Robert Rodriguez

Alita: Battle Angel

Alita (Rosa Salazar) und Hugo (Keean Johnson) in den Straßen von Iron City. Foto: © 2019 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 14.2.) Cyborg-Mädchen rettet Menschenfamilie: Mit einer Manga-Adaption begibt sich Genre-Regisseur Robert Rodriguez erstmals auf Science-Fiction-Terrain. Handwerklich überzeugend, bleibt der Actionreißer auf inhaltlicher Ebene eher zahm.

Robert Rodriguez ist mit handfestem, leicht schrägem Genrekino wie „From Dusk Till Dawn“ (1996) oder auch seinen Adaptionen von Frank Millers „Sin City“–Comicreihe (2005 und 2014) bekannt geworden. Mit „Alita: Battle Angel“ adaptiert er einmal mehr eine grafische Erzählung; sie basiert auf der japanischen Manga–Reihe „Ganmu“ von Yukito Kishiro.

 

Info

 

Alita: Battle Angel

 

Regie: Robert Rodriguez,

142 Min., USA 2018;

mit: Rosa Salazar, Christoph Waltz, Keean Johnson

 

Website zum Film

 

Was Stil und Narration angeht, ist dieser futuristisch anmutende Film sein bisher konventionellster. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran dürfte Produzent James Cameron haben, der den Stoff seit beinahe zwanzig Jahren immer wieder in die Hand nahm, sich aber doch lieber größeren Projekten wie „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009) widmete. Von ihm stammt auch das Drehbuch; es transponiert ähnlich wie bei „Avatar“ ein bewährtes Erzählmuster in eine Science-Fiction–Welt.

 

Durch Wettkampf in den Himmel

 

Das beschriebene Zukunftsszenario nimmt den Zuschauer mit ins 26. Jahrhundert; auf der Erde herrscht seit 300 Jahren eine klare Zweiklassengesellschaft. Das Arbeitsvolk drängelt sich im Industriemoloch Iron City, während die Bessergestellten in Zalem residieren, einer Stadt, die im Himmel hängt. Dorthin können die Erdbewohner nur durch einen Sieg im jährlich stattfindenden Motorball–Turnier gelangen.

Offizieller Filmtrailer


 

Superpower und altes Wissen

 

Auf einer Müllhalde findet Cyber–Mediziner Ido (Christoph Waltz) den intakten Kopf eines Teenager–Cyborgs und pflanzt ihn auf den kybernetischen Porzellankörper seiner verstorbenen Tochter. Das so zu neuem Leben erweckte Mädchen kann sich zwar an nichts erinnern, rührt den Mann aber so, dass er sie nach seiner Tochter benennt. Schnell findet Alita (Rosa Salazar) sich in den gefährlichen Straßen von Iron City zurecht und schließt Freundschaft mit dem Überlebenskünstler Hugo (Keenan Johnson).

 

Bei ihren Streifzügen treten bei Alita allmählich besondere Fähigkeiten zutage; sie bestätigen, was Ido bereits ahnt. In dem Mädchen schlummern übermenschliche Kräfte und uralte Kenntnisse, etwa über eine lange ausgestorbene Kampftechnik, die den Namen Panzerkunst trägt. So gerät sie ins Visier von Statthalter Vector (schön sinister: Mahershala Ali). Mit Alitas Gedächtnis kehrt zudem ihre Erinnerung an einen alten Feind in Zalem zurück.

 

Lateinamerika trifft Manga

 

Als der ihre neugewonnene Familie bedroht, gibt es keine Alternative: Alita muss im Motorball gewinnen, um ihn vor Ort bekämpfen zu können. Einmal mehr variiert der Regisseur die Geschichte einer Figur, die aus Rache oder auch Notwehr zum Helden wird. Dieses Motiv hatte Rodriguez bereits am Anfang seiner Laufbahn mit seiner Mariachi–Trilogie durchdekliniert: in den Filmen „El Mariachi“ (1994), „Desperado“ (1995) und „Irgendwann in Mexico“ (2003).

 

„Alita“ ist Rodriguez‘ erster echter Science-Fiction-Film; es gelingt ihm, dem Setdesign seinen eigenen Stempel aufzudrücken. So erinnern die Gebäude von Iron City an lateinamerikanische Architektur. Oft scheint die Sonne, was sich effektvoll in Alitas riesigen Augen spiegelt. Überhaupt beeindruckt, wie hier Manga-Ästhetik in ein halbwegs realitätsnahes Gesicht übersetzt wird.

 

Kämpfen wichtiger als Knutschen

 

Die Figur ist zwar computergeneriert, doch hinter der Maske nimmt man auch die Schauspielerin wahr, die dem Mädchen durchaus Leben und Seele einhaucht. Irgendwann sagt Hugo, der sich natürlich in das Übermädchen verliebt, sogar: „Du bist menschlicher als alle Menschen, die ich kenne“.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten (3D)" - originelle ScFi-Comic-Action von Luc Besson

 

und hier eine Besprechung des Films "Ghost in the Shell" - Adaption eines japanischen Anime-Klassikers von 1995 durch Rupert Sanders mit Scarlett Johansson

 

und hier einen Bericht über den Film "Arrival" - intelligent fesselnder SciFi-Psychothriller von Denis Villeneuve mit Amy Adams

 

und hier einen Beitrag über den Film "Blade Runner 2019" - brillante Fortsetzung des ScFi-Klassikers von Denis Villeneuve.

 

Die – kaum erfüllte – Romanze zwischen Mensch und Cyborg bleibt jedoch ein Nebenschauplatz und fungiert vor allem als Katalysator für die Mobilisierung von Alitas Superkräften. Die entfalten sich beim Motorball–Showdown mit voller Wucht; das zarte Mädchen haut dabei reihenweise hochgerüstete Fieslinge um.

 

Sozialkritik fehlt

 

Diese Sequenz ist mitreißend inszeniert und lässt Rodriguez‘ Inspirationsquellen durchscheinen. Der Regisseur macht keinen Hehl aus seiner Vorliebe für handgemachte Effekte in SciFi–Klassikern wie „Rollerball“ (1975), „Blade Runner“ (1982) oder „RoboCop“ (1987). Daher hat er echte Kulissen in die texanische Wüste bauen lassen. Dadurch hebt sich „Alita“ auf angenehme Weise von den technisch hochgerüsteten Superheldenfilmen der Gegenwart ab.

 

Erzählerisch bleibt der Film aber sehr zahm und teenietauglich konventionell, ist eher ein Märchen als ein ausgewachsener Science-Fiction-Film. Er könnte durchaus mehr von der Sozialkritik vertragen, die in den zitierten Vorbilden zu finden ist. Allein, dass die Privilegierten quasi im Himmel residieren, ist, nun ja, himmelschreiend ungerecht.

 

Neuer Blick auf alten Typus

 

Dennoch entwickelt die Geschichte Charme und punktet neben den schön inszenierten Effekten mit guten Schauspielern. Vor allem Christoph Waltz zeigt, was er kann. Und dass der rettende Außenseiter ein Jahrhunderte alter Mädchen-Cyborg ist, gibt dem etwas abgenutzten Heldentypus eine originelle, ausbaufähige Note. Eine Fortsetzung ist also nicht ausgeschlossen.