Ethan Hawke

Juliet, Naked

Annie (Rose Byrne) findet Gefallen an Tucker Crowe (Ethan Hawke). Foto: © 2018 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 15.11.) Du und Dein Star: Ein Ex-Rocker verliebt sich in die Partnerin seines größten Fans. Warmherzige Tragikomödie von Regisseur Jesse Peretz nach einer Vorlage des Pop-Literaten Nick Hornby, die etwas vorhersehbar gestrickt ist.

Annie (Rose Byrne) lebt in der biederen englischen Küstenstadt Sandcliff und ist von ihrem Leben extrem gelangweilt. Jeden Tag die gleichen Gesichter, die gleichen Abläufe und die gleichen Enttäuschungen: Ihr Job im lokalen Heimatmuseum bietet der fast 40-Jährigen weder Herausforderung noch Anerkennung.

 

Info

 

Juliet, Naked

 

Regie: Jesse Peretz,

105 Min., Großbritannien/ USA 2018;

mit: Ethan Hawke, Rose Byrne, Chris O'Dowd

 

Website zum Film

 

Mit der Zeit hat sich Annie in eine stille, graue Maus verwandelt. Auch in ihrer Beziehung fühlt sie sich einsam und missachtet. Ihr Partner Duncan (Chris O’Dowd) verbringt seine Freizeit nämlich vor allem mit der Jagd nach einem Phantom: dem verschollenen Rockstar Tucker Crowe (Ethan Hawke).

 

Seit 25 Jahren weg vom Fenster

 

Dieser feierte Anfang der 1990er Jahre mit dem Album „Juliet“ einen beachtlichen Erfolg und war ein aufgehender Stern am Musikerhimmel. Doch während eines Gigs vor 25 Jahren verschwand er plötzlich; seither wurde er nicht mehr gesehen.

Offizieller Filmtrailer


 

Demoband des Debütalbums

 

Mit kindischer Hysterie fachsimpeln Duncan und eine Handvoll treuer Fans über den Verbleib von Tucker Crowe; dazu sammeln sie jeden Schnipsel über den Musiker. Verschrobene Verschwörungstheorien sind Duncans Lieblingsbeschäftigung; bei jeder Gelegenheit schwadroniert der ansonsten eher fade Mann vor Bekannten oder auf seiner Fan-Website über den rätselhaften Promi.

 

Kein Wunder, dass Annie gereizt reagiert, als Duncan ein uraltes Demoband zugespielt bekommt. „Juliet, Naked“ heißt die Rohfassung des damals erfolgreichen Debütalbums; es sorgt für Aufruhr unter den „Crowologen“.

 

Musiker bedankt sich für Verriss

 

Voller Frust postet Annie im Internet einen wütenden Verriss über das unreife Werk. Sie ist nicht wenig verwundert, als sie prompt eine Antwort-Email aus Amerika erhält: Tucker Crowe höchstpersönlich, vom ewigen Rummel um sein Jugendwerk schwer genervt, bedankt sich für Annies ehrliche Worte.

 

Nachdem sich die erste Überraschung gelegt hat, entspinnt sich zwischen Annie und Tucker eine geheime Brieffreundschaft. Die Beiden begegnen sich – im Schutze von Anonymität und Entfernung – so offen, wie es oft nur Fremden möglich ist. Schnell finden sie heraus, dass sie an ganz ähnlichen Punkten im Leben stehen: Auch Tucker fühlt sich festgefahren und enttäuscht; er kann sich Fehler in seiner Vergangenheit nicht verzeihen.

 

Hoffnungen auf Neuanfang

 

Der vermeintlich schillernde Star ist in Wirklichkeit ein frustrierter Versager, der in einer Garage wohnt und seit Jahren keine Gitarre mehr angefasst hat. Kummer über verpasste Chancen und die Hoffnung auf einen Neuanfang verbindet die Beiden; das bringt sie Zeile für Zeile näher. In diesem Email-Austausch liegen Stärke und Schwäche des Filmes.

 

Einerseits hört man sofort die pointierte und witzige Sprache von Nick Hornby heraus. Der britische Schriftsteller ist auf Popkultur-Themen spezialisiert; seine Romane haben schon oft als Vorlagen für Drehbücher gedient, etwa für „High Fidelity“, im Jahr 2000 von Stephen Frears verfilmt. Auch in „Juliet, Naked“ von 2009 bringt Hornby Skurrilitäten des Alltags und Reflektionen über das Leben schlau und liebevoll auf den Punkt.

 

Film verliert Reiz der Schriftform

 

Hintergrund

 

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Andererseits: Was in einem Roman wunderbar funktioniert, kann im Kino auf Dauer doch recht flach und vorhersehbar wirken. Mit langen inneren Monologen soll schnell die benötigte Nähe hergestellt werden, damit sich Annie und Tucker drehbuchgerecht bald treffen können. Der Reiz, den solch langsame Annäherung in Schriftform hat, geht in der Filmfassung fast gänzlich verloren.

 

„Juliet, Naked“ ist fraglos ein unterhaltsamer Film mit viel Charme, aber dennoch geht das gesamte Konzept nicht wirklich auf. Wunderbar stimmige Szenen amüsieren und berühren, aber dann gerät der Plot wieder ins Stocken. Informationen werden arg bemüht verhandelt; so geht die gerade gewonnene Atmosphäre wieder verloren.

 

Ethan Hawke reißt es raus

 

Das ist sehr schade, weil einzelne Szenen grandios ausfallen: Beispielsweise liegt Tucker nach einem Herzanfall im Krankenbett. Immer mehr Exfrauen und Kinder tauchen auf, um sich von dem vermeintlich Sterbenden zu verabschieden. Statt Ruhe und Anteilnahme erlebt Tucker nun einen Wirbelwind aus Vorwürfen, Szenen und Turbulenzen; sie lassen rasch erahnen, was der Patient für ein Leben geführt hat.

 

Annie findet sich in diesem Hexenkessel wieder und muss entscheiden, ob sie sich darauf einlassen will. Gibt es eine Zukunft für den Chaoten aus Amerika und die brave englische Kleinstädterin? Die Antwort ist überraschungsarm. Dass man trotzdem am Ball bleibt, liegt einmal mehr an Ethan Hawke; mit lässigem Understatement erscheint er humorvoll und anziehend wie immer. Kaum einem anderen Schauspieler gelingt es derart spielerisch, trotz aller Fehltritte seiner Figuren stets sympathisch zu bleiben; das färbt auch auf diesen Film ab.