Isabel Gathof

Moritz Daniel Oppenheim – Der erste jüdische Maler

Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882): Selbstporträt als Dandy (Copyright: © Feinshmeker Film). Fotoquelle: Real Fiction
(Kinostart: 25.10.) Es bleibt in der Familie: Moritz Daniel Oppenheim war der erste akademisch ausgebildete jüdische Maler in Deutschland. Regisseurin Isabel Gathof würdigt seinen Beitrag zur jüdischen Emanzipation und vernachlässigt seine Stellung in der Kunstgeschichte.

Ein Bild von Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882) kennt fast jeder: Sein Porträt von Heinrich Heine (1797-1856), auf dem er sich lässig auf einer Stuhllehne abstützt, ist zum kanonischen Bildnis des romantischen Dichters geworden. Es hängt in der Hamburger Kunsthalle.

 

Info

 

Moritz Daniel Oppenheim
– Der erste jüdische Maler

 

Regie: Isabel Gathof,

100 Min., Deutschland 2017;

mit: Esther Graf, Erik Riedel, Rabbi Yehuda A. Horovitz

 

Website zum Film

 

Ansonsten ist das umfangreiche Werk Oppenheims heute weitgehend vergessen – dieses Schicksal teilt er mit vielen Künstlern der ersten beiden Drittel des 19. Jahrhunderts. Ihre bienenfleißige, handwerklich akkurate Bildproduktion zu allen möglichen Sujets von Landschaften bis zu Historien-Panoramen gilt als überholt und verstaubt; Ausnahmen wie Caspar David Friedrich, Carl Blechen oder Adolph Menzel bestätigen die Regel.

 

Stärke wird zur Schwäche

 

Die junge Regisseurin Isabel Gathof will Oppenheim rehabilitieren: als herausragenden Protagonisten der Emanzipation des deutschen Judentums. Das gelingt ihr streckenweise recht anschaulich. Doch diese Stärke wird zugleich zur Schwäche ihres Films: Vor lauter Konzentration auf innerjüdische (Familien-)Angelegenheiten kommen Oppenheim als Maler und seine Position in der Kunstgeschichte kaum zur Sprache.

Offizieller Filmtrailer


 

Kunstagent für Bankier Rothschild

 

Oppenheims Eltern zählten zum jüdisch-orthodoxen Kleinbürgertum in Hanau; sie förderten früh das Zeichentalent ihres Sohnes. Bereits als 14-Jähriger kopierte er italienische Alte Meister aus einer gräflichen Sammlung. Ab 1818 besuchte er die Münchener Kunstakademie, danach das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt. Von 1820 an bereiste er fünf Jahre lang Paris und Italien.

 

In Rom schloss er sich der deutschen Künstlergruppe der Nazarener an – obwohl diese stark christlich geprägt war, während Oppenheim seinem Glauben treu blieb. Eine Konversion lehnte er ab, was ihm Nachteile eintrug: So wurde ihm 1824 der erste Preis in einem Zeichenwettbewerb aberkannt. In Neapel traf er seinen künftigen Mäzen Carl Mayer von Rothschild; für den Bankier wurde er als Kunstagent tätig. Zurück in Frankfurt, etablierte er sich als gefragter Porträtist des jüdischen Bürgertums – selbst Goethe ließ sich von Oppenheim malen, der auch seine literarischen Werke illustrierte.

 

Leerstelle mit Denkmal gefüllt

 

Die Stationen seiner Lehr- und Wanderjahre samt künstlerischem Werdegang hakt Regisseurin Gathof rasch ab. Stattdessen begibt sie sich auf Spurensuche in ihrer Heimatstadt Hanau – und steht vor dem gleichen Problem wie etliche Dokumentationen zu jüdischem Leben in Deutschland: Das Meiste ist verschwunden. Oppenheims Geburtshaus fiel Kriegszerstörung und Wiederaufbau zum Opfer; Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof bieten nur dürftigen Ersatz.

 

Die Leerstelle füllt Gathof mit zweierlei. Erstens begleitet sie die Entstehung eines Doppel-Denkmals für Oppenheim in Hanau. Der Bildhauer Pascal Coupot gestaltet eine konventionell figurative Statue, sein Kollege Robert Schad ein überdimensionales „Tanzendes Bild“ als Stahlstangen-Geflecht; beides dokumentiert der Film ermüdend ausführlich.

 

Kassenschlager zum Familienleben

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Prinz und der Dybbuk" - fesselndes Doku-Porträt eines jüdisch-polnisch-italienischen Hochstapler-Regisseurs von Elwira Niewiera + Piotr Rosołowski

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst" des 19. Jahrhunderts im Museum LA8, Baden-Baden

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "R.B. Kitaj (1932 – 2007): Obsessionen" - Retrospektive des jüdischen Künstlers in Berlin + Hamburg.

 

Zweitens lässt die Regisseurin Kunsthistoriker und Nachfahren ausgiebig von Oppenheims Lebenslauf und Verwandtschaft erzählen, was oft verwirrend kleinteilig gerät. Da werden Stammbäume ausgerollt, Inventarlisten und Fotoalben aufgeblättert – zum Verständnis seiner Künstlerbiographie trägt das wenig bei. Am ehesten noch beim US-Rabbi Yehuda A. Horovitz, der von Hanauer Rabbinern abstammt: Er erläutert detailliert, wie präzise Oppenheim die Lebenswelt frommer deutscher Juden seiner Zeit einfing.

 

Mit dem Zyklus „Bilder aus dem altjüdischen Familienleben“ gelang ihm 1866 sein größter Erfolg: Das Grafik-Album wurde ein Kassenschlager, vielfach übersetzt und neu aufgelegt. In malerischen Genreszenen entwarf Oppenheim das Sitten-Panorama eines traditionellen jüdischen Bürgertums, das mit sich und der Welt völlig im Reinen scheint. Behaglich, betulich und possierlich – sozusagen als semitischer Carl Spitzweg.

 

Inwieweit diese Idyllen schon damals sentimentaler Nostalgie entsprangen, die den Konflikten der Zeit zwischen Assimilation und Diskriminierung aus dem Weg gehen wollte, thematisiert der Film kaum. Da zeigt sich Regisseurin Gathof als ebenso harmoniebedürftig wie die Liebhaber dieser Bilder.