Pedro Almodóvar

Leid und Herrlichkeit (Dolor y gloria)

Federico Delgado (Leonardo Sbaraglia) und Salvador Mallo (Antonio Banderas) lassen es sich gut gehen. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 25.7.) Begehren und Kreativität: Regisseur Pedro Almodóvar erzählt überraschend zurückhaltend von einem alternden Künstler und blickt auch auf sein Leben zurück. Brillante Darsteller machen sein Vexierspiel so leichtfüßig wie anrührend.

Die Filme des mittlerweile 70-jährigen Spaniers Pedro Almodóvar erkennt man auf den ersten Blick: Das ausgefeilte Setdesign, die extravagante Garderobe der Darstellerinnen und eine üppige Farbigkeit machen sie zu einem Fest für das Auge. In der Handlung steckt meist Melodramatik und ein Schmerz, der von einem eigenwilligen Humor aufgefangen wird. Seine Heldinnen sind oft schöne Frauen, die sich gegen die Zumutungen des Lebens im Allgemeinen und der Männer im Speziellen verteidigen müssen.

 

Info

 

Leid und Herrlichkeit (Dolor y gloria)

 

Regie: Pedro Almodóvar,

113 Min., Spanien 2019;

mit: Antonio Banderas, Penélope Cruz, Asier Etxeandia

 

Weitere Informationen

 

In seinem nunmehr 21., mit „Leid und Herrlichkeit“ passend betitelten Werk steht jedoch ein Mann im Mittelpunkt: der angegraute Regisseur Salvador Mallo. Gleich in der ersten Einstellung des Films sieht man ihn meditativ unter Wasser verharren. Der dunkle blaue Raum, der ihn umgibt, zeigt die tiefe Verlorenheit dieser von Antonio Banderas verkörperten Figur.

 

Animierte Leiden

 

Der Darsteller, der mit den frühen Filmen von Almodóvar in den 1980er Jahren bekannt wurde, läuft hier zur Hochform auf; in Cannes wurde er dafür dieses Jahr mit dem Preis für den Besten Schauspieler geehrt. Sein Salvador Mallo ist eine Mimose. Nach weltweiten Erfolgen steckt er in einer tiefen Schaffenskrise. Seinen Ruhm musste er stets mit körperlichen und seelischen Leiden bezahlen, wie eine fulminante Animationssequenz zu Beginn eindringlich vor Augen führt.

Offizieller Filmtrailer


 

Pisse + Jasmin = Kino

 

Aufgrund seiner Gebrechen fühlt Mallo sich nicht mehr in der Lage zu arbeiten und versinkt darüber in eine tiefe Depression. Die Begegnung mit seinem früheren Schauspieler Alberto Crespo (Asier Etxeandia), mit dem er vor 30 Jahren im Streit auseinander gegangen war, führt ihn in seine Vergangenheit zurück. In Rückblenden werden immer wieder Szenen aus Mallos Kindheit eingeflochten.

 

Damals lebte er mit seiner so schönen wie eigensinnigen Mutter Jacinta (Penélope Cruz) in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf. Sein einziger Fluchtpunkt aus der sozialen Enge waren Filme, die an die Mauern der Häuser projiziert wurden. „Das Kino meiner Kindheit riecht nach Pisse, nach Jasmin und nach Sommerbrise „, heißt es an einer Stelle. Die ambivalente Beziehung zur Mutter sollte sich als lebensprägend erweisen. Noch als alte Frau (Julietta Serrano) ist sie Mallos wichtigste Bezugsperson.

 

Biographisches trifft erzählerische Freiheit

 

Seine große Liebe Federico (Leonardo Sbaraglia) begleitete ihn dagegen nur kurz durchs Leben. Von dieser Liebesgeschichte erzählt Almodóvar durch einen inszenatorischen Kunstgriff: Alberto trägt sie als ergreifenden Theatermonolog vor einer weißen Leinwand vor. Die verschiedenen Beziehungen und Zeitebenen des Films überlagern und verdichten sich zusehends.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Julieta" - ergreifendes Mutter-Tochter-Drama von Pedro Almodóvar

 

und hier einen Beitrag über den Film "Fliegende Liebende" – Sommer-Komödie über sexuelle Enttabuisierung mit Penélope Cruz + Antonio Banderas von Pedro Almodóvar

 

und hier einen Bericht über den Film "Offenes Geheimnis" - komplexes Familien-Drama mit Penélope Cruz von Asghar Farhadi

 

Mallos immer tieferes Eintauchen in vergangene Lebensetappen führt zu unwahrscheinlich anmutenden Begegnungen in der Gegenwart. Hier gestattet sich Almodóvar, wie so oft, erzählerische Freiheiten. Einerseits sind die biographischen Bezüge zwischen ihm und seinem Alter Ego überdeutlich, bis hin zur Verwendung eigener Fotos und Kleidungsstücke im Film.

 

Das eigene Leben ist eine Geschichte

 

Andererseits sollte man sich von vermeintlichen Eindeutigkeiten nicht täuschen lassen. Almodóvar spielt mit der sogenannten „Autofiktion“, bei der Autobiographisches mit einer erfundenen Erzählebene vermischt wird: die eigene Lebenserfahrung wird fiktionalisiert, Film und Realität sind nicht einfach eins zu eins zu setzen.

 

„Leid und Herrlichkeit“ verdeutlicht anschaulich, dass unser Dasein mitunter nur zu ertragen ist, wenn wir es uns selbst in Form einer Geschichte erzählen. Mit zunehmendem Alter – das veranschaulicht diese fiktionalisierte Lebenserinnerung – vermischen sich Erlebtes und Erdachtes; das Bedürfnis, die gemachten Erfahrungen einzuordnen und zu kategorisieren, nimmt zu. Salvador Mallo bleiben der Schmerz und die Liebe als Fixsterne.

 

Hoffentlich nicht der letzte

 

Von all dem erzählt Almodóvar mit einer leichtfüßigen Melancholie. Das Schrille und Überzeichnete, das viele seiner Arbeiten charakterisiert, ist in dieser Rückschau stark zurückgenommen. Umso mehr berührt der Film. Ob es sein letzter ist? Hoffentlich nicht.