Matteo Garrone

Dogman

Marcello (Marcello Fonte) betreibt einen kleinen Hundesalon, in dem er sich liebevoll um die Vierbeiner kümmert. Foto: Alamode Filmverleih
(Kinostart: 18.10.) Der Hundefrisör und die Macht des Verbrechens: Regisseur Matteo Garrone erzählt mit seinem brillanten Hauptdarsteller Marcello Fonte die Geschichte eines Außenseiters, der vergeblich versucht, sich aus dem Griff der Gewalt zu befreien.

Nachdem er in seinem vorherigen Spielfilm „Das Märchen der Märchen“ in magische, märchenhafte Welten abgetaucht war, kehrt der italienische Regisseur Matteo Garrone mit seinem Cannes-Wettbewerbsbeitrag „Dogman“ nun in die bekannten Gefilde seines größten Erfolges „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ zurück: in den italienischen Süden, wo Armut und die Mafia herrschen und sein unkonventioneller Held – ein Hundefrisör – sich standhaft, aber vergeblich bemüht, den Fängen der Unterwelt zu entkommen.

 

Info

 

Dogman

 

Regie: Matteo Garrone,

102 Min., Italien/ Frankreich 2018;

mit: Marcello Fonte, Edoardo Pesce, Nunzia Schiano

 

Website zum Film

 

Marcello (der Newcomer Marcello Fonte in seiner ersten großen Rolle) könnte harmloser kaum sein: Mit seinen hängenden Augenlidern, dem schiefen, stets unsicher lächelnden Mund und seiner fast kleinwüchsigen Gestalt, wirkt er in dem kargen, heruntergekommen Viertel einer süditalienischen Ortschaft wie ein Fremdkörper. In einem kleinen Laden hat sich Marcello eine ordentliche Existenz aufgebaut: Er betreibt einen Hundesalon, in dem er die Vierbeiner des Viertels – vom Pudel bis zum Kampfhund – wäscht und frisiert. Mit seinen eigenen Tieren nimmt er durchaus erfolgreich an Hundeschauen teil.

 

Wie ein Hund

 

Nebenbei verkauft er aber auch Koks. Wie es dazu kam, ist ein Rätsel – vielleicht hat Marcello damit angefangen, um den berüchtigten, grobschlächtigen Simoncino (Edoardo Pesce) mit der Droge zu versorgen. Denn so brutal der Schläger oft auch agiert: Marcello will sein Freund sein. Was allerdings vor allem dazu führt, dass er sich von Simoncino herumschubsen lässt und ihm wie ein Hund hinterherläuft. Simoncinos brutales Verhalten stößt zwar sämtlichen Bewohnern des Viertels sauer auf, doch was will man machen?

Offizieller Filmtrailer


 

Kein Spielball eines Kriminellen

 

Zur Polizei kann und will man nicht gehen. Die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wäre eine Möglichkeit, doch dazu fehlt den Spielhallen-, Bar- und Schmuckgeschäft- Besitzern der Gegend dann doch der Mut. Irgendwann wird sich die Sache von selbst erledigen, sagt einer von ihnen und soll auf unerwartete Weise recht behalten. Denn nachdem Marcello wegen eines von Simoncino verübten Einbruchs, den er aus Angst und Naivität auf sich genommen hat, ein Jahr im Gefängnis war, will er nicht länger Spielball des Schlägers sein.

 

Für seine berührende Darstellung wurde Marcello Fonte in Cannes mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet, und das völlig zurecht. Ist er es doch, der Matteo Garrones Film Leben einhaucht. Eine viel kleinere Geschichte als in seinem brillanten Mafia-Drama „Gomorrha“ erzählt Garrone diesmal, und beschränkt sich in „Dogman“ ganz auf eine Figur, der er in einer Weise nahe zu kommen sucht, die an den italienischen Neorealismus erinnert. Marcello agiert weniger aus eigenen Antrieb, denn aufgrund der Umstände, in denen er lebt, ohne daran etwas ändern zu können.

 

Triumph der Umstände

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Märchen der Märchen" - bizarre Verfilmung dreier klassischer italienischer Märchen von Matteo Garrone

 

und hier einen Bericht über den Film "Das Land der Heiligen" - origineller Film über die italienische Mafia von Fernando Muraca

 

und hier einen Beitrag über den Film "Tu Nichts Böses - Non essere cattivo" – packende Drogenmilieu-Sozialstudie aus Ostia von Claudio Caligari

 

Zwar hat Marcello eine Tochter, und vor Jahren folglich eine Beziehung mit einer Frau, doch ansonsten sind seine sozialen Kontakte beschränkt. Wenn sich die anderen Männer der Ortschaft unterhalten, steht er am Rand. Der Wunsch nach einem Freund ist ebenso offensichtlich wie verständlich. Dass sich Marcello dafür ausgerechnet den Schläger Simoncino ausgesucht hat, mag konstruiert wirken, doch dank des Spiels von Marcello Fonte wirkt diese Konstruktion folgerichtig und glaubwürdig.

 

Welche Leinwandpräsenz der Quasi-Laie Fonte mitbringt, ist erstaunlich. In fast jeder Szene von „Dogman“ ist er zu sehen, stets bleibt die Kamera unerbittlich auf seinem ausdrucksstarken Gesicht, in dem all das Leiden zu sehen ist, dem Marcello schließlich nichts entgegenzusetzen hat. So sehr er sich auch bemüht, ein bescheidenes und anständiges Leben zu führen, am Ende siegen die Umstände über sein Wesen.

 

Opfer der Lebensumstände

 

Ein schlechter Mensch ist er nicht wirklich, doch angesichts der harschen, schonungslosen Welt, in der er existiert, ist auch er nicht davor gefeit, zum Mörder zu werden. Deterministisch mutet es an, wie Garrone seinen Held als Opfer der Umstände zeigt. Dass diese eigentlich oft unerträgliche Geschichte nicht zu einem ebensolchen Film wird, ist die große Kunst Garrones, der in seinem Hauptdarsteller Marcello Fonte zudem einen kongenialen Mitstreiter gefunden hat.