Keira Knightley

Colette

Colette (Keira Knightley) auf der Bühne. Foto: © DCM
(Kinostart: 3.1.) Von der Gatten-Ghostwriterin zur Skandalautorin mit wild bewegtem Lebenswandel: Colette war die erfolgreichste französische Autorin des 20. Jahrhunderts. Regisseur Wash Westmorelands Biopic ist schön ausgestattet, aber etwas zu zahm geraten.

Mit mehr als dreißig veröffentlichten Romanen und Kurzgeschichtenbänden ist Colette (1873-1954) die erfolgreichste französische Autorin des 20. Jahrhunderts; manche ihrer Werke wurden auch verfilmt, etwa „Gigi“ (1958) oder „Chérie“ (2008). Kaum zu glauben, dass es über sie bisher noch keine große Filmbiografie gab; ist sie doch zugleich eine historische und sehr moderne Figur.

 

Info

 

Colette

 

Regie: Wash Westmoreland,

111 Min., Großbritannien/ USA 2018;

mit: Keira Knightley, Dominic West, Denise Gough

 

Weitere Informationen

 

Sie war in ihrer unbedingten Freiheitsliebe ihrer Zeit weit voraus, sowohl bei ihrer künstlerischen Ausdrucksweise als auch ihren persönlichen Beziehungen. Ihre schillernde Persönlichkeit macht nun Regisseur Wash Westmoreland einem breiten Publikum bekannt, das sie wohl allenfalls vom Hörensagen kennen dürfte.

 

Heirat mit Pariser Lebemann

 

1892 lebt die 20-jährige Sidonie-Gabrielle Colette bei ihren Eltern in der Bourgogne; kurz darauf heiratet sie den deutlich älteren Pariser Autor und Lebemann Willy, der eigentlich Henry Gauthier-Villars heißt (schön ambivalent: Dominic West). In der Hauptstadt langweilt sie das oberflächliche gesellschaftliche Lebens rasch; nebenher macht sie sich im Schreibbüro ihres Mannes nützlich. Der beschäftigt als Vielschreiber schon damals Ghostwriter, die ihn viel Geld kosten.

Offizieller Filmtrailer


 

Elektrisches Licht schmeichelt nicht

 

Umso mehr freut ihn, dass Colette schriftstellerisches Talent zeigt, das er für sich kostenlos nutzen kann. Willy ermuntert sie, ihren ersten, biografisch inspirierten „Claudine“-Roman zu verfassen. Der erscheint wie die Fortsetzungsbände ganz selbstverständlich unter seinem Namen. Sie werden allesamt Bestseller und lösen eine regelrechte Merchandising-Manie mit allen erdenklichen Artikeln von der Seife bis zu Strümpfen aus. Beide werden zu einem gefeierten Paar im Paris um 1900 und genießen ein ausschweifendes Bohème-Leben.

 

Das erzählt Regisseur Westmoreland anfangs ganz konventionell und chronologisch. Hier und da wird die kommende Modernisierung angedeutet – etwa wenn eine Frau darüber räsoniert, wie praktisch das neue elektrische Licht sei – aber auch wenig schmeichelhaft . Ebenso verändern sich die  Geschlechterrollen: Aus der eher zurückhaltenden Sidonie wird Colette, die – von Willy toleriert – alsbald auch ihre Neigung zu Frauen auslebt. Er bestärkt sie auch darin, beider Privatleben, etwa ihr Dreiecksverhältnis mit einer reichen Dame der Oberschicht, in neue Bücher einfließen zu lassen.

 

Affäre mit Anzüge tragender Adligen

 

Das emsig schreibende Heimchen am Herd zu sein, missfällt Colette immer mehr; zumal Willy argwöhnisch darüber wacht, dass die wahre Urheberschaft seiner Romane geheim bleibt. Als sie sich in die Adlige Mathilde de Morny, genannt Missy (Denise Gough), verliebt, die Anzüge trägt und auch sonst sich nicht um Geschlechterkonventionen schert, ist ihre Ehe mit Willy am Ende.

 

Colette entdeckt die Bühne für sich, während ihr Ex-Gatte zu verhindern versucht, dass ihre Romane zukünftig unter eigenem Namen erschienen. Diesen Rechtsstreit gewinnt sie ebenso wie auch den um die Urheberschaft der „Claudine“-Romane; spätestens nach dem Ersten Weltkrieg ist sie eine allseits anerkannte Autorin zeitgenössischer Literatur.

 

Schauwerte der Belle Époque

 

Hintergrund

 

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Dieser Film, dessen Vorbereitung jahrelang dauerte, ist offensichtlich ein Herzensprojekt des Regisseurs; er nähert sich seiner Hauptfigur respektvoll bis bewundernd. Zwar könnte die Grundkonstellation der Geschichte sowohl für kämpferischen Emanzipationskitsch herhalten als auch voyeuristische Männerphantasien, wie sie etwa Regisseur Danny Huston 1991 mit „Becoming Colette“ abgeliefert hat.

 

Doch dieser Film vermeidet beides; stattdessen zeichnet er einfach Colettes spannenden Lebenslauf nach und betont, dass ihr – hier häufig zitiertes – Werk illustriert, wie beides untrennbar miteinander verbunden ist. Darüber hinaus bietet er einigen Schauwert, allein schon durch das elegante, leicht schwülstige Interieur der Belle Époque. Es wirkt allerdings nie ausgestellt, sondern begleitet ganz natürlich die Handlung, genauso wie die angenehm zurückhaltende Filmmusik.

 

Emanzipation obsiegt über Kunst

 

Regisseur Westmoreland interessiert vor allem die Befreiung einer modernen, jungen Frau aus den Konventionen ihrer Epoche, sowie ihre Entwicklung zu einer Künstlerpersönlichkeit. Leider kommt letzteres aber zu kurz. Man sieht, wie Colette schreibt, später Pantomime übt und ein paar Momente lang auf der Bühne steht – das ist hübsch anzuschauen, trägt aber zur Story nur unwesentlich bei.

 

Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf ihrer Emanzipation aus dem Ehe-Korsett und ihrer unkonventionellen, sehr modernen Lebenseinstellung. Den emotionalen Preis dafür blendet der Film ebenso aus wie die zweite Heirat von Colette nach ihrer Beziehung zu Missy. Gemessen am wild bewegten Leben der Autorin, gerät dieser Film insgesamt ein wenig zu zahm und gefällig. Er reicht aber allemal, das Interesse für ihr Werk und ihre Person neu zu wecken.