Einmal einen großen Hollywoodfilm machen, einmal so richtig das Traumfabrik-Gefühl auskosten: Davon träumen wohl die meisten Regisseure. Und wenn das echte Hollywood in weiter Ferne ist, kann man es sich auch zu Hause basteln. Das mögen sich Regisseur Martin Schreier und Produzent Tom Zickler gedacht haben, als sie das Konzept zu diesem Film entwickelten.
Info
Traumfabrik
Regie: Martin Schreier,
125 Min., Deutschland 2018;
mit: Heiner Lauterbach, Dennis Mojen, Emilia Schüle
Trümmerfrauen + Piraten
In dieser Periode ist „Traumfabrik“ angesiedelt; der Film beginnt mitten im Alltagsbetrieb eines Filmstudios. Im Sommer 1961 werden acht Filme gleichzeitig gedreht, weshalb sich Trümmerfrauen als Komparsen beim Warten auf ihren Einsatz mit Piraten und anderem Volk mischen. Das beeindruckt Emil Hellwerk (Dennis Mojen) enorm, der hier eigentlich nur seinen Bruder Alex (Ken Duken) im Kulissenbau besuchen will.
Offizieller Filmtrailer
Baukasten ohne Bauplan
Auf dem Weg dorthin trifft er aber seine vermeintliche Traumfrau, die französische Tänzerin Milou (Emilia Schüle); sie ist als Assistentin und Double eines französischen Filmstars in Babelsberg beschäftigt. Die schroffe Schöne erliegt alsbald Emils robustem Charme. Für beide ist es die große Liebe – die allerdings von der Grenzschließung am 13. August und dem beginnenden Mauerbau unterbrochen wird. Um Milou dennoch wiederzusehen, kommt Emil auf die verrückte Idee, den Filmstar erneut nach Babelsberg zu locken; bei vollem Risiko.
Diese Konstellation hätte das Zeug zu einer charmanten Komödie übers Träumen und Filmemachen, wenn die Macher ihre Ambitionen, Hollywood nach Babelsberg zu verpflanzen, nicht so fürchterlich ernst nähmen. Vermutlich bräuchte man dafür einen gestandenen Hollywood-Regisseur. Denn diese „Traumfabrik“ wirkt eher wie ein Baukasten, in dem zwar alle wichtigen Teile beisammen sind, aber der passende Bauplan fehlt.
Selbst Wahres erscheint falsch
Zu sehr ist jeder Szene der Wille anzumerken, einen hochromantischen Liebesfilm vollzupacken mit großen Gefühlen, die alle Grenzen überwinden; dafür wird alles aufgefahren wird, was ein Filmstudio zu bieten hat. Ein dramatischer Höhepunkt jagt den nächsten, doch ein echter Erzählfluss entsteht so nicht. Die Gesten wirken einstudiert; selbst historische Tatsachen wie die tatsächliche Anwesenheit französischer Filmstars zu Defa-Zeiten erscheinen trotzdem falsch, da alles in goldenen Schimmer in Cinemascope getaucht wird; samt süßlichen Geigenklängen in fast jeder Szene.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Adam und Evelyn" - Romanverfilmung über ein Paar im Wendesommer 1989 von Andreas Goldstein
und hier einen Bericht über den Film "Westwind" - zartbittersüßes Melodram über DDR-Flucht 1988 aus Liebe von Robert Thalheim
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Traumfabrik – 100 Jahre Film in Babelsberg" - im Film-Museum Potsdam
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Am Set: Paris - Babelsberg - Hollywood" über Standfotografie seit der Stummfilm-Zeit in der Deutschen Kinemathek, Berlin
Checkliste abgearbeitet
Dabei wird diese Aktion leider völlig ironiefrei wie ein schmalziges Familienstück inszeniert; es verheizt die eigentlich gut besetzten Nebenfiguren. Denn bis auf die Liebenden dürfen alle Nebenpersonen ohnehin nur oft unsägliche Dialogzeilen vortragen, wie Heiner Lauterbach als Studiochef oder Nikolai Kinski als Milous eifersüchtiger Verlobter.
Auch aus der absurden Situation nach dem Mauerbau macht Regisseur Martin Schreier wenig. Er beschränkt sich auf die üblichen Klischees: Natürlich laufen intrigante Stasitypen, Parteifunktionäre und Russen herum – da wir in Potsdam sind, muss die Glienicker Brücke ebenso auftauchen. Das wirkt eher wie das Abarbeiten einer Checkliste als inspiriertes Erzählen.
Finale mit Elefanten
Dazu passt auch, dass Emils Großprojekt ein Film über Kleopatra ist, dessen Finale mit Happy End trotz Elefanten und ägyptisch kostümierten Massen auf Fernsehniveau bleibt. Das schmerzt etwas; schließlich war dieser Film auch als Neustart der hauseigenen Babelsberger Kinoproduktion nach mehr als 20 Jahren gedacht. Da ist noch eine Menge Luft nach oben.