Filme über die Schrecken der Welt zu machen, ist ein nachvollziehbares Anliegen. Seit es Kunst gibt, gehört das Ausmalen und Bebildern aller erdenklichen Qualen und Finsternisse zu ihren Sujets. Keineswegs aber entsteht da, wo Gewalt explizit ins Bild gesetzt und die Namen von Menschheits-Ungeheuern entgegen den Regeln politischer Korrektheit angerufen werden, automatisch die Bedeutung, die sich der Regisseur erhofft haben mag.
Info
The House That Jack Built
Regie: Lars von Trier,
155 Min., Dänemark/ Deutschland/ Frankreich/ Schweden 2018;
mit: Matt Dillon, Bruno Ganz, Uma Thurman
Möchtegern-Architekt mordet Anhalterin
„The House That Jack Built“ erzählt in fünf „Vorfällen“ und einem Epilog von Jack (Matt Dillon): Der Ingenieur wäre lieber Architekt und hält sich außerdem für einen großen Künstler – als Serienmörder. Vorfall Eins zeigt ihn als unsicheren und verstockt wirkenden Mann; er wird von einer durchaus anstrengenden Frau (Uma Thurman), die er als Anhalterin am Wegesrand aufliest, so lange provoziert, bis er sie mit ihrem eigenen Wagenheber erschlägt. Damit beginnt das Morden.
Offizieller Filmtrailer
Abgrundtiefe Gleichgültigkeit der Welt
Allerdings entwickelt Jack auch in der Rolle eines Killers kaum eine eigene Handschrift, sondern stolpert eher durch seine eigene Geschichte. Auch der Film wirkt unentschlossen, ob er sie als schwarze Komödie, Drama oder suspense story erzählen soll. Immerhin wird Jack aber von Vorfall zu Vorfall eloquenter und männlich unrasierter.
Dabei erscheinen sowohl seine Morde wie auch seine Nichtentdeckung in erster Linie dem Zufall geschuldet – oder der abgrundtiefen Gleichgültigkeit der Welt. Von der hat Jack ein tiefes Verständnis; das führt er im vierten Vorfall – seiner kurzlebigen Beziehung mit Jaqueline (Riley Keough), die er in jäh erwachtem Übermenschentum „Simple“ („Dummchen“) nennt – ausführlich vor Augen.
Hitler-Darsteller als Sparringspartner
Doch es gibt noch mehr, womit Jack sich auskennt: mit der abendländischen Kultur- und Kunstgeschichte, von ihren Ritualen und Techniken wie Jagd und Weinbau bis zu ihren ikonischen Kunstwerken und deren Schöpfern. Unter letzteren räumt Jack – selbstredend – Mao, Stalin und Hitler prominente Plätze ein.
Seine Ansichten und sein Handeln diskutiert Jack von Beginn an im Off mit einem gewissen Verge. Der wird gesprochen, und gegen Ende auch gespielt, von Bruno Ganz. Er ist seit „Der Untergang“ (2004) von Oliver Hirschbiegel der wohl bekannteste Hitler-Darsteller der jüngeren Kinogeschichte; als europäischer Großschauspieler bringt er das nötige Gewicht mit, um den Dialogen mit Jack auf dem Weg in die Hölle wahrhaft Dantesche Züge zu verleihen.
Eigene Filme im Kultur-Pantheon
Hintergrund
Lesen Sie hier eine positive Besprechung des Films "The House That Jack Built - Pro" von Lars von Trier
eine Rezension des Films "Nymphomaniac - Teil 1" - mit Charlotte Gainsbourg von Lars von Trier
und hier einen Beitrag über den Film “Nymphomaniac – Teil 2″ - von Lars von Trier mit Charlotte Gainsbourg
und hier ein Interview mit Charlotte Gainsbourg: “Ich war für anstößigen Sex zuständig” - über den Film "Nymphomaniac".
und hier einen Bericht über das Weltuntergangs-Epos "Melancholia" - von Lars von Trier mit Kirsten Dunst
Vor allem aber ermöglicht diese Konstruktion von Trier, neben dem Serienkiller-Plot einen Essayfilm zu installieren, in dem er Filmaufnahmen und Fotos von Persönlichkeiten der Weltgeschichte, Erklärvideos und Abbildungen großer Kunstwerke nach Belieben aneinander reiht. Sequenzen aus dem eigenen Œuvre – etwa die Qualen, die Willem Dafoe in „Antichrist“ (2009) erleidet, oder die Weltuntergangsszene aus „Melancholia“ (2011) – präsentiert der dänische Meisterregisseur in diesem Zusammenhang ganz selbstverständlich besonders prominent.
Männer machen Kunst, Frauen leiden
Keine Frage, dass hier einmal mehr alle Kunst- und Kulturträger als männlich und Frauen allein als Opfer auftreten dürfen. Klar ist auch, dass Jack am Ende sehr endgültig scheitern muss. Immerhin hierfür findet der Epilog nach mehr als zwei Stunden Spielzeit ohne wirkliche Höhepunkte eine fulminante Bildwelt.
Das reicht aber keinesfalls aus, um dem Großkünstlertum zu entsprechen, das zuvor Jack und sein Regisseur auf ihrem doppelten Egotrip behauptet haben. Oder wenigstens für die gebotenen Geschmacklosigkeiten zu entschädigen.