Wanuri Kahiu

Rafiki

Kena (Samantha Mugatsia, li.) und Ziki (Sheila Munyiva) verstehen sich prächtig. Foto: Edition Salzgeber
(Kinostart: 31.1.) Verbotene Liebe in Kenia: Regisseurin Wanuri Kahiu erzählt von den zarten Gefühlen zweier junger Frauen füreinander. Ihr lebens- und farbenfroher Film taucht in den hierzulande kaum bekannten Alltag der neuen afrikanischen Mittelklasse ein.

„Rafiki“ bedeutet „Freund“ oder „Freundin“ auf Suaheli. Für homosexuell liebende Menschen in Kenia und vielen anderen Ländern Afrikas ist dieses Wort in der Regel die einzige gesellschaftlich akzeptierte Umschreibung für einen gleichgeschlechtlichen Partner. Wie in vielen anderen Ländern Afrikas steht auch in Kenia die Liebe zwischen Männern unter Strafe; Lesben werden sozial geächtet – die gesellschaftlichen Auffassungen von Geschlechterrollen sind sehr konventionell.

 

Info

 

Rafiki

 

Regie: Wanuri Kahiu,

83 Min., Kenia/ Südafrika/ Deutschland 2018;

mit: Samantha Mugatsia, Sheila Munyiva, Neville Misati

 

Website zum Film

 

Entsprechend vorsichtig verläuft die Annäherung zwischen der smarten Kena (Samantha Mugatsia) und der flippigen Ziki (Sheila Munyiva). Sie leben in einem quirligen Wohnviertel von Nairobi, wo jeder über jeden Bescheid weiß. Nicht nur weil ihre Väter konkurrierende Lokalpolitiker sind, wird die Freundschaft der jungen Frauen von der Nachbarschaft argwöhnisch beäugt. Die tiefen Blicke, die beide einander von Anfang an zuwerfen, lassen ahnen, dass mehr hinter ihrer Zweisamkeit steckt.

 

 Ehe ist kein Lebensziel

 

Überhaupt passen die Beiden nicht recht ins Schema von „typisch kenianischen“ Frauen: Kena ist gern mit dem Skateboard unterwegs und hängt meist mit den Jungs des Viertels ab. Vor allem ihr Kumpel Blacksta hat ein Auge auf sie geworfen. Ziki ist mit ihren pinkfarbenen Dreadlocks und schrägen Klamotten eine ähnlich auffallende Erscheinung. Beider Zukunftsträume reichen über Familiengründung und eheliches Versorgtsein hinaus; stattdessen wollen sie reisen und studieren.

Offizieller Filmtrailer


 

Hipster-Style wie in Berlin

 

Fasziniert umkreisen die jungen Frauen einander. Sie gehen Tretboot fahren, tanzen oder schauen gemeinsam von einem Hügel auf die Stadt zu ihren Füßen. Kurzum: Sie tun, was frisch Verliebte eben so machen. Doch als Ziki im Gottesdienst spielerisch Händchen halten will, wehrt Kena ab: zu groß ist die Gefahr, entdeckt zu werden.

 

Diesen Zauber einer ersten Liebe unter gefährlichen Umständen inszeniert Regisseurin Kahiu in farbsatten Bildern, die sie mit Popsongs und Hip-Hop unterlegt. Auffällig sind die trendigen Klamotten der Protagonistinnen; sie würden in Berlin ebenso passend wirken wie in Nairobi. Mugatsia und Munyiva bestechen in ihrem Schauspiel-Debüt jedoch nicht nur durch ihr fabelhaftes Aussehen, sondern durch Ausdrucksstärke und Anmut.

 

Optimismus-Vision der Regisseurin

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "La belle saison – Eine Sommerliebe" - Drama über lesbische Liebe + Feminismus im Frankreich der 1970er Jahre von Catherine Corini

 

und hier einen Bericht über den Film "Sharayet – Eine Liebe in Teheran" - ästhetisch betörendes Drama über das Coming-Out zweier Mädchen im Iran von Maryam Keshavarz

 

und hier einen Beitrag über den Film "Carol" - ergreifendes lesbisches US-Liebesdrama in den 1950er Jahren von Todd Haynes mit Cate Blanchett

 

und hier eine Besprechung des Films "Nairobi Half Life" - packender Thriller über Doppelleben in Kenias Hauptstadt von Tosh Gitonga.

 

„Rafiki“ tritt Klischeevorstellungen über den Afrika entgegen, indem er den Alltag der urbanen Mittelschicht nicht nur in Kenia vorführt – jenseits von Not, der Suche nach einem besseren Leben in Europa oder den USA und anderen gängigen Vorstellungen über die Dauermisere auf dem schwarzen Kontinent.

 

Es ist erklärtes Ziel der Regisseurin Wanuri Kahiu, eine optimistische Vision zu verbreiten – „entgegen der Vorstellung, dass Afrika ein trauriger Ort sei, der Mitleid verdient“, sagt sie im Interview: „Wir sind fröhliche und stolze Menschen. Wir verdienen Anerkennung unserer Erfolge, anstatt dass die Aufmerksamkeit immer nur auf die Hindernisse gelenkt wird.“

 

Kinostart nach Gerichtsurteil

 

Daher wünschen sich Ziki und Kena nichts sehnlicher, als dass ihre Beziehung von ihrem Umfeld anerkannt wird, damit sie gemeinsam in ihrer Heimat leben können. Doch ihre Angehörigen reagieren sehr unterschiedlich darauf. Während Zikis Eltern und Kenas Mutter die Beziehung ihrer Töchter offen ablehnen und sie gar mit einem religiösen Exorzismus „heilen“ wollen, bringt Kenas geschiedener Vater Verständnis auf.

 

Wie außergewöhnlich das Thema in Kenia ist, zeigt auch die Aufführungsgeschichte des Filmes. Zunächst war „Rafiki“ komplett verboten; nach einer Klage der Regisseurin durfte er immerhin eine Woche lang im Kino gezeigt werden. Im Gegensatz dazu wurde der Film beim Festival in Cannes 2018, zu dem er als erster kenianischer Beitrag überhaupt eingeladen war, mit Begeisterung aufgenommen. Zu Recht: „Rafiki“ ist ein lebensfroher und zugleich sehr zärtlicher Film.