig und mit positiven Erwartungen auf dieses Arrangement eingelassen. Nicht zuletzt suchen sie die Liebe. Und doch erweisen sie sich als zu unterschiedlich: Mina will beim gemeinsamen Besuch im Möbelhaus – sowieso ein Härtetest für jedes Paar – das knalligfarbene Sofa. Er dagegen mag es eher gedeckt.

 

Sie entdeckt Freiräume, die sie in ihrer Heimat nicht hatte, geht tanzen und ins Schwimmbad. Kurzum: Sie emanzipiert sich auf diskrete, stille Weise. Der westlich sozialisierte Kian verschanzt sich hingegen hinter seiner Arbeit und ist zugleich enttäuscht von ihrer wenig häuslichen Art. Er ist kein Mann vieler Worte. Trotzdem ist offenbar selbst  etwas erschrocken über sich, als er, eigentlich ein sanfter, gar nicht mackerhafter Typ, plötzlich Forderungen in den Raum stellt.

 

Katze als Katalysator

 

Die beiden pendeln zwischen Annäherung und Rückschritt und stoßen schnell an die Grenzen wechselseitiger Erwartungen. Aus Einsamkeit schafft Mina sich eine schmutziggraue Zottelkatze an, ein hässliches Biest, zudem noch mit schlechten Manieren. Das Vieh entleert sich bevorzugt auf Kians Klamotten und verhält sich völlig konträr zu seinem Bedürfnis nach Aufgeräumtheit. Irgendwann sperrt Kian die Katze weg.

 

Die wird zur Metapher, aber auch zu einer Art von Katalysator für die Beziehung zwischen Kian und Mina. Nachdem sie sich ihren eigenen Erwartungen und denen der Familie endlich widersetzt haben und die Trennung beschlossene Sache ist, sorgt ausgerechnet die Katze dafür, dass sich die beiden wiedertreffen.

 

Unverkrampfte Annäherung

 

Die in Deutschland geborene Filmemacherin Susan Gordanshekan, die ihrerseits iranische Eltern hat, beobachtet mit ihrem über weite Strecken kammerspielartigen Film nuanciert, klischee- und wertungsfrei die Dynamik dieser arrangierten Ehe.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Teheran Tabu" - Animationsfilm über die zynische Gesellschaft im Iran von Ali Soozandeh

 

und hier einen Bericht über den Film  "Im Bazar der Geschlechter" – prägnante Doku über Ehe auf Zeit + Prostitution im Iran von Subadeh Mortezai

 

und hier einen Beitrag über den Film „Nader und Simin – eine Trennung“  – Oscar-prämiertes Meisterwerk über eine Ehekrise von Asghar Farhadi

 

Mit ihrem Langfilmdebüt nähert sie sich unverkrampft Themen, die in der gegenwärtigen aufgeheizten Diskussion über die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern eher negativ befrachtet sind: orientalische Modelle von Männlichkeit – auch wenn Kian kein prototypischer Macker ist – und arrangierte Ehen.

 

Ringen um die Beziehung

 

Weder kritisiert noch verteidigt Gordanshekan diese Ehe, sie betrachtet statt dessen nüchtern und mit Aufmerksamkeit für Details die psychologische Dynamik zwischen zwei Menschen. Und die Unsicherheiten, mit denen sie sich unabhängig vom kulturellen Kontext herumschlagen.

 

Fast nebenbei wird durch die Dialoge, mit denen die beiden einander abtasten, offenbar, dass eine auf arrangiertem Weg entstandene Beziehung schnell an einen ähnlichen Punkt geraten kann wie eine romantisch motivierte. Mina und Kians Beziehung geht zwar auf eine Tradition unfreier Partnerwahl zurück. Ihr fein beobachtetes Ringen um eine Beziehung, die für beide funktioniert, ist jedoch weit weniger kulturspezifisch.