André Schäfer + Eva Gerberding

Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden

Max Emden (re..) mit Gast in seiner Villa im Tessin. Foto: Real Fiction Filmverleih
(Kinostart: 25.4.) Kaufhaus-König und Kunstfreund: Die Doku über den Unternehmer und Lebemann Max Emden behandelt viele spannende Themen, unter anderem den Umgang mit Raubkunst. Angesichts der Fülle von Aspekten werden die Filmemacher etwas kurzatmig.

Er war ein erfolgreicher Unternehmer, Mäzen, Kunstsammler und Lebemann: der Hamburger Kaufmannssohn Max Emden. Das von ihm entwickelte Konzept des Kaufhauses dominiert bis heute die deutschen Innenstädte. In den 1920er Jahren machte er aus dem Kurzwarengeschäft seiner Eltern ein Imperium, zu dem unter anderem das Berliner KaDeWe oder das Oberpollinger in München gehörten.

 

Info

 

Auch Leben ist eine Kunst –
Der Fall Max Emden

 

Regie: André Schäfer +
Eva Gerberding,

90 Min., Deutschland/ Schweiz 2018;

 

Weitere Informationen

 

So prägte er Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das kulturelle Leben – nicht nur in der Hansestadt. Trotzdem erinnert heute wenig an seinen einst bedeutenden Namen.

 

Platz an der Sonne im Tessin

 

1927 siedelte Emden an den Lago Maggiore im Tessin über, wo er auf der Insel Brissago eine mondäne Villa errichtete. Dort genoss er sein Leben in der Sonne, inspiriert von der damals angesagten Reformbewegung, wie schwarzweiße Filmaufnahmen mit teilweise nackten jungen Frauen illustrieren. Dabei ging es ihm jedoch nicht um eine hippiehafte Vision von freier Liebe, sondern um ein Leben umgeben von Schönheit.

Offizieller Filmtrailer


 

Atemloser Schauplatz-Wechsel

 

Taucht Emden in den Archivbildern selbst auf, sieht man einen kahlköpfigen, ernsten Mann. Allein diese Aufnahmen ergäben schon eine Grundlage für einen spannenden Film. Sie sind aber nur der Auftakt für eine Geschichte, die fast ein Jahrhundert umspannt – sie pressen die Filmemacher Eva Geberding und André Schäfer in einen 90-minütigen Dokumentarfilm. 

 

„Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden“ strotzt vor Material und Fakten. Einerseits ist der Ansatz der Filmemacher lobenswert; allein schon deshalb, weil die Geschichte inhaltlich so spannend und komplex ist. Andererseits überfordern sie den Zuschauer streckenweise, denn sie erzählen mehrere Geschichten gleichzeitig. Mit der Konsequenz, dass der Film fast atemlos von Schauplatz zu Schauplatz hetzt – was den Erzählfluss arg holpern lässt.

 

Erzwungene Notverkauf großer Kunst

 

Da wäre zunächst Emdens Schicksal; er starb 1940 erschöpft und verarmt im Schweizer Exil. Seine Lebensgeschichte lenkt den Blick auf die aktuelle Restitutionsdebatte und den häufig unrühmlichen Umgang mit so genannter Raub- oder Fluchtkunst; also mit Kunstwerken, die von deutschen Emigranten – meist, aber nicht immer, waren sie Juden – aus wirtschaftlicher Not veräußert wurden.

 

Zwar war Emden als Jugendlicher zum Protestantismus konvertiert. Dennoch konfiszierten die Nazis sein in Deutschland verbliebenes Vermögen und zwangen ihn zum Verkauf seiner Immobilien – weit unter Wert. Zudem musste er sich von Teilen seiner kostbaren Kunstsammlung trennen, unter anderem von drei Gemälden des venezianischen Veduten-Malers Bernardo Bellotto, auch Canaletto genannt.

 

Bild aus Hitler-Sammlung für Bundespräsidenten

 

Das bekannteste Exemplar, eine Stadtansicht von Dresden, landete zunächst über einen Schweizer Händler für einen Spottpreis in Hitlers Sammlung. Später hing es in der Residenz des Bundespräsidenten; nun versauert es im Fundus des Militärhistorischen Museums in Dresden. Der Film verfolgt minutiös die Geschichte dieses Bilds; mithilfe von Experten wie Emden-Biografen Ulrich Brömmling, Kunsthistorikern und dem deutschen Anwalt der Familie.

 

Darüber hinaus begeben sich die Filmemacher gemeinsam mit Emdens Enkel Juan Carlos, der quasi als Erzähler fungiert, auf die Suche nach dem Verbleib weiterer Kunstschätze des Großvaters. Deren Weg führt von Hamburg über die Schweiz zurück nach Deutschland; er vermittelt den Eindruck eines skandalös zynischen Umgangs hiesiger Behörden mit Emdens Erben.

 

Hanseatische Wertschätzung blieb aus

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Chinese Lives of Uli Sigg" - Dokumentation über den Schweizer Kunstsammler mit riesiger China-Kunstkollektion von Michael Schindhelm

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Weltkunst – Von Buddha bis Picasso: Die Sammlung Eduard von der Heydt" - opulente Gedenkschau über den schwerreichen Exzentriker + Freund von Max Emden im Von der Heydt-Museum, Wuppertal

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Die Sammlung des Bankiers Wagener: Die Gründung der Nationalgalerie" in der Alten Nationalgalerie, Berlin.

 

Sein Sohn Hans Erich konnte als Staatenloser in den 1940er Jahren nach Chile emigrieren. Nach Kriegsende wurde ihm der Anspruch auf Entschädigung verwehrt, da Emden offiziell als Protestant und nach damaliger Lesart als nicht betroffen galt. Unter dieser Ungerechtigkeit hatte nicht nur diese Familie zu leiden. Doch vielleicht spiegelt sich im Umgang mit seinen Erben auch posthum noch die Ablehnung von Emdens Libertin-Lebensstil.

 

Den goutierte die Hamburger Gesellschaft seinerzeit gar nicht; ebenso wenig seinen Umzug in die Schweiz; Spenden für die in Entstehung befindliche Universität und die Kunsthalle nahm man trotzdem gern. Auch das ist ein Thema des Films. Dass nach der deutschen Wiedervereinigung zumindest der Erlös einer Potsdamer Kaufhaus-Immobilie der Familie zugute kam, ist da nur ein schwacher Trost – auch angesichts des Werts der Bellotto-Gemälde, die sich offiziell in Bundesbesitz befinden.

 

Öffentliche Erinnerung

 

Um deren Besitz geht es der Familie jedoch nicht. Sie hegen keine Rachegefühle; auch das macht der Film deutlich. Zwei Urenkel Emdens leben inzwischen wieder in der Heimatstadt ihres Vorfahren. Juan Carlos Emden ist vor allem die Würdigung der Lebensleistung seines Großvaters ein Anliegen. Im Moment beschränkt sich deren öffentliche Sichtbarmachung auf den Namen eines unbelebten Parkwegs im Botanischen Garten in Hamburg, der übrigens auch einst Max Emden gehörte. Dieser Film hilft – trotz einiger Schwächen – hoffentlich, das zu ändern.