Emma Stone + Rachel Weisz

The Favourite – Intrigen und Irrsinn

Abigail (Emma Stone) geizt im Intrigenspiel nicht mit ihren Reizen. Foto: © 2018 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 31.1.) Höfische Ränkespiele im Spiegel der Gegenwart: Königin Anne hatte im 18. Jahrhundert wenig Lust zum Regieren, ihre beiden Gespielinnen jedoch sehr. Mit seinem exaltierten Kostümdrama setzt Regisseur Giorgios Lanthimos aktuelle Bezüge.

Einen waschechten Kostümfilm ohne doppelten Boden kann man von Giorgios Lanthimos kaum erwarten. Schließlich hat sich der griechische Regisseur mit Filmen wie „Dogtooth“ (2009) oder „The Lobster“ (2015) als Regisseur zeitgenössischer Satiren einen Namen gemacht; seine Filme sind so hellsichtig wie bitterböse.

 

Info

 

The Favourite –
Intrigen und Irrsinn

 

Regie: Giorgos Lanthimos,

119 Min., Irland/ Großbritannien 2018;

mit: Emma Stone, Rachel Weisz, Olivia Colman

 

Weitere Informationen

 

Sein neuer Film „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ spielt zwar im britischen Königshaus des frühen 18. Jahrhundert, in prachtvollen Bildern wird das höfische Zeremoniell vorgeführt. Doch auch hier geht es Lanthimos eigentlich um das Sezieren menschlicher und damit zugleich zeitloser Verhaltungsweisen.

 

Hasen als Kindersatz

 

Anfang des 18. Jahrhundert regiert – zumindest nominell – Königin Anne (Olivia Colman) das Königreich. Doch die Regentin plagen allerlei Krankheiten. Statt um die Regierungsgeschäfte kümmert sie sich lieber um ihre bunte Galerie von Hasen, 17 an der Zahl: Genauso viele Kinder hatte Anne. Die endeten entweder als Fehlgeburten oder starben im Kindbett.

Offizieller Filmtrailer


 

Konkurrierende Bettgefährtinnen

 

Ihre engste Vertraute ist die Hofdame Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz); sie manipuliert allerdings Anne gemäß ihrer eigenen Interessen. Schließlich ist Sarah die Gattin von Lord Marlborough (Mark Gatiss), seines Zeichens Kommandant der britischen Armee. Die befindet sich gerade im Krieg gegen Frankreich, was auch ein paar finanzielle Vorteile für das Ehepaar mit sich bringt.

 

So gesichert Sarahs Position in Annes Leben – und in ihrem Bett – scheint: Mit der Ankunft von Sarahs Cousine Abigail Hill (Emma Stone) ändert sich alles. Einst war sie ebenfalls eine Lady; durch die Spielschulden ihres Mannes ist sie jedoch in Ungnade gefallen. Trotzdem versteht Abigail es, das Vertrauen der Königin zu gewinnen.

 

Historisch belegt

 

Bald hat sie Sarah als Vertraute und Geliebte von Anne ersetzt – und versucht nun ebenfalls, ihre Interessen durchzusetzen. Auch Harley (Nicholas Hoult) – Anführer der Partei der Tories, die sich gegen eine Steuererhöhung aussprechen –  will durch Abigail die Staatsgeschicke beeinflussen.

 

Man mag es kaum glauben, doch weite Teile der Handlung von Giorgios Lanthimos‘ Drama sind historisch belegt: Die Intrigen am Hof von Königin Anne, auch die Rolle ihrer Hofdamen Sarah Churchill (direkte Vorfahrin des legendären Premierministers während des Zweiten Weltkriegs ) und Abigail Hill, die erbittert um den Einfluss auf die Regentin stritten. Alles ist aktenkundig – bis auf die lesbischen Beziehungen zwischen dem Trio. Darüber wurde offenbar weidlich spekuliert, es gibt aber keine Belege dafür.

 

Männer sind schmückendes Beiwerk

 

Es überrascht nicht, dass seit 20 Jahren versucht wurde, „The Favourite“ auf die Leinwand zu bringen, das aber erst jetzt gelang – nun passt es zum Zeitgeist. Ähnlich wie der vor einer Woche gestartete Film „Maria Stuart. Königin von Schottland“ von Josie Rourke wählt auch „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ eine zeitgenössische, feministisch geprägte Perspektive auf die Vergangenheit. Der Film funktioniert gleichzeitig als historische Rekonstruktion und moderne Projektion.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Maria Stuart - Königin von Schottland"- opulentes Historien-Drama über ihren Konflikt mit Elisabeth I. von Josie Rourke

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Lobster" - grotesk surreale Beziehungs-Dystopie von Giorgos Lanthimos mit Rachel Weisz 

 

und hier eine Besprechung des Films "The Killing of a Sacred Deer" - absurder Familien-Psychothriller von Giorgos Lanthimos mit Colin Farrell

 

und hier eine Kritik des Films "Attenberg" - krude Coming-of-Age-Parabel von Athina Rachel Tsangari mit Giorgos Lanthimos

 

und hier einen Beitrag über den Film "Mary – Königin von Schottland" – exzellent inszenierter Historienfilm über Mary Stuart von Thomas Imbach.

 

Etwa in dem Umstand, dass drei Frauen in den Hauptrollen um die Macht im Staat streiten und mit allen Mitteln ihre Interessen durchzusetzen wollen. Die Männer sind dagegen kaum mehr als Staffage und schmückendes Beiwerk; eine Rolle, die sonst – gerade im Kino – meist Frauen zugedacht wird.

 

Erinnerung an „Barry Lyndon“

 

Den satirischen Charakter seines Films verstärkt Giorgios Lanthimos durch stilistische Entscheidungen. Vor allem die extrem mobile Handkamera, bestückt mit Weitwinkel-Objektiven, lässt die Figuren noch karikaturenhafter erscheinen, als sie es durch ihre exaltierten Kostüme und Masken ohnehin sind.

 

Vieles an „The Favourite“ erinnert an Stanley Kubricks Historienfilm „Barry Lyndon“ (1975): Seine Adaption eines Romans von William Makepeace Thackeray war eine ähnlich bitterböse Satire, die mit großer Schärfe das Geschehen zu Hofe sezierte. Doch Lanthimos geht noch weiter.

 

Spiegel der Gegenwart

 

Wie schon in seinen früheren Filmen von „Dogtooth“ über „Alpis“ (2011) und „The Lobster“ bis „The Killing of a Sacred Deer“ (2017) führt der griechische Regisseur auch diesmal Machtspiele und Manipulationen vor, die fraglos als Spiegelbild der Gegenwart fungieren sollen.

 

Bezüge zur Trump-Administration mag man ebenso finden wie Verweise auf die Eitelkeiten der Schönen und Reichen, denen in der heutigen Medienwelt viel zu viel Aufmerksamkeit zuteil wird. Kaum ein gutes Haar lässt Lanthimos an der Welt, die er vorführt. Trotz aller Absurditäten und Abgründe – oder vielleicht gerade deswegen – wirkt „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ am Ende zutiefst menschlich.