
Mit dem angeblich Ursprünglichen und Unverfälschten lässt sich viel Geld verdienen – ob es um Konsumartikel vom Ende der Welt geht oder den neuesten Reise-Geheimtipp. Angelockt durch solche Versprechen, versammeln sich dort bald Massen von Individualreisenden, während die Einheimischen ihren Alltag längst anderswo leben.
Info
Fisherman's Friends
Regie: Chris Foggin,
112 Min., Großbritannien 2019;
mit: James Purefoy, Daniel Mays, Tuppence Middleton
Zu doof zum Paddeln
Als ihretwegen zudem die Seenotrettung ausrücken muss, weil die drei nicht einmal richtig paddeln können, sinkt die Achtung der Einheimischen für das Trio auf Null. Das ändert sich auch nicht, als Musikmanager Danny (Daniel Mays), angestiftet von seinen Kumpels, den lokalen Shanty-Gesangsverein „Fisherman’s Friends“ unter Vertrag nehmen will.
Offizieller Filmtrailer
Shanty-Boygroup als Marketing-Gag
Dass sich seine Freunde mit dieser Idee nur einen Scherz erlaubt haben, merkt er gar nicht. Von den Fähigkeiten der singenden Pulloverträger ist er ziemlich überzeugt; außerdem sucht er verzweifelt nach dem nächsten heißen Ding. Danny mietet sich im „Bed & Breakfast“ der Tochter des Chorleiters Jim Alwyn (Tuppence Middleton) ein. Immerhin unterstützt sie ihn bei seinem Vorhaben, die komischen Seebären ins Studio zu bekommen.
Ein Fischerchor, dessen Name sich von kratzigen Halsbonbons ableitet, und der Seemannslieder anstimmt – also den „Rock’n’Roll von 1752“, wie Alwyn es nennt – wirkt wie eine Kopfgeburt aus der Marketingabteilung. Doch tatsächlich hatte eine solche „Shanty-Boygroup“ aus gestandenen Männern 2010 einen Top-Ten-Hit in den britischen Charts.
Lokalkolorit bei gutem Wetter
Da dies allein noch keine Geschichte ergibt, erzählt Regisseur Chris Foggin in seiner Culture-Clash-Komödie nicht nur vom Weg der Seemänner zu ihrem kurzen Ruhm, sondern flicht auch noch erwartbare Spannungen zwischen oberflächlichen Großstadtschnöseln und heimatverbundenen Ureinwohnern ein. Dabei geht es ihm kaum um ein realistisches Abbild des Fischerlebens an der englischen Küste.
„Fisherman’s Friends“ will vor allem unterhalten; und das gelingt dem Film auch mit seiner wunderschönen Kulisse. Zuweilen hat man das Gefühl, das Fremdenverkehrsamt habe die Kamera geführt, um möglichst viele malerisch zerklüftete Felsen abzulichten. Regnen tut es im Übrigen auch kaum. Das Lokalkolorit wird dennoch mit einer bunten Auswahl an Seemannspullis und Gummistiefeln hübsch inszeniert.
Einschwören auf den Brexit
Hintergrund
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Von solchen aktuellen Konnotationen abgesehen ist „Fisherman’s Friends“ vor allem eine leicht konsumierbare, etwas vorhersehbare Komödie – allein schon, weil das Ende der Geschichte klar ist. Das schmälert den Unterhaltungswert jedoch kaum. Immerhin wartet der Film mit Schauwerten und einer Riege toller Schauspieler auf, denen das Shanty-Schmettern sichtlich Spaß macht.
Ohne Business-Plan in den Pub
Darüber hinaus nutzt Regisseur Foggin den Plot für unterhaltsame Spitzen gegen das Musikgeschäft und Casting-Shows. Nett anzusehen ist etwa die Szene, in der der Chor, statt sich auf einen Termin beim Plattenlabel vorzubereiten, lieber in einen Pub geht und dort die anderen Gäste zum Mitsingen animiert.
Die Reibereien zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen erhalten durch amouröse Verwicklungen eine zusätzliche Dynamik; das wäre aber in der Uckermark oder dem Emsland wohl kaum anders. Sozialkritik oder ein differenziertes Gesellschaftspanorama bietet der Film nicht – doch wen die wiederholte Beschallung mit munteren Volksweisen nicht stört, der wird sich gewiss gut unterhalten fühlen.