
Außenpolitik als Geben und Nehmen: Der französische Regisseur Marc Dugain erzählt in seinem Historienfilm eine verbürgte Episode vom Austausch zweier junger Prinzessinnen. Sie werden 1721 nach Frankreich beziehungsweise Spanien geschickt; dort müssen sie den jeweiligen Thronfolger heiraten, um den Frieden zwischen beiden Mächten zu erhalten. Das schildert Dugain absolut präzise und akkurat in eindrucksvollen Bildern; er versagt sich dabei jedoch bewusst jede emotionale Überhöhung.
Info
Ein königlicher Tausch
Regie: Marc Dugain,
100 Min., Frankreich/ Belgien 2017;
mit: Lambert Wilson, Juliane Lepoureau, Anamaria Vartolomei
Ausgefeilte Austausch-Zeremonie
Im Gegenzug reist Philipps erst vier Jahre junge Tochter Maria Anna Victoria (Juliane Lepoureau) nach Paris, um Gemahlin des künftigen Königs Ludwig XV. (Igor van Dessel) zu werden. An der Grenze zwischen beiden Ländern werden die Prinzessinnen in einer ausgefeilten Zeremonie ausgetauscht. Von nun an finden sich beide Mädchen in völlig ungewohnter Umgebung wieder; sie müssen sich als Gemahlinnen beweisen, ohne recht zu wissen, wie ihnen geschieht.
Offizieller Filmtrailer
Hauptsache Thronfolger gebären
Während Maria Anna Victoria viel zu jung ist, um Kinder zu bekommen, erwartet man am spanischen Hof von Louise Elisabeth, dass sie möglichst bald für einen Thronfolger sorgt. Doch sie weiß mit den Avancen von Don Luis, der es seinem virilen Vater endlich gleichtun möchte, nichts anzufangen – lieber geht sie mit ihrer Zofe ins Bett. Dagegen ist die liebliche Maria Anna Victoria hingerissen von Ludwig XV. Der wiederum hat wenig Interesse an Mädchen – und schon gar nicht an seiner kindlichen Gattin in spe. Zudem versuchen alle möglichen Akteure, ihn zu beeinflussen.
Diesem historischen Geschehen hat die Autorin Chantal Thomas einen Roman gewidmet, den Marc Dugain nun adaptiert hat; zuvor hatte Thomas bereits die Vorlage für den Historienfilm „Leb wohl, meine Königin!“ (2012) von Benoît Jacquot über Marie-Antoinette zu Beginn der Revolution von 1789 geliefert.
Menschen als Spielbälle der Macht
„Ein königlicher Tausch“ ist Dugains zweiter Kinofilm. Dass seine gediegene Inszenierung streckenweise ein wenig leblos wirkt, liegt an dem Aspekt, der ihm am wichtigsten ist: Menschen als Spielbälle der Macht. Dafür schiebt er seine jungen Darsteller in ihren prachtvollen Kostümen wie Brettspielfiguren durch die pompösen Kulissen: Sie werden als reine Verhandlungsmasse benutzt, um eine im Sinne der Staatsräson optimale Partie zu gewinnen.
Hintergrund
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und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Barock - Nur schöner Schein?" über Künste + Wissenschaften des Barock-Zeitalters in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim.
Auf Augenhöhe mit der Jugend
Ganz selbstverständlich geschieht das, weil es „Gottes Wille“ sei – so begründet Philipp V. sämtliche Vorschriften gegenüber seinem Sohn Don Luis. Den spanischen König spielt der französische Star-Schaupieler Lambert Wilson beeindruckend als einen zwischen Pathos und Wehleidigkeit zerrissenen Monarchen, dessen exaltierte Frömmigkeit an Hysterie grenzt.
Doch meist bleibt Regisseur Dugain auf Augenhöhe mit den vier Kindern und Jugendlichen, um die sich alles dreht. Er beobachtet einfühlsam, wie sich ihre Gefühle füreinander allmählich verändern – wobei sie nie sein dürfen, was sie sind. Die Tragik, die darin steckt, wird aber nicht ausgelotet. Da sich der Film wie Thomas‘ Romanvorlage auf einen kurzen Zeitraum von wenigen Jahren beschränkt, bietet er quasi nur eine Momentaufnahme.
Kein Töchter-Tausch mehr
Die wird hervorragend dargestellt und ausgestattet – doch es fehlt ein größerer dramatischer Kontext. Sowie eine analytische Ebene, auf der zumindest angedeutet wird, welche Relevanz diese dynastischen Manöver in der Ära des Absolutismus für heutige Zuschauer haben könnten: Töchter-Tausch, um Einfluss zu erhalten und auszubauen, ist gottlob keine gängige Praxis mehr.