
Vorhang auf: Die Malerfürsten bitten zur Audienz. Das könnte ein prachtvolles Ereignis werden, mit verschwenderischem Prunk und Gloria, so unvergesslich wie ein Empfang in königlichen Gemächern. Doch dazu ist die Bundeskunsthalle nicht bereit: Ihre Themen-Ausstellung schwankt unentschieden zwischen Einführung und Abrechnung, Ehrenbezeugung und Entzauberung – damit lässt sie den Besucher recht ratlos zurück.
Info
Malerfürsten
28.9.2018 - 27.1.2019
täglich außer montags
10 bis 19 Uhr, dienstags + mittwochs bis 21 Uhr
in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Friedrich-Ebert-Allee 4, Bonn
Katalog 34 €
Zehntausende standen Schlange
Doch bald wurde der Begriff – halb anerkennend, halb ironisch – auch auf sehr erfolgreiche Salonkünstler der Epoche übertragen, die auf großem Fuß lebten und das demonstrativ zur Schau trugen. Heutzutage sind sie zwar nicht vergessen, werden aber nur noch wenig geschätzt; ihre oft großformatigen Gemälde verstauben meist im Fundus. Warum haben sie vor kaum 150 Jahren solche Massenbegeisterung ausgelöst, dass Zehntausende Schlange standen, um sie zu sehen?
Feature zur Ausstellung; © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Geographische Unwucht
Diese Frage will die Bundeskunsthalle klären, indem sie Biographien und Werke von sieben Malerfürsten vergleicht. Allein drei von ihnen – Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach und Franz von Stuck – wohnten in München, wo die kunstsinnigen Wittelsbacher regierten. Drei weitere kamen aus dem Habsburger Reich: Hans Makart aus Wien und Jan Matejko aus Krakau; der in Ungarn geborene Michael Lieb ließ sich in Paris nieder und wurde von Kaiser Franz Joseph 1880 zum Mihály von Munkácsy geadelt. Nur der Engländer Frederick Lord Leighton war nicht aus einer deutschsprachigen Monarchie.
In Frankreich titulierte man keinen Künstler als Malerfürsten, ebenso wenig in Italien, Spanien oder anderen europäischen Ländern. Diese geographische Unwucht wird jedoch von der Ausstellung souverän unterschlagen. Stattdessen nennt Kokuratorin Doris H. Lehmann drei Kriterien für Malerfürsten: würdevolles und freigiebiges Auftreten, eine repräsentative Residenz und hohes Sozialprestige – allesamt eher triviale Minimalanforderungen.
Publikums-Reaktion wird ignoriert
Also versucht die Schau eine genauere Bestimmung durch kleinteiliges Auflisten von Eigenschaften – ganz im Geist des damals herrschenden Positivismus: Malerfürsten stammten häufig aus einfachen Verhältnissen und hatten sich emsig hochgearbeitet. Sie häuften Kollektionen von kostbarem Kunsthandwerk an oder entwarfen ihr Mobiliar gleich selbst. Sie sorgten für eindrucksvolle Selbstdarstellung; ihre Ateliers waren keine Arbeitszimmer, sondern üppig ausgestattete Verkaufsräume. Sie ließen sich von gewieften Händlern optimal vermarkten, indem jene für ihre Werke ausgedehnte Ausstellungs-Tourneen organisierten. Sie pflegten gezielt Kontakte zu höchsten Kreisen und Freundschaften mit betuchten Kunden und Mäzenen, die sie zu Fabelpreisen porträtierten.
Alles gewiss zutreffend – doch dem eigentlichen Phänomen wird man so nicht gerecht. Weil die Fixierung auf die Akteure ignoriert, dass erst die Begeisterung des Publikums respektable Salonkünstler, die geschickt den Zeitgeschmack bedienten, zu verehrungswürdigen Malerfürsten emporhob. Und diese erstaunliche Begeisterung lässt sich nicht kunsthistorisch, sondern nur sozialgeschichtlich erklären.
Kunstreligion + Legitimitätsverfall
Angefangen mit dem relevanten Zeitraum: Warum tauchten um 1870 plötzlich Malerfürsten auf – und verschwanden im Ersten Weltkrieg wieder? Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstand die so genannte Kunstreligion: schwärmerische Erlösungs-Hoffnungen, die vorher ans Christentum gebunden waren, wurden auf die Künste übertragen. Zugleich war es – was heute oft übersehen wird – das Zeitalter der Revolutionen: Alle paar Jahrzehnte erhoben sich die Völker etlicher Länder, um gekrönte Häupter zu stürzen oder ihre Macht zu begrenzen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Lockruf der Décadence - Deutsche Malerei und Bohème 1840-1920" mit Werken von Hans Makart im Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
und hier einen Artikel über die Ausstellung "Schönheit und Geheimnis: Der deutsche Symbolismus" mit Werken von Franz von Stuck in der Kunsthalle Bielefeld
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst" im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Baden-Baden
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Sammlung Schack: Neue Räume - Von Gibraltar bis Helgoland" mit Werken von Franz von Lenbach in der Sammlung Schack, München
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Tür an Tür. Polen – Deutschland: 1000 Jahre Kunst und Geschichte" mit Werken von Jan Matejko im Martin-Gropius-Bau, Berlin.
Erbe der effektvollen Selbstinszenierung
Es liegt nahe, diese parallel laufenden Prozesse auf den Typus Malerfürst zu beziehen – was die Ausstellung leider unterlässt. Während der blaublütigen Klasse ihre Autorität allmählich abhanden kam, bedienten manche Maler auf dem Gebiet der Kunst die Sehnsucht nach Idolen und Grandezza. In zuvor nie gesehenem Maßstab, nämlich dem moderner Industriegesellschaften: mit Massenmedien wie Fotografie und Presse, gefüllt mit exotischen Einflüssen aus den Kolonialreichen, oder Weltreisen ihrer Werke.
Malerfürsten waren also nur in einer kurzen Phase möglich, in der solche Mittel bereits verfügbar waren, die Gesellschaftspyramide – samt Träumen vom sozialen Aufstieg – aber noch althergebracht organisiert war. Als der Weltkrieg den Adel hinwegfegte, folgten die selbst ernannten Herrscher im Reich der Kunst gleich mit. Allerdings nicht ohne Nachlass: Ihr Hang zur effektvollen Selbstinszenierung überlebte – in der Ernsten wie der Unterhaltungs-Kunst des 20. Jahrhunderts, bei den Hohepriestern der Avantgarde wie bei Popstars.
Saftige Ölschinken reichen nicht
Nur an einer Stelle lässt die Ausstellung diesen Zusammenhang erahnen: in der Abteilung über die enorm populären Künstler-Umzüge und -Feste. Sie übertrugen die Struktur religiöser und politischer Prozessionen und Feiern in die Sphäre symbolisch überhöhten Zeitvertreibs: Maler als Zeremonienmeister einer Art ästhetisch-artifiziellen Karnevals.
Doch die Schau belässt es dabei, ermüdend viele Beispiele aneinander zu reihen, anstatt nach ihrer Bedeutung zu fragen; ebenso wenig interessiert sie sich für Nachwirkungen bis in die Gegenwart. Womit sie ihr spannendes Thema weit unter Wert abhandelt; nur saftige Ölschinken nebeneinander zu hängen, reicht dafür nicht aus.