Weimar

Eröffnung des Bauhaus-Museums in Weimar

Außenansicht des Bauhaus-Museums mit Eingangsportal. Foto: ohe
Betonsarg für das Bauhaus: Der Gründungsort der legendären Hochschule versenkt seine Sammlung in einem staubgrauen Mausoleum der Menschenverachtung – Architektin Heike Hanada kassiert bei jedem Foto mit. Besser besucht man das neue Neue Museum.

„Das Bauhaus kommt aus Weimar!“, wirbt die thüringische Klassiker-Kleinstadt seit etlichen Jahren für sich. Und hier wird es auch begraben, könnte sie seit diesem Wochenende hinzufügen: Mit ihrem neuen Bauhaus-Museum hat die Stadt der 1919 gegründeten Kunst- und Design-Hochschule ein so monumentales wie brutales Mausoleum errichtet.

 

Info

 

Eröffnung Bauhaus-Museum Weimar

 

geöffnet ab 06.04.2019

montags 10 bis 14.30 Uhr,

dienstags bis sonntags

10 bis 18 Uhr

im Bauhaus-Museum, Stéphane-Hessel-Platz 1, Weimar

 

Katalog 9,90 €

 

Weitere Informationen

 

Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900

 

täglich außer dienstags

10 bis 18 Uhr

im Neuen Museum, Jorge-Semprún-Platz 5, Weimar

 

Katalog 9,90 €

 

Weitere Informationen

 

Dabei hatte Weimar bereits seit 1995 ein kleines Bauhaus-Museum in der Kunsthalle am Theaterplatz. Ein Provisorium, sicherlich, aber anschaulich aufbereitet, charmant präsentiert und zentral gelegen: direkt gegenüber vom Nationaltheater und dem Goethe-Schiller-Denkmal. Weimar-Touristen mussten nicht danach suchen, sie kamen am Museum kaum vorbei.

 

Neubau passt zu NS-Gauforum

 

Doch das genügte dem Geltungsbedürfnis nicht – und das Jubiläumsjahr 2019 bot Gelegenheit, die beiden anderen historischen Bauhaus-Standorte Dessau und Berlin mit einem Neubau zu übertrumpfen. Nach langer Standortsuche wurde eine Fläche westlich des „Gauforums“ ausgewählt, mit dem die Nazis ab 1936 Weimar ihren Stempel aufdrücken wollten. Der Neid muss den Bauherren lassen: Hier passen Alt und Neu perfekt zusammen.

 

Die Berliner Architektin Heike Hanada rammt einen monströsen Betonklotz in die Landschaft, der abweisender nicht sein könnte. Mit staubgrauer, kaum gegliederter Fassade und fast fensterlos; erst nach langem Hin und Her kam ein verglastes Eingangsportal zustande. Wer davor steht, mag sich fragen: Ist das nun das Prunkgrab eines orientalischen Despoten, ein Luftschutzbunker für kommende Kriege oder schlicht ein Monolith der Menschenverachtung? Lebte Albert Speer noch, würde er gewiss genauso bauen.

Impressionen der Ausstellung im Bauhaus-Museum


 

Piranesis Kerker in Sichtbeton mit Terrazzo

 

Manche Architekturkritiker dürften feinsinnig über das subtile Spiel der Grautöne, diese und jene Blickbeziehung oder dergleichen schwärmen. Kunststück: Sie machen zur Eröffnung ein paar Notizen und Schnappschüsse, dann enteilen sie wieder in ihre komfortsanierten Altbauwohnungen. Hier sollen indes nicht nur manche Menschen jahrelang arbeiten, sondern andere sogar Eintritt zahlen, um hinein zu dürfen. Ginge es um eine Gedenkstätte für NS-Untaten und -Opfer, könnte man sagen: krasser Schockeffekt, doch dem Anlass angemessen. Aber als Bauhaus-Museum?

 

Hinter der Eingangstür öffnet sich ein langer Tunnel; am Ende ein breites Fenster, das sprichwörtliches Licht hereinlässt. Die Decke formen dunkelgraue Rippen mit Neonröhren-Batterien wie einst bei DDR-Grenzabfertigungsanlagen. Zu den Ausstellungsflächen führen steile Treppen in engen Schächten. Die doppelgeschossigen Etagen sind versetzt zueinander angeordnet, was verstörende Durchblicke ins Leere eröffnet: als wären Giovanni Battistas Piranesis „Carceri d’invenzione“ („Erfundene Kerker“, 1760/1) in Sichtbeton mit Terrazzoböden gegossen worden.

 

Kein Bauhaus, sondern Bauhäus(l)er

 

Die Ausstellung selbst meidet das Naheliegende – nämlich die Geschichte des Bauhauses in Weimar von 1919 bis 1925 nacherzählen. Obwohl das ein dankbares Sujet wäre: Diese sechs Jahre waren die Sturm-und-Drang-Phase der Hochschule. Gründer Walter Gropius ließ so unterschiedliche Persönlichkeiten unterrichten wie den Esoteriker Johannes Itten, den Technikfetischisten László Moholy-Nagy, den Bildhauer Gerhard Marcks, den Farbsystematiker Josef Albers oder die Künstler Paul Klee, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer – jeder pflegte seinen völlig eigenen Stil.

 

Da prallten unvereinbare Kunstkonzepte und Weltbilder aufeinander. Die einen wollten zum mittelalterlichen Handwerk zurück, andere vorwärts zur industriellen Technik; Individualisten stritten mit Kollektivisten, Engagierte mit Apolitischen. Im Grunde spiegelten diese Grabenkämpfe jene wider, die zur gleichen Zeit die Herausbildung moderner Gesellschaften weltweit begleiteten. Folglich betonen Kunsthistoriker: DAS eine Bauhaus gab es nicht – sondern viele Bauhäuser und Bauhäusler.

 

Bauhaus für Anfänger

 

Mit derart Kompliziertem will das Museum seine Gäste nicht behelligen. Stattdessen setzt es eine Art Meistererzählung der Moderne an sich zusammen: Bauhaus für Anfänger. Am gelungensten ist noch das Kapitel über den „Neuen Menschen“, das Krisenbewusstsein und Zukunftshoffnungen jener Zeit an Wänden voller Leuchtkästen bündig aufblättert. Bloß: Fast keines der gezeigten Motive – von Nietzsches Konterfei über den sowjetischen SciFi-Film „Aelita“ (1924) bis zu Fritz Kahns Info-Grafik „Der Mensch als Industriepalast“ (1926) – hat etwas mit dem Bauhaus zu tun.

 

Sobald sich die Schau ihm tatsächlich widmet, wird es kleinteilig unübersichtlich: mit Wänden voller Gemälde in Petersburger Hängung – also wild durcheinander. Mit Paraden von Puppen und Marionetten, in Reih und Glied aufgebahrt. Mit ganzen Warenlagern von Geschirr, Gläsern, Gefäßen und Kleinmöbeln, wie in Verkaufsregalen übereinander getürmt.

 

Diktat des rechten Winkels

 

Der Fluch so vieler Kunstgewerbemuseen sucht auch diese Neugründung heim: Alles reiht sich fantasielos in Vitrinen so lange aneinander, bis jeder Betrachter ermüdet abbricht. Oder in die Chefetage unterm Dach flieht: Dort wird den drei Bauhaus-Direktoren Gropius, Hannes Meyer und Mies van der Rohe gehuldigt – obwohl Meyer und Mies in Weimar noch gar nicht dabei waren.

 

Selbst Prunkstücke unter den 1000 Exponaten werden rigide ins Schema gezwängt; etwa Peter Kelers Kinderwiege aus den Grundformen Dreieck und Kreis von 1922. Auch die berühmte „Frankfurter Küche“, die Margarete Schütte-Lihotzky 1926 als Urtyp der Einbauküche entwarf, wird in eine Regalzeile gequetscht. Vom flexiblen, experimentierfreudigen, zuweilen auch verspielten Geist des Bauhauses keine Spur: Hier herrscht das Diktat des rechten Winkels.

 

Gelungene Um-1900-Ausstellung

 

Hintergrund

 

Website aller Aktivitäten zu 100 Jahre Bauhaus

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "bau1haus – Die Moderne in der Welt" - facettenreiche Fotoschau zu Modernismus-Architektur von Jean Molitor in Berlin, Chemnitz + München

 

und hier eine Besprechung des Films "Vom Bauen der Zukunft – 100 Jahre Bauhaus" - originell aktualisierende Dokumentation von Niels Bolbrinker + Thomas Tielsch

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Das Bauhaus - Alles ist Design" zur Wirkungsgeschichte des Bauhauses in der Bundeskulturhalle Bonn

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung "Marcel Breuer: Design und Architektur" – umfassende Werkschau im Bauhaus Dessau.

 

Das liegt nicht am Genius Loci; Weimar kann auch anders. Wie die Klassik-Stiftung als Betreiber nur wenige Meter entfernt im Neuen Museum demonstriert: Seit 2004 zeigte sie hier diverse Sonderschauen – mit wechselndem Erfolg und Zuspruch. Nun hat die Stiftung im Neorenaissance-Bau von 1869 eine zweite Dauerausstellung einrichten lassen: zur Epoche um die Jahrhundertwende, gleichsam als Vorgeschichte zur Bauhaus-Phase.

 

„Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“ ist rundum gelungen. Mit Bedacht ausgewählte Objekte und kurze, pointierte Erläuterungen führen prägnant in diese kulturelle Blütezeit ein, als Museumsdirektor Harry Graf Kessler ab 1903 die Avantgarde halb Europas ausstellte und der Jugendstil-Designer Henry van de Velde die Kunstgewerbeschule leitete – aus ihr ging später das Bauhaus hervor.

 

Architektin hält die Hand auf

 

Die Schau ist gefällig aufbereitet, nirgends überfrachtet und wird punktuell mit sinnvollen Multimedia-Elementen ergänzt. Der souveränen Inszenierung merkt man überall an, wie vertraut das Kuratoren-Team von Sabine Walter mit dem Thema ist. Nur: Wer interessiert sich schon für Graf Kessler, van de Velde oder Nietzsche?

 

Die Massen sollen künftig ins Bauhaus-Museum strömen. Wenn sie sich in das Ungetüm hineintrauen, müssen sie beim Knipsen aufpassen: Architektin Hanada hat sich sämtliche Bildrechte am Gebäude gesichert. Nur Außenaufnahmen sind frei; wer das Innere ablichtet und die Aufnahmen publiziert, etwa im Internet, schuldet der Dame Geld – das gilt sogar für die Klassik-Stiftung als Hausherrin.

 

Dieses Projekt hat in vier Jahren Bauzeit 27 Millionen Euro verschlungen – doch sie selbst habe dabei 50.000 Euro Verlust gemacht, behauptet Hanada; nun will sie sich offenbar mit Foto-Lizenzgebühren schadlos halten. Soviel profitmaximierende Erbsenzählerei passt zu einer Berufsauffassung, die solche Entwürfe hervorbringt. Noch ein Grund, das Monstrum links des Gauforums liegen zu lassen.