Ken Scott

Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte

Die Liebe seines Lebens: Aja (Dhanush) kann Marie (Erin Moriarty) nicht mehr vergessen. Foto: capelight pictures und SquareOne Entertainment
(Kinostart 29.11.) Bollywood im Flüchtlingslager: Ein Fakir aus Indien sucht in Paris nach Reichtum und seinem Vater – und findet statt dessen die Liebe. Dieser charmanten und unterhaltsamen Odyssee verzeiht man manche Überdrehtheit.

Aja (Dhanush) verdient seinen Lebensunterhalt auf den Straßen von Mumbai. Der junge Mann und seine Gang führen Zauberkunststücke auf und nehmen nebenbei naive Touristen aus. Der vermeintliche Fakir ist mit allen Wassern gewaschen, seine Nachbarschaft kennt er ganz genau. Mit diesem Heimvorteil und seinem beträchtlichen Charme hält er sich und seine alleinerziehende Mutter über Wasser.

 

Info

 

Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte

 

Regie: Ken Scott,

100 Min., Indien/ Frankreich/ Belgien 2018;

mit: Dhanush, Bérénice Bejo, Erin Moriarty

 

Weitere Informationen

 

Die arbeitet als Wäscherin für einen Hungerlohn. Ajas Vater, der einst als Tourist in Indien unterwegs war, wird als Straßenkünstler in Paris vermutet. Als Aja ein Katalog eines schwedischen Möbelhauses in die Hände fällt, entdeckt er die Verlockungen der westlichen Welt. Die bunten Bilder und glitzernden Konsumversprechen wecken in Aja eine Sehnsucht nach einem Leben voller Annehmlichkeiten.

 

Falschgeld und die Asche der Mutter

 

Er nimmt sich vor, nach Europa zu reisen, seinen Vater zu finden und dabei auch noch reich zu werden. Als seine Mutter stirbt, sieht er seine Chance gekommen. Er macht sich auf den Weg in die „Stadt der Liebe“; im Gepäck einen Reisepass und einen 100-Euro-Schein – der allerdings gefälscht ist. Und zudem die Asche seiner Mutter, die er zum Eiffelturm bringen will.

Offizieller Filmtrailer


 

Ikea als Sehnsuchts-Ort

 

Noch nie war der junge Mann außerhalb seines Viertels, Englisch spricht er mehr schlecht als recht: In fernen Europa ist Aja plötzlich der naive Tourist, der von den Einheimischen ausgenommen wird. „Das erste Mal in Paris?“ fragt der Taxifahrer und reibt sich die Hände, als der junge Inder in sein Taxi steigt. Seltsamerweise lässt der sich direkt zum nächstbesten Ikea fahren.

 

Charmant, wie die in der ersten Filmminuten skizzierten Szenarien nun umgekehrt werden: Plötzlich muss sich der ahnungslose Aja in der Fremde zurechtfinden. Mit gutem Timing und einem feinen Gespür für das Skurrile am Reisen hat Regisseur Ken Scott die Dialoge wunderbar in Szene gesetzt – ebenso wie viele der Details. Angesichts der märchenhaften Überhöhung, die sich durch den ganzen Film zieht, dürfen auch gelegentliche Bollywood-Tanzeinlagen nicht fehlen.

 

Odyssee als Flüchtling

 

Wem jetzt schon der Kopf schwirrt, der sei gewarnt: All das ist nur der Prolog zur eigentlichen Geschichte von „Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte“. Diese Reise beginnt nämlich erst in jener Pariser Ikea-Filiale, in der Aja den Alltagskomfort bestaunt und sich zudem auch noch in die Amerikanerin Marie (Erin Moriatry) verliebt.

 

Bevor Aja zu ihrer Verabredung am Eiffelturm kommen kann, wird er jedoch durch einen dummen Zufall samt dem titelgebenden Kleiderschrank abtransportiert. Bald findet er sich in einem LKW wieder, der mit Flüchtlingen aus Afrika Richtung Großbritannien unterwegs ist. Aja büßt seinen Reisepass ein und wird ebenfalls für einen Flüchtling gehalten.

 

Immer noch wartet das Date

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films “Ein Junge namens Titli” – brillantes Kleingangster-Drama in Neu-Dehli von Kanu Behl

 

und hier eine Besprechung des Films "Umrika" – verschachteltes Auswanderer-Drama aus Indien von Prashant Nair

 

und hier einen Beitrag über den Film “Englisch für Anfänger” – pointierte Multikulti-Emanzipations-Komödie über eine Inderin in New York von Gauri Shinde.

 

Nach einer Odyssee quer durch Europa landet er in einem Camp in Libyen. Dank seiner Fakir-Geheimtricks gelingt ihm trotzdem die Rückkehr nach Paris. Schließlich steht immer noch seine Verabredung mit Marie aus. Märchenhaft anmutende, ganz für sich stehende Szenen sind in diesem Feelgood-Film auf stimmige Weise in Ajas großes Abenteuer eingeflochten.

 

Dabei sind wichtige Rollen mit namhaften Schauspieler besetzt: Ben Miller gibt den sadistischen Polizisten, der Ajas Reisepass schreddert; Bérénice Bejo eine Filmdiva in Rom, die dem jungen Mann auf die Sprünge hilft, und der Franzose Gérard Jugnot hat als schlitzohriger Taxifahrer die Lacher auf seiner Seite.

 

Die Welt spricht Englisch

 

Man mag den vollgepackten Film streckenweise albern oder überkandidelt finden. Doch als Bollywood-Märchen genommen, das sich traut, auch aktuelle politische Bezüge in die Handlung einzubauen, ist er ein durchaus unterhaltsames und farbenfrohes Vergnügen.

 

Wenn möglich, sollte man sich diesen kurzweiligen Ritt unbedingt in der Originalfassung ansehen. Die deutsche Synchronfassung nervt nämlich bereits nach zehn Minuten: Bis auf die Muttersprachlerin Marie radebrechen sich alle Figuren mit unterschiedlichsten Akzenten durch die an sich charmanten Dialoge. Dass Menschen aus aller Welt sich auf Englisch verständigen, lässt sich eben nicht einfach ins Deutsche übertragen.