Dennis Hopper

The Last Movie (WA)

Die Nachtclub-Sängerin (Poupée Bocar). Foto: Rapid Eye Movies
(Kinostart: 27.12.) Ein Meta-Western über die Fallstricke der eigenen Psyche: Nach "Easy Rider" scheiterte Dennis Hopper 1971 mit seinem zweiten Film – ebenso wie die Hauptfigur, ein Aussteiger in Peru. Der verhinderte Klassiker kommt digital restauriert neu ins Kino.

Es gibt Filme, deren mythischer Ruf vor allem in ihrer Entstehungsgeschichte begründet liegt. Etwa, weil sie Filmstudios in den Ruin trieben, wie Michael Ciminos „Heaven’s Gate“ (1980); oder weil sie ganze Landstriche mit Prostitution und Chaos überzogen, wie Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ (1979).

 

Info

 

The Last Movie (WA)

 

Regie: Dennis Hopper,

108 Min., USA 1971

mit: Dennis Hopper, Toni Basil, Kris Kristofferson, Peter Fonda

 

Weitere Informationen

 

Ähnlich – wenn auch in kleinerem Rahmen – verhält es sich mit Dennis Hoppers ambitioniertem Projekt „The Last Movie“ von 1971. Nach einer wechselvollen Entstehungsgeschichte floppte der Film; das hätte den Regisseur fast seine Karriere gekostet. Nun erhält er rund 45 Jahre später in der digital restaurierten Fassung eine zweite Chance in den Kinos.

 

Möglichst weit weg von Hollywood

 

1969 hatte Hopper mit „Easy Rider“ nicht nur einen Hit an den Kinokassen, sondern zudem einen Kultfilm geschaffen. Zusammen mit Jack Nicholson und Peter Fonda stieß er damit das New-Hollywood-Kino an. Derart mit Vorschusslorbeeren ausgestattet, ließen ihm die Universal Studios für sein nächstes Regie-Projekt weitgehend freie Hand. Das wusste der eigenwillige Hopper zu nutzen. Er nahm das Geld und bewegte sich schon räumlich möglichst weit weg von Hollywood: in die peruanischen Anden.

Offizieller Filmtrailer


 

Selbstreflexiv bis an die Schmerzgrenze

 

Mit dabei war ein Teil der damaligen Crème de la Crème der Traumfabrik: unter anderem der Schauspieler und Sänger Kris Kristofferson, Peter Fonda, Michelle Phillips – die Sängerin der „The Mamas and the Papas“ gab hier ihr Filmdebüt – und Regisseur Samuel Fuller, der sich im Film selbst spielt.

 

Als Co-Autor holte Hopper sich Steward Stern an seine Seite, von dem unter anderem das Drehbuch für den James Dean-Hit „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ (1955) stammt. Selbstreflexiv bis an die Schmerzgrenze – und bisweilen darüber hinaus – erzählt „The Last Movie“ von aufreibenden Dreharbeiten für einen Western in einer von indigener Bevölkerung bewohnten Landschaft.

 

Aussteiger-Fantasien vs. Realität

 

Hopper selbst spielt die Hauptrolle: den Stunt-Koordinator Kansas, der mit der auf exzessive Gewalt setzenden Produktion hadert. Die scheitert aber sowieso bald nach dem Tod eines Schauspielers. Als das Filmteam abzieht, bleibt er am ursprünglich wirkenden Ort zurück, um mit seiner einheimischen Geliebten, der Prostituierten Maria (Stella Garcia), seinen Traum vom einfachen Leben zu verwirklichen.

 

Diese Utopie setzt der Film in schwelgerische Bilder um: Er zeigt Hopper einsam auf dem Pferd inmitten traumhafter Gebirgslandschaften oder beim Liebesspiel mit Maria unter einem Wasserfall – aber nur, um diese Bilder im nächsten Moment an der Realität zu brechen. Etwa wenn sich alle Wünsche Marias als absolut materialistisch erweisen, oder sein einziger Freund vor Ort ihn vor allem als Sponsor braucht, um eine Goldmine auszubeuten und reich zu werden.

 

Echte Gewalt statt Stunts

 

Auch Kansas selbst erweist sich als moralisch weniger integer, als es zunächst den Anschein hat. Entgegen seinem Vorsatz, ein ursprüngliches Leben frei von den Lastern der westlich-zivilisierten Welt zu führen, ergibt er sich allzu leicht dem Alkohol oder sexuellen Verlockungen. Auch schreckt er nicht davor zurück, Maria zu verprügeln, wenn ihr Verhalten nicht seinen Wünschen entspricht, was dann immer wieder tiefe Zerknirschung bei ihm auslöst.

 

Um das wieder gut zu machen, erniedrigt und prostituiert Kansas sich sogar. Der Aussteiger muss jedoch nicht nur mit den Fallstricken seiner eigenen Psyche zurecht kommen. Teile der indigenen Bevölkerung haben sich nämlich des verlassenen Filmsets bemächtigt und spielen nun dort die Produktion nach: mit Kamera- und Scheinwerfer-Modellen aus Stöcken und Regieanweisungen, die sie dem Original-Dreh genau abgelauscht haben. Nur herrscht jetzt an Stelle der Hollywood-Stunts echte Gewalt.

 

In viele Richtungen anschlussfähig

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Endless Poetry" - surreal-autobiographischer Spielfilm-Bilderreigen von Alejandro Jodorowsky

 

und hier eine Besprechung des Films "Lucky" - kautzig-melancholisches US-Einsiedler-Porträt von John Carroll Lynch mit Harry Dean Stanton

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Nasca: Im Zeichen der Götter - Archäologische Entdeckungen aus der Wüste Perus" - brillante Überblicks-Schau über präkolumbische Kulturen in Peru in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier einen Beitrag über den Film-Klassiker "Fünf Patronenhülsen" (1960) - western-artiges Drama im Spanischen Bürgerkrieg von DDR-Regisseur Frank Beyer mit Manfred Krug.

 

Schnell wird klar, dass die Opferung von Kansas der krönende Höhepunkt ihres Re-enactments  werden soll. Hopper erzählt diese Geschichte nicht linear, sondern in Tableaus aus wiederkehrenden Bildern und Szenenfolgen. Er springt auf der Zeitebene vor und zurück und bindet Sounds und Songs aus der damaligen Pop- und Gegenkultur genauso mit in die Handlung ein wie halbdokumentarische Bilder von Prozessionen und dem ländlichen Alltag in den Anden.

 

Bis zum Schluss bleibt offen, ob sich das Dargestellte tatsächlich so ereignet hat, oder ob sich vieles lediglich in Kansas‘ Kopf abspielt – als Momentaufnahmen seines zunehmend halluzinatorischen Blicks auf die Welt. Gerade durch diese Offenheit gelingt es Hopper, seine Reflexionen in viele Richtungen anschlussfähig zu halten: Neben dem Culture Clash geht es auch um die Folgen des Aufeinanderprallens von filmischer und vorgefundener Realität.

 

Facettenreicher Hopper

 

Dabei orientiert er sich stilistisch vor allem an der französischen Nouvelle Vague in der Variante von Jean-Luc Godard; aber auch an abseitigeren Einflüssen, etwa den Filmen des chilenischen Regisseurs Alejandro Jodorowsky. Nicht alles gerät stimmig; insbesondere die stereotype Darstellung der Indigenen ist aus heutiger Sicht sicher kritikwürdig.

 

Dennoch kann „The Last Movie“ den Betrachter auch fast 50 Jahre nach der Entstehung in seinen Bann ziehen. Der Film eröffnet mehr als nur eine weitere Facette im Werk des 2010 verstorbenen Dennis Hopper, eines rast- und ruhelosen Multitalents. 1971 gewann „The Last Movie“ übrigens bei dem Filmfestspielen in Venedig noch den Kritikerpreis für den besten Film – bevor er bald darauf in der Versenkung verschwand.