Ronald Zehrfeld

Das Ende der Wahrheit

Sein Verhältnis zur Journalistin Aurice Köhler (Antje Traue) könnte ihm den Job kosten. Als sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz auftaucht, wird Martin Behrens (Ronald Zehrfeld) nervös. Fotoquelle: Prokino Filmverleih
(Kinostart: 9.5.) Im Spiegelkabinett der Spionage: Als Agent erpresst Ronald Zehrfeld Informanten, die er dann skrupellos opfert. Derweil nutzen Firmen den BND für ihre Zwecke. Regisseur Philipp Leinemanns Thriller ist so komplex wie spannend und plausibel.

Der Anfang von „Das Ende der Wahrheit“ mutet fast romantisch: Nach einer Runde Schwimmen durch den kalten See kommt eine junge Frau zurück in ihr lauschiges Häuschen am Ufer. Dort wartet ihr Freund, eine dampfende Kaffeetasse und ein kuscheliges Bett.

 

Info

 

Das Ende der Wahrheit

 

Regie: Philipp Leinemann,

105 Min., Deutschland 2019;

mit: Ronald Zehrfeld, Alexander Fehling, Axel Prahl

 

Weitere Informationen

 

Doch schnell wird klar: An diesem Idyll ist nichts, wie es scheint. Diese Frau, die Journalistin Aurice Köhler (Antje Traue), kennt nicht einmal den richtigen Namen ihres Bettgefährten. Und der Mann, Martin Behrens (Ronald Zehrfeld), müsste seinen Arbeitgeber eigentlich längst informiert haben, mit wem er da eine Affäre hat. Behrens ist nämlich Zentralasien-Experte beim Bundesnachrichtendienst (BND) – und Köhler recherchiert zu Themen, die seine Arbeit berühren.

 

Verlogener Asylverfahrens-Übersetzer

 

Deutlich unsympathischer als beim frühmorgendlichen Schäferstündchen kommt Behrens bei seinem zweiten Auftritt daher. Bei einer behördlichen Anhörung zu einem Asylverfahren gibt er sich als Übersetzer aus und lügt den um sein Bleiberecht bangenden Mann an – am Sachbearbeiter vorbei. Auf skrupellose Weise versucht er, Informationen vom Asylbewerber zu erpressen, die zum Milizenführers Al-Bahiri führen.

Offizieller Filmtrailer


 

Besser tot als Presse-Informant

 

Wie man mit den so gewonnenen Angaben umgehen soll, an denen insbesondere der US-Geheimdienst interessiert ist – darüber ist man sich in der Behörde keineswegs einig. Doch Behrens setzt sich durch: Die Daten werden weitergeleitet und Al-Bahiri durch einen US-Drohnenangriff getötet. Der Mann, der dem BND zu diesen Informationen verholfen hat, wird übrigens trotzdem abgeschoben – in den sicheren Tod. Das sei nicht unüblich, erklärt Behrens später im Kollegenkreis; schließlich wolle man vermeiden, dass so jemand mit den Medien redet.

 

Es geht Schlag auf Schlag in dieser komplexen Geschichte über politische und moralische Verantwortung, die sich zu einem gelungenen Thriller steigert. Im Vorgängerfilm, dem düsteren Polizeithriller „Wir waren Könige“, hatte sich Regisseur Philipp Leinemann mit dem Arbeitsalltag eines Sondereinsatzkommandos (SEK) beschäftigt. Diesmal blickt er ähnlich unsentimental auf die Strukturen im BND. Auch wenn der Zuschauer dabei in manche Abgründe blickt: Leinemann zeichnet sein Bild nicht schwarzweiß, sondern in vielen Grau-Schattierungen.

 

Waffenhändler unterwandern BND

 

Die Ausgangslage ist konstruiert: Im Zentrum steht eine fiktionale Autonomie-Region namens Zahiristan, an der Grenze zu Afghanistan. Die Hintergründe wirken jedoch solide recherchiert, und die angedeuteten Verflechtungen zwischen Lobbyismus und Politik realistisch; so will eine Firma mit dem schön nichtssagenden Namen „Global Logistics“ Waffen nach Zahiristan verkaufen und knüpft dafür eifrig Kontakte in die Behörde. Bald werden die Probleme deutlich, die durch solche Privatisierung von staatlichen Hoheitsaufgaben entstehen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer" – Biopic über den Staatsanwalt, der Adolf Eichmann aufspürte, von Lars Kraume mit Ronald Zehrfeld

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Lügen der Sieger" - Polit-Thriller über einen Bundeswehr-Skandal von Christoph Hochhäusler

 

und hier eine Besprechung des Films "Zwischen Welten" – realistisches Kriegsdrama über die Bundeswehr in Afghanistan von Feo Aladag mit Ronald Zehrfeld.

 

Damit eng verbunden: die offenkundige Frustration altgedienter BND-Mitarbeiter. Sie können immer weniger ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen, dem Sammeln und Analysieren von Informationen – weil es den tagespolitischen oder wirtschaftlichen Interessen zuwider läuft. Dabei muss man aufmerksam zuhören, um dem komplexen Geschehen folgen zu können; sonst übersieht man leicht manch spannenden Aspekt aus dem dichten Geflecht aus politischen, wirtschaftlichen und geheimdienstlichen Interessen.

 

Seitenwechsel bringt wenig

 

Inklusive des hohen persönlichen Preises, den Behrens für seine Agententätigkeit zahlt: Die Frage seiner Tochter, warum er diesen Job überhaupt mache, kann er nicht mehr beantworten. Dabei erscheinen solche Vater-Tochter-Szenen wie eine etwas zu simple Hilfskonstruktion, um ihn menschlicher zu zeichnen. Kurze Momente, in denen Zehrfeld offensichtlich unter starkem Arbeitsstress steht, wirken eindrucksvoller als sein angeklebt wirkendes Familienleben.

 

Überzeugend ist auch Alexander Fehlings Auftritt als Behrens neuer Vorgesetzter und Gegenspieler Patrick Lemke. Seine erstaunliche Wandlung vom aalglatten Karrieristen zu einem Menschen, der erkennt, dass er auf der falschen Seite steht, nimmt man ihm tatsächlich ab. Wobei fast unmöglich ist, in einer Gegenwart voller Widersprüche die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen – selbst auf der vermeintlich richtigen Seite. Auch das veranschaulicht dieser Film, obwohl er stellenweise ein wenig überfrachtet daherkommt, durchaus packend.